Trotz Verdacht auf Prostatakrebs keine Biopsie veranlasst - 50.000,00 Euro Schmerzensgeld

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Ein Mann aus Bad Driburg, Jahrgang 1953, stellte sich im Jahr 2012 auf Veranlassung seines Hausarztes, der einen PSA-Wert von 6,7 feststellte, zur weiteren Abklärung bei einem niedergelassenen Urologen vor. Dieser stellte eine vergrößerte Prostata fest, hielt den PSA-Wert im Gespräch mit dem Patienten aber für altersentsprechend. Zur Kontrolle nahm er Blut und Urin ab. In seiner Dokumentation notierte er Verdacht auf Prostatakarzinom, teilte dies dem Patienten aber nicht mit.

Keine Mitteilung über erforderliche Probeentnahme

Bei weiteren fünf Terminen wurden erneut die PSA-Werte bestimmt und besprochen, die Ende des Jahres auf 8,2 angestiegen waren. Obwohl der Urologe sich notierte, dass er eine Probeentnahme für erforderlich halte, setzte er den Patienten davon nicht in Kenntnis. Dieser nahm an, dass es keinen Grund zur Sorge gab.

Bei einer drei Jahre später vorgenommenen Blutentnahme stellte der Urologe einen PSA-Wert von 9,2 fest, dokumentierte erneut, dass eine Probe erforderlich sei, besprach das aber wieder nicht mit dem Patienten. 2017 stellte sich der Mann bei einem anderen Urologen vor, der bei ihm Prostata-CA feststellte und ihn zur radikalen Prostatovesikulektomie in ein Paderborner Krankenhaus einwies.

Zum PSA-Wert: Das Blut im Körper versorgt den Organismus mit wichtigen Nährstoffen und enthält zugleich wichtige Informationen über den Gesundheitszustand, da Organe wie z.B. die Vorsteherdrüse (Prostata) im Falle einer Erkrankung vermehrt organspezifische Eiweiße abgeben. Dieses prostataspezifische Antigen (kurz PSA) liegt bei gesunden Männern im Bereich von 0 bis 4 Milliardstel-Gramm (Nanogramm, ng) pro Milliliter Blut. Blutwerte zwischen 2 ng/ml und 4 ng/ml gelten als normal, sind in der Regel aber bereits kontrollbedürftig, insbesondere bei jüngeren Männern. Nach der S3-Leitlinie Prostatakarzinom ist bei einem PSA-Wert von über4 ng/ml oder bei einem auffälligen PSA-Anstieg zur Abklärung eines möglichen Protstatakarzinoms eine Probeentnahme vorzunehmen.

Da der erstbehandelnde Urologe auf außergerichtliche Schreiben nicht reagierte, erhoben wir Klage zum Landgericht Paderborn.

Grober Befunderhebungsfehler
 

 Nach Ansicht des gerichtlichen Sachverständigen stellt es ein schweres Versäumnis dar, wenn man bei sechs Behandlungsterminen im Jahre 2012 nicht über die Erforderlichkeit einer Probeentnahmen gesprochen hätte. Dies stellt einen groben Befunderhebungsfehler dar, der zur Umkehr der Beweislast führt.

50.000,00 Euro Schmerzensgeld

Auf Vorschlag des Gerichts wurde ein Vergleich vereinbart, wonach der Patient zur Abgeltung seiner Ansprüche ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000,00 EUR erhält. Damit wurde das Verfahren nun rechtskräftig abgeschlossen (Landgericht Paderborn, Az. 4 O 44/20).



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Foto(s): Pixabay


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