Deutsche Unternehmen vor französischen Strafgerichten

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Bei grenzüberschreitenden Ermittlungen französischer Behörden werden Entscheidungsträger schnell nach Frankreich vorgeladen. Es besteht das Recht auf Anwaltsbeistand, allerdings ist die Akteneinsicht vor polizeilichen Verhören eingeschränkt. Vor einem Untersuchungsrichter ist Akteneinsicht möglich, jedoch ohne Übermittlung einer Kopie. Die Ermittlungen können sich auf diverse Tatbestände, insbesondere im Vermögensstrafrecht, erstrecken. Im Gegensatz zu Deutschland, wo bei Informationsbedarf oft Rechtshilfeersuchen gestellt werden, neigen französische Behörden dazu, direkt vorzuladen. Das französische Strafgesetzbuch erlaubt es, sowohl das Unternehmen als auch individuelle Entscheidungsträger strafrechtlich zu belangen. Ermittlungen setzen breit an und fokussieren sowohl auf geschäftliche als auch persönliche Verantwortlichkeiten. Eine Verurteilung kann zu Eintragungen im deutschen Strafregister führen. Daher ist es entscheidend, frühzeitig auf die Ausrichtung der Ermittlungen zu reagieren und eine Verteidigungsstrategie gegen die Vorwürfe zu entwickeln. Bei polizeilichen Ermittlungen muss die Frage der Strafbarkeit in der Hauptverhandlung geklärt werden, während bei richterlichen Untersuchungen eine Klärung bereits im Ermittlungsverfahren angestrebt werden sollte. Deutsche mittelständische Unternehmen mit internationalen Verbindungen erfahren zunehmend strafrechtliche Ermittlungen durch französische Behörden, was ernsthaften Beratungsbedarf nach sich zieht. Vor jeder Kommunikation mit ausländischen Behörden sollte sorgfältig über die angemessene Reaktion nachgedacht werden.

Im Rahmen von grenzüberschreitenden Ermittlungen der französischen Behörden kommt es recht zügig zur Ladung der verantwortlichen Entscheidungsträger nach Frankreich zum Verhör. Das wird durch Polizeibehörden im Auftrag der Staatsanwaltschaft ausgeführt oder durch einen bereits ermittelnden Untersuchungsrichter persönlich. In diesem Verfahrensstadium hat der Vorgeladene das Recht auf die Anwesenheit eines Anwalts.

Sein gesetzliches Akteneinsichtsrecht ist eingeschränkt, wenn die Polizei vorlädt besteht keine Möglichkeit, vorher Kenntnis über den Ermittlungsstand zu erhalten. Vor dem Untersuchungsrichter besteht hingegen ein Akteneinsichtsrecht des Anwalts, das dieser vor dem Termin wahrnehmen kann. Jedoch besteht noch keine Möglichkeit, eine Kopie der Akte übermittelt zu bekommen.

Denkbare Tatbestände betreffen naturgemäß das Vermögensstrafrecht oder sind breit gefächert, vom Verstoß gegen Arbeitsgesetze, nicht abgeführter Sozialabgaben bis hin zum Wettbewerbsrecht.

Die Praxis zeigt, dass zwar ein Verhör in Deutschland im Rahmen von Rechtshilfeersuchen durchaus üblich ist und dieser Weg gerne beschritten wird, wenn es sich um reinen Informationsbedarf der französischen Ermittlungsbehörden handelt. Hat man dort jedoch schon einen begründeten Tatverdacht oder will man schlicht den umständlichen Weg über das Rechtshilfeersuchen meiden, so wird direkt nach Frankreich vorgeladen. Die Betroffenen sehen sich mit einer im Vergleich zur deutschen Verfahrenspraxis vollkommen anderen Ermittlungsmethode konfrontiert.

Das frz. Strafgesetzbuch sieht vor, dass wahlweise das Organ bzw. die Entscheidungsträger der jeweiligen juristischen Person oder ebendiese persönlich, strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden können. Die Verfolgungsbehörden sind vollkommen frei, die Ermittlungen gegen das Unternehmen, gegen seine Vertretungsberechtigten persönlich oder gegen beide zu orientieren.

Die Erfahrung zeigt, dass grundsätzlich so breit wie möglich bei den Ermittlungen angesetzt wird. Systematisch wird der Geschäftsführer in seiner Funktion und auch persönlich zur Rechenschaft gezogen. Dem Vertretungsorgan muss theoretisch ein von seinen Aufgaben im Unternehmen trennbarer, eigener Fehler zur Last gelegt werden können.

Das bedeutet bei Feststellung der persönlichen Strafbarkeit durch ein Gericht eine Eintragung ins (deutsche) Strafregister für Straftaten, die im Zusammenhang mit der Organstellung im Ausland begangen worden sind. Es ist also notwendig, sehr früh auf die erkennbare Orientierung zu reagieren und sich in der Verteidigung auf beide Strafvorwürfe zu konzentrieren.

Steht ein Termin zur mündlichen Verhandlung an, der lediglich auf polizeilichen Ermittlungen beruht, muss ggf. im Rahmen der Hauptverhandlung die Frage der Strafbarkeit der Beteiligten in Bezug auf Ihre Tätigkeit oder ihre Verantwortlichkeit im Unternehmen in deutlicher Abgrenzung zu deren persönlicher Strafbarkeit angesprochen werden. Ging der Hauptverhandlung jedoch ein richterliches Untersuchungsverfahren voraus, so ist die Klärung dringend möglichst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens herbeizuführen. Gelingt sie nicht im Untersuchungsverfahren, bleibt die Frage der persönlichen Haftung der späteren mündlichen Hauptverhandlung vorbehalten.

Deutsche mittelständische Unternehmen mit Auslandsberührung sehen sich vermehrt mit strafrechtlichen Ermittlungen, insbesondere z. B. durch frz. Sozialbehörden oder andere polizeiähnliche Behörden, konfrontiert. Dabei ist es nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich, wie das Verfahren einzuordnen ist, wenn beispielsweise die „Konkurrenzbehörde“ tätig wird.

Grundsätzlich entsteht mit dem ersten Schreiben einer unbekannten Behörde aus Frankreich ernstzunehmender Beratungsbedarf. Selbst wenn sich eine Klärung ohne sichtbare Fremdberatung sodann herbeiführen lässt, muss vor jeder Antwort oder Übermittlung umfangreicher Unterlagen an eine ausländische Behörde oder sogar der Wahrnehmung verhörähnlicher Termine, über die angemessene Reaktion nachgedacht werden.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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