Strafverfolgung im Internet: Durchsuchung des Computers und Handys

  • 5 Minuten Lesezeit

Einleitung

Im Internet werden vermehrt „unüberlegte“ Meinungsäußerungen getätigt, welche sich oftmals an der Grenze zur strafrechtlichen Relevanz bewegen können. Strafrechtlich relevante Meinungsäußerungen werden unterbunden und geahndet. Mit welchen Mitteln und in welchem Umfang die Strafverfolgungsbehörden vorgehen, ist wegen der relativen Geringfügigkeit der Handlungen in der Hand der Staatsanwaltschaften und der Amts-/ Landgerichte. Höhere Gerichte haben sich hierzu selten geäußert. Im Folgenden wird eine Entscheidung beleuchtet.

Sachverhalt

Unter seinem richtigen Namen (Klarnamen) postet der Beschuldigte auf Facebook nach einer Oberbürgermeisterwahl in Görlitz (gewonnen wurde diese Wahl sehr knapp von einem CDU Kandidaten gegen einen AfD-Kandidaten) unter einem Beitrag eines Senders mit einem Bild des siegreichen Kandidaten „Hängt ihn höher“. Der Beitrag war im Folgenden für eine unbestimmte Anzahl an Usern sichtbar. Das Amtsgericht hat den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses für die internetfähigen Geräte des Beschuldigten abgelehnt. Die Staatsanwaltschaft legte nun Beschwerde ein und das Landgericht erlies den Durchsuchungsbeschluss. Als Begründung wurde hierfür angeführt, dass es sich bei der Äußerung um eine öffentliche Aufforderung zu Straftaten handele. Die Aussage „Hängt ihn höher“ könne nur so verstanden werden, dass es sich um eine Aufforderung handele, den Kandidaten zu erhängen. Dies sei strafbar gem. § 111 StGB als öffentliche Aufforderung zu Straftaten.

Weiter führte das LG an, dass wegen der aufgeheizten Stimmung bei der Oberbürgermeisterwahl der Beschuldigte es zumindest billigend in Kauf genommen hat, dass seine Aufforderung ernst genommen werde. Bei einer Google Suche sei als erstes der bekannte Western mit gleichem Namen zu sehen, welcher als Thema die Selbstjustiz durch Erhängen habe. Die Gegenstände könnten relevant sein und die Maßnahme wäre im angemessenen Verhältnis zur Schwere der Tat und zur Stärke des Tatverdachts. Auch der Zugriff auf Kommunikationsverbindungsdaten sei bezüglich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung verhältnismäßig.

Bewertung der Entscheidung

Wegen der vorliegenden Problematik, dass die Entscheidung nicht nur für den gesamten Landgerichtsberzirk Vorgaben hinsichtlich der Behandlung von solchen Äußerungen macht, sondern auch weit darüber hinaus Anwendung finden könnte, ist die Entscheidung des Gerichts kritisch zu würdigen.

Moralisch gesehen ist die Entscheidung sicherlich zu befürworten und solche Äußerungen zu verurteilen. Auch in einer aufgeheizten Stimmung einer Wahl sollten solche Äußerungen nicht in die politische Debatte einfließen. Die Wahlwerbung der „Partei“ mit einem Aufdruck „Hier könnte ein Nazi hängen“ oder ein Plakat der Jusos mit der Aufforderung mit Baseballschlägern gegen Andersdenkende vorzugehen wurde jedoch nicht strafrechtlich verfolgt.

Der Erlass des Durchsuchungsbeschlusses durch das LG Görlitz dürfte nicht rechtmäßig gewesen sein.

Anfangsverdacht

Ein notwendiger Anfangsverdacht zur Erfüllung der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten ist nicht erkennbar. Nach einer Entscheidung des BGH (BGH, Urt. v. 14.03.1984 - 3 StR 36/84) muss eine solche Aufforderung den Eindruck der Ernstlichkeit machen und der Äußernde muss den Eindruck auch erwecken wollen. Die Parole „Tötet Cremer, hängt Brandt“ hat der BGH (in der Situation des Terrors der RAF) für zweifelhaft gehalten. Es sei nicht von vornherein auszuschließen, „dass sie als unpassende Unmutsäußerung eines Außenseiters zu verstehen“ ist, „der in ungehöriger Form sein Missfallen über die genannten Politiker zum Ausdruck bringen wollte“. Wegen der Ähnlichkeit der Fälle ist hier offensichtlich zu sehen, dass die Äußerung „Hängt ihn höher“ nicht so stark den Eindruck der Ernstlichkeit vermittelt als die vor dem BGH entscheidende Äußerung.

Auch ist es fernliegend, dass der Beschuldigte ernsthaft in Erwägung gezogen hat, dass seine Aufforderung ernst genommen wird. Selbst dann müsste der Beschuldigte wegen der Rechtsprechung des BGH auch gewollt haben, dass seine Äußerung diesen Eindruck der Ernstlichkeit macht. Dies kann nicht angenommen werden.

Geeignetheit

Die Geeignetheit der Durchsuchung und Beschlagnahme kann nur dann gegeben sein, wenn das Posting über eines der Endgeräte des Beschuldigten erfolgt ist und dadurch der Täterkreis eingegrenzt werden kann. Klar ist jedoch, dass der Beschuldigte den Post unter seinem Klarnamen mit seinem Facebook Account verfasst hat. Es liegen keinerlei Indizien dafür vor, dass beispielsweise ein Mitbewohner Zugriff auf die Endgeräte des Beschuldigten hatte und damit eventuell Zugriff auf das Facebook Konto. Wenn die Struktur des Facebook Accounts und die dort enthaltenen Angaben und anderen Posts aus seinem Privatleben als Indizien dafür ausreichen, dass der Beschuldigte es gepostet hat, bietet die Durchsuchung keinen Mehrwert mehr. Die angeordneten strafprozessualen Maßnahmen sind daher schon ungeeignet, der Wahrheitsfindung zu dienen.

Verhältnismäßigkeit

Jedenfalls ist die Verhältnismäßigkeit bezüglich des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses zu verneinen. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem ähnlichen Fall entschieden, dass wegen des schwerwiegenden Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung die Auswertung derartig aufgefundener Datenträger nicht durchgeführt werden darf. Wegen der teilweise sehr intimen Kommunikation auf dem Handy ist eine Parallele zu Tagebucheinträgen von Beschuldigten naheliegend. Hier hatte das Bundesverfassungsgericht eine Auswertung ebenfalls verboten.

Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG muss darüber hinaus jeder Eingriff in angemessenem Verhältnis zur Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachtes stehen. Jedenfalls die Schwere der Straftat ist als gering einzuordnen. Das zu erwartende Strafmaß ist aus folgenden Gesichtspunkten (Strafzumessungskriterien) als sehr gering einzustufen:

  • der Beschuldigte ist Ersttäter;
  • die Aufforderung ist unpräzise und nicht ernst zu nehmen;
  • keine Störung des öffentlichen Friedens;
  • keine öffentliche Aufmerksamkeit;
  • Äußerung im Rahmen einer aufgeheizten Oberbürgermeisterwahl-Debatte;

Aus diesen Gründen ist naheliegend, dass eine Einstellung nach § 153 StPO erfolgen wird oder jedenfalls eine vernachlässigbare geringe Geldstrafe verhängt werden wird.

Im Gegensatz hierzu stehen die Auswirkungen auf den Beschuldigten und seine Familie.

  • der sehr erdrückende Eindruck bei einer Wohnungsdurchsuchung;
  • Aufmerksamkeit der Nachbarn;
  • Einblick in intimste Daten;

Die Verhältnismäßigkeitsprüfung kann hier nur zugunsten des Beschuldigten ausfallen.

Fazit

Aus moralischer Perspektive sind Äußerungen in der vorliegenden Art selbstverständlich zu verurteilen. Hierauf kann jedoch keine rechtliche Entscheidung beruhen. Die Entscheidungsträger sollten bei derartig schweren Grundrechtseingriffen die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen besonders im Auge behalten.

Ihr Rechtsanwalt
Christian Keßler


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Christian Keßler

Beiträge zum Thema