Teileigentumseinheit zur tageweisen Unterbringung von Wohnsitzlosen?

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Der Fall

Ein Teileigentümer besitzt die Einheiten Nr. 2 und Nr. 3 (jeweils vier Ladenräume, zwei Flure und ein Bad), in der Teilungserklärung vom 11. Juli 1984 als „Laden“ bezeichnet. Die gewerbliche Mieterin nutzt die Räume – gemäß Vertrag mit dem Bezirksamt über die tageweise Unterbringung und Betreuung von Obdachlosen (je zwei Personen pro Raum) – als Einrichtung zur Vermeidung von Obdachlosigkeit. Die Räume sind nicht abschließbar und für Mitarbeiter ständig betretbar, Küche und Sanitärräume werden gemeinschaftlich genutzt, gelegentlich erfolgt die übergangsweise Gewährung von Unterkunft für einen längeren Zeitraum.

Gemäß Beschluss der Wohnungseigentümer vom 11. Juni 2015 soll der Teileigentümer auf Unterlassung dieser Nutzung in Anspruch genommen werden. Nach amtsgerichtlicher Verurteilung zur Unterlassung der Nutzung der Teileigentumseinheiten zu Wohnzwecken bzw. deren Überlassung zu Wohnzwecken an Dritte hat das Berufungsgericht im Wesentlichen entsprechend geurteilt. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Revision.

Die Entscheidung

Nach der Entscheidung des BGH steht der Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber dem beklagten Teileigentümer kein Unterlassungsanspruch gemäß § 15 Abs. 3 WEG zu:

Zwar kann danach grundsätzlich jeder Wohnungseigentümer einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums unter anderem nach Vereinbarungen, also auch nach der Teilungserklärung, geltend machen; das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen hat der BGH verneint.

Der BGH ist der Ansicht des Landgerichts gefolgt, die Nutzung der Einheiten als Einrichtung für die tageweise Unterbringung von Obdachlosen nicht dem Wohnen zuzuordnen. Grundsätzlich darf eine Einheit, die nach der Teilungserklärung nicht zu Wohnzwecken dienen soll, nicht zu solchen Zwecken genutzt werden. Der Senat weist darauf hin, dass nach seiner ständigen Rechtsprechung eine Nutzung als Heim oder heimähnliche Einrichtung nicht zu Wohnzwecken dient. 

Denn Merkmal einer derartigen Nutzung ist, dass die Unterkunft in einer für eine Vielzahl von Menschen bestimmten Einrichtung erfolgt, deren Bestand von den jeweiligen Bewohnern unabhängig ist, und in der eine heimtypische Organisationsstruktur an die Stelle der Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises tritt. Folglich ist die tageweise Unterbringung von wohnungslosen Personen in einer Gemeinschaftsunterkunft zur Vermeidung von Obdachlosigkeit in der Regel als heimähnliche Unterbringung anzusehen, die – auch wegen der Anzahl und häufigen Fluktuation der untergebrachten Personen – grundsätzlich in Teileigentumseinheiten erfolgen kann. 

Bei typisierender Betrachtung ist keine Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises gegeben. Also dient die Nutzung der Teileigentumseinheiten des Beklagten nicht zu Wohnzwecken, sondern es erfolgt die tageweise Unterbringung der obdachlosen Personen in einer Gemeinschaftsunterkunft mit Zweibettzimmern mit gemeinschaftlicher Nutzung von Küche und Sanitäranlagen. Die heimtypisch organisierte Unterbringung schließt eine Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises aus.

Einen Rechtsfehler der Vorinstanz sieht der BGH aber in deren Ergebnis, dass die Nutzung der Teileigentumseinheiten als Unterkunft für Obdachlose nicht zulässig sei, weil die Teilungserklärung die zulässige Nutzung durch eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter im Sinne von § 15 Abs. 1 WEG auf eine Nutzung als „Laden“ beschränke. Denn für die Teilungserklärung als Bestandteil der Grundbucheintragung ist zunächst ihr Wortlaut und Sinn maßgebend, sodann aber Umstände außerhalb der Eintragung, sofern sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für Jedermann ohne Weiteres erkennbar sind. 

Dabei wird die Nutzung des Sondereigentums über die mit der Einordnung als Wohnungs- oder Teileigentum verbundene Zweckbestimmung hinaus nur dann auf bestimmte Zwecke beschränkt, wenn dies aus der Teilungserklärung klar und eindeutig hervorgeht. Die Teilungserklärung zumindest unklar, sodass sie im Zweifel insoweit keine Einschränkung vorgibt. Aus ihr geht nämlich nicht mit der erforderlichen Klarheit hervor, dass die Teileigentumseinheiten des Beklagten ausschließlich als Laden genutzt werden dürfen. Denn als „Laden“ werden Einheiten nur im Zusammenhang mit der Aufteilung und der räumlichen Lage sowie ohne weitere Erläuterung bezeichnet; ähnliches gilt für die Einheiten „Wohnung“ und „Dachraum“. 

Da ein bereits bestehendes und in Betrieb genommenes Gebäude aufgeteilt wurde, lässt sich dies ohne Weiteres so verstehen, dass lediglich auf die in der Teilungserklärung beschriebene, zur Zeit der Aufteilung ausgeübte Nutzung Bezug genommen wird, um zu verdeutlichen, welche Räume zu welcher Einheit gehören. Demnach dürfen die Einheiten des Beklagten zwar nicht zum Wohnen, aber zu jedem anderen Zweck genutzt werden. Die Nutzung als Einrichtung zur tageweisen, heimähnlichen Unterbringung obdachloser Personen beachtet also den Rahmen der Zweckbestimmung.

Weiter wendet sich der BGH gegen die obergerichtliche Rechtsprechung, nach der sich aus dem Charakter der Anlage und den diesen prägenden örtlichen Verhältnissen keine Unzulässigkeit der Nutzung ergeben dürfe: Denn weil es weder einen dauerhaften Charakter einer Anlage, noch ein dauerndes Gepräge der örtlichen Verhältnisse gibt, sondern sich diese im Laufe der Zeit verändern können, bergen die genannten Kriterien ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit. 

Der BGH begrenzt die der Zweckbestimmung entsprechende Nutzung aber durch die Verpflichtung jedes Wohnungs- und Teileigentümers, von den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst (§ 14 Nr. 1 WEG); dabei gilt jede nicht ganz unerhebliche, konkrete und objektive Benachteiligung als nachteilig, wenn sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann. 

Hier kann einen solchen Nachteil das von der Klägerin vorgetragene, gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßende individuelle Verhalten der untergebrachten wohnungslosen Personen darstellen, wie das Rauchen im Innenhof, das Hinterlassen von Zigarettenkippen im Eingangs- und Hofbereich, das Nichtschließen der Türen, das Klingeln bei anderen Bewohnern, das Blockieren des Hauseingangs durch Personen und Gepäck sowie die Verschmutzung der Anlage. 

Allerdings folgt hieraus nicht der von der Klägerin verfolgte Anspruch: Denn ein im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG nachteilig betroffener Wohnungseigentümer kann nach § 15 Abs. 3 WEG nicht die Unterlassung der Nutzung als solche, also auch in störungsfreier Ausgestaltung verlangen. Er verfügt lediglich über einen Anspruch auf Unterlassung der konkreten (!) Beeinträchtigung gegen den Eigentümer, von dessen Einheit diese ausgeht. Der Anspruch könnte durch eine Unterlassungsklage und – als äußerstes Mittel – durch die Entziehungsklage nach §§ 18, 19 WEG durchgesetzt werden.

Der BGH hat die Klage folglich insgesamt abgewiesen.

(BGH, Urteil vom 8. März 2019 – Az.: V ZR 330/17)


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