Strafbefehl – was nun?

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Treffen kann es jeden aus jeder Gesellschaftsschicht - Was Betroffene wissen sollten, Vorgehensweise und richtiges Verhalten - von Prof. Dr. Erik Kraatz

2012 wurden rund 530.000 Strafbefehle in Deutschland erlassen. Und auch für 2013 ist der Strafbefehl in der Medienberichterstattung in aller Munde: So bekam kürzlich nicht nur die amtierende deutsche Edelsteinkönigin Meng einen Strafbefehl wegen versuchten Prozessbetrugs, der Bürgermeister von Scheyern, weil er Frauen unter den Rock fotografiert haben soll, oder die inzwischen amtsenthobene Integrations-Staatssekretärin von Nordrhein-Westfalen Kaykin wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt, sondern auch der Vorstandschef des FC Bayern München, Karl-Heinz Rummenigge, weil er zwei Luxusuhren aus Katar einführte, ohne diese dem Zoll zu melden, sowie schließlich der sich in Auszeit befindliche Limburger Bischof Tebartz-van Elst wegen falscher eidesstattlicher Erklärung bezüglich eines Erste-Klasse-Fluges nach Indien. 

Was ist ein Strafbefehl?

Das Strafbefehlsverfahren ist ein rein schriftliches Verfahren, bei dem der Amtsrichter auf Antrag der Staatsanwaltschaft nach dem reinen Aktenstudium beim Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts mit einer Tatsachen- und Schuldfeststellung eine der begrenzten gesetzlichen Rechtsfolgen verhängt, ohne dass der Beschuldigte, der noch nicht einmal vorher angehört werden muss (§ 407 Abs. 3 der Strafprozessordnung [StPO]), die Möglichkeit hatte, sich zu verteidigen. Hintergrund ist das gesetzgeberische Ziel einer beschleunigten Verfahrenserledigung. Der hiermit augenscheinlich einhergehende Verstoß gegen das Menschenrecht auf ein faires Verfahren (Artikel 6 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention) wird dadurch aufgefangen, dass der Strafbefehl eine nur vorübergehende Entscheidung darstellt, da der Angeklagte nach § 410 StPO durch eine rechtzeitige Einspruchseinlegung die Durchführung einer mündlichen Hauptverhandlung erzwingen kann. Nach Erhalt eines Strafbefehls sollte daher stets die Möglichkeit einer Einspruchseinlegung geprüft werden.

Lohnt sich ein Einspruch?

Ein Einspruch lohnt sich nicht nur, wenn der Strafbefehl im Hinblick auf den Tatvorwurf unrichtig ist, was durch die reine Entscheidung nach bisheriger Aktenlage nicht gerade selten vorkommt. Sondern ein Einspruch lohnt sich auch und gerade dann, wenn der behauptete Vorwurf zutrifft, kann auch dann mittels eines Einspruchs versucht werden, das Verfahren vielleicht aus Opportunitätsgründen nach §§ 153 ff. StPO einzustellen (etwa gegen Zahlung einer Geldauflage oder wegen Geringfügigkeit), was sich dann nicht im Bundeszentralregister („Führungszeugnis") auswirkt. Vielleicht lässt sich auch die verhängte Sanktion abmildern. Dies gilt insbesondere in den Fällen der Geldstrafe, da diese nach der Höhe des Einkommens des Angeklagten (Geldstrafe = Tagessatzanzahl je nach Schwere des Delikts multipliziert mit einem Tagessatz [Tagessatzhöhe]; ein Tagessatz = Nettoeinkommen des Angeklagten abzüglich Unterhaltsverpflichtungen, geteilt durch 30) berechnet wird und die Höhe des Einkommens im Strafbefehlsverfahren lediglich geschätzt wird. Auch gilt es Nebenfolgen wie die Maßregel der Entziehung der Fahrerlaubnis im Blick zu haben. Denn legt der Angeklagte keinen oder nicht rechtzeitig Einspruch ein, so wird der Strafbefehl rechtskräftig und steht einem rechtskräftigen Strafurteil gleich, d.h. die Staatsanwaltschaft wird deren Vollstreckung einleiten und der Strafbefehl wird wie eine Verurteilung ins Bundeszentralregister eingetragen, ab 91 Tagessätzen sogar ins Führungszeugnis mit teils erheblichen Nachteilen für die weitere berufliche Karriere.

Risiken eines Einspruchs

Dennoch sollte nicht vorschnell in jedem Fall Einspruch eingelegt werden. Denn in der auf den Einspruch folgenden Hauptverhandlung ist das Gericht nach § 411 Absatz 4 StPO nicht an den Ausspruch im Strafbefehl gebunden, d.h. das Gericht kann nicht nur auf eine höhere Strafe erkennen, sondern im schlimmsten Fall könnte auch herauskommen, dass bislang einige Straftatbestände übersehen wurden, die nun abgeurteilt werden. Erhält man beispielsweise einen Strafbefehl wegen einfacher Körperverletzung (§ 223 Strafgesetzbuch [StGB]: Geldstrafe bis zu 5 Jahre Freiheitsstrafe), so könnte eine Hauptverhandlung ergeben, dass man sogar einen Gegenstand in der Hand hielt beim Schlagen und so sogar eine gefährliche Körperverletzung begangen hat (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu 10 Jahren). Vor der Einlegung eines Einspruchs sollte das Tatgeschehen daher ausführlich rechtlich geprüft werden.

Wie lege ich Einspruch ein?

Form: Einspruch kann schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Gerichts eingelegt werden, wobei das Aktenzeichen des Strafbefehls anzugeben ist. Möglich ist auch eine Einlegung per Fax (Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.03.1982 - 1 StR 817/81), auf elektronischem Wege (E-Mail) dagegen nur unter Verwendungen einer zugeteilten elektronischen Signatur (§ 41a StPO). Stellt man hinterher fest, dass man aus Versehen vergessen hat, den Einspruch zu unterschreiben, so schadet dies nicht, wenn aus dem Einspruchsschreiben der Wille zur Einlegung des Rechtsbehelfs unzweifelhaft und die Person des Einsprucheinlegenden aus dem Schriftstück deutlich erkennbar ist (Bayerisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 22.04.1980 - 2 Ob OWi 44/80). Einer Begründung bedarf der Einspruch nicht.

Beschränkung: Ein Einspruch kann entweder gegen den gesamten Strafbefehl eingelegt oder auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden (§ 410 Absatz 2 StPO), z.B. auf eine von mehreren Taten oder auf einzelne abtrennbare Teile des Strafausspruchs. Zumeist kann es sinnvoll sein, den Schuldspruch hinzunehmen, aber die Geldstrafe im Hinblick auf die Tagessatzhöhe mit dem Einspruch anzugreifen, weil das Nettoeinkommen falsch geschätzt oder der Angeklagte inzwischen arbeitslos wurde; die Beschränkung auf die Tagessatzhöhe hat den weiteren Vorteil, dass das Gericht mit Zustimmung des Angeklagten, des Verteidigers und des Staatsanwalts ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden kann, was dem Angeklagten eine stressige Hauptverhandlung erspart.

Frist: Die Einspruchsfrist beträgt zwei Wochen und beginnt mit der Zustellung des Strafbefehls (§ 410 Absatz 1 Satz 1 StPO), d.h. zumeist mit dem Datum, der auf dem gelben Zustellungs-Umschlag vermerkt ist. Wird der Strafbefehl etwa am Freitag, den 29.11. zugestellt, so läuft die Einspruchsfrist bis zum Freitag, den 13.12. 24 Uhr. Sollte der Strafbefehl an einem Samstag zugestellt werden, z.B. am Samstag, den 30.11., dann läuft die Frist nicht nach zwei Wochen am Samstag, den 14.12. ab, sondern wegen § 43 Absatz 2 StPO am nächsten Werktag (Montag-Freitag), also am Montag, den 16.12. 24 Uhr. Zur Fristwahrung muss der Einspruch vor Ablauf der Frist dem Gericht auch zugegangen sein, so dass entsprechende Brieflaufzeiten zu berücksichtigen sind. Es reicht jedoch ein Fax oder ein persönliches Einstecken in den Nachtbriefkasten des Gerichts bis 24 Uhr am letzten Tag der Frist. Zu beachten gilt aber bei der Übermittlung per Fax, dass dieses bis 24 Uhr beim Faxgerät des Gerichts eingegangen sein muss, wobei Verspätungen wegen einer Überlastung des Faxgeräts (viele schicken ihr Fax kurz vor 24 Uhr) zu Lasten des Angeklagten gehen.

Kann ich den Einspruch wieder zurücknehmen?

Die durch eine Einspruchseinlegung gewonnene Zeit zur eigenen Verteidigung sollte genutzt werden, um durch einen Rechtsanwalt Akteneinsicht nehmen zu lassen, um den genauen Tatvorwurf und die hierzu vorhandenen Beweismittel besser bewerten zu können. Sollte sich dabei herausstellen, dass sich ein Einspruch doch nicht lohnen wird, insbesondere weil doch eine höhere Strafe droht, so kann der Einspruchs zurückgenommen werden, während der Hauptverhandlung aber nur noch mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft (§ 411 Absatz 3 in Verbindung mit § 303 StPO).

Wie geht das Verfahren weiter?

Wurde der Einspruch zu spät eingelegt, wird er vom Gericht als unzulässig verworfen (§ 411 Absatz 1 Satz 1 StPO) und der Strafbefehl wird rechtskräftig. Ansonsten beraumt das Gericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung an, in der sich der Anklagte durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten lassen kann. Fehlt der Angeklagte im Verhandlungstermin unentschuldigt und wird er auch nicht durch einen Verteidiger mit schriftlicher Vollmacht vertreten, so verwirft das Gericht den Einspruch nach § 412 StPO, selbst wenn der Strafbefehl unzutreffend sein sollte.

Fazit

Einen Strafbefehl muss niemand verteidigungslos hinnehmen. Es sollte aber stets sorgfältig geprüft werden, ob sich die Einlegung eines Einspruchs wirklich lohnt.

V.i.S.d.P.:

Prof. Dr. Erik Kraatz

Privatdozent

Sofortkontakt Dr. Schulte und Partner Rechtsanwälte unter 030-715 206 70


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