Typische Fehler im Rahmen der Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigungen

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Vorfälligkeitsentschädigungen, die die Bank bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens  durch den Darlehensnehmer erhebt, sind regelmäßig Gegenstand von Streitigkeiten. Der nachfolgenden Beitrag soll die häufigsten Fehler bei Vorfälligkeitsentschädigungen darstellen.

Regelmäßig lassen sich Banken die vorzeitige Rückzahlung des Darlehens fürstlich entlohnen. Nicht selten befindet sich der Darlehensnehmer diesbezüglich auch im Zugzwang, will er die Immobilie oder Eigentumswohnung verkaufen und benötigt hierzu die Zustimmung der Bank bzw. die Freigabe der Grundsicherheiten. § 502 BGB normiert als Anspruchsgrundlage für Verbraucherdarlehensverträge und seit 21. März 2016 auch für Darlehensverträge bei Grundstücken (sog. Immobiliardarlehensverträge) die Voraussetzungen einer Vorfälligkeitsentschädigung. § 502 Abs.2 BGB enthält eine eigene Vorschrift, die vorsieht, in welchen Fällen die Vorfälligkeitsentschädigung kraft Gesetz ausgeschlossen ist.

Verbundene Verträge / EuGH vom 09.09.2021

Nicht selten werden Kreditverträge im Zusammenhang mit einem Kaufvertrag, z.B. für einen PKW, geschlossen. Man spricht dann von einem sog. verbundenen Vertrag. Gerade zu von Automobilbanken finanzierte Autokaufverträge hat der EuGH am 09. September 2021 die Rechte von Verbrauchern zum Widerruf  massiv gestärkt (vgl. hier). Der EuGH hat dabei betont, dass im Kreditvertrag die Methode der Berechnung bei der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens fälligen Entschädigung in einer konkreten und einer für den Durchschnittsverbraucher leicht nachvollziehbaren Weise anzugeben ist, so dass der Verbraucher die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung anhand der in diesem Vertrag erteilten Informationen bestimmen kann (vgl. EuGH vom 09.09.2021, C-33/20, C-155/29, C-187/20).

Bereits diese Anforderungen dürften bei so gut wie keinem derzeit existierenden Darlehensvertrag gegeben sein, so dass bereits dadurch bei verbundenen Verträgen ein Widerrufsrecht mit der Folge besteht, dass die Bank keinen Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung hat.

Das Landgericht Ravensburg hat bereits 2019 eine Widerrufsinformation bei einem Darlehensvertrag, der mit einem Kaufvertrag verbunden ist, für unrichtig erachtet, wenn dem Kreditnehmer mitgeteilt wird, er müssen für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins entrichten.

Nichtberücksichtigung von Sondertilgungsrechten bei der Vorfälligkeit

Das Oberlandesgericht Oldenburg hat bereits 2014 entschieden, dass eine Klausel, bei der dem Kreditnehmer eingeräumte Sondertilgungsrechte bei der Berechnung der Vorfälligkeit unberücksichtigt bleibt, unwirksam ist. Dem hat sich auch der Bundesgerichtshof 2016 angeschlossen.

Begründet wird dies mit dem sog. Bereicherungsverbot. Denn wenn die Bank dem Darlehensnehmer bei Vertragsbeginn jährlich eine bestimmte Darlehenssumme kostenfrei zur Sondertilgung einräumt, so muss sie diese Sondertilgungsrechte auch im Rahmen der vorzeitigen Rückzahlung mit einberechnen und diesen Tilgungsvorteil im Rahmen der Vorfälligkeitsentschädigung an den Darlehensnehmer weiterreichen.

Zulässiger maximaler Berechnungszeitraum der Vorfälligkeit

Regelmäßig sind in Immobiliardarlehensverträgen feste Zinsbindungszeiträume vereinbart. Ungeachtet dessen kann der Darlehensnehmer das Darlehen gem. § 489 Abs.1 Nr.2 BGB 10 Jahre nach Erhalt des Darlehens mit einer Frist von 6 Monaten kündigen. In diesem Fall hat er auch keine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen.

Bei der Berechnung der Vorfälligkeit ist im Regelfall für den Darlehensnehmer aber nicht zu erkennen, für welchen Zeitraum die Bank die Vorfälligkeit konkret berechnet hat. Wenn eine Kündigung 10 Jahre nach Erhalt der vollständigen Darlehenssumme kraft Gesetz dazu führt, dass der Darlehensnehmer das Darlehen zurückbezahlen kann, ohne die Vorfälligkeit zu schulden, kann die Bank nach dem Grundsatz des sog. Bereicherungsverbots die Vorfälligkeit maximal bis zum Ablauf des Zeitraums zwischen Auszahlung des Darlehens und dem Fristablauf der ordentlichen Kündigung des Darlehensnehmers berechnen. Dies dürfte aber anhand der Abrechnung der Bank regelmäßig vom Darlehensnehmer nicht nachvollziehbar sein.

Keine ausreichende Erläuterung der Berechnungsmethode

In einem vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall lauteten die Angaben zur Vorfälligkeitsentschädigung wie folgt:

"7. Voraussetzungen und Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens

(...)

Die Bank berechnet die Vorfälligkeitsentschädigung finanzmathematisch nach der sog. "Aktiv-Passiv"-Methode. Maßgeblicher Zeitpunkt der Berechnung ist der Zeitpunkt, zu dem die vorzeitig zurückgezahlte Darlehensvaluta bei der Bank eingeht.

Im Einzelnen rechnet die Bank wie folgt:

Zunächst ermittelt die Bank unter Berücksichtigung etwa vertraglich vereinbarter Sondertilgungsrechte wann und in welcher Höhe Zahlungen vom Darlehensnehmer zu entrichten gewesen wären, wenn das Darlehen fortgeführt worden wäre. In einem weiteren Schritt ermittelt die Bank, welchen Betrag sie zum vorgesehenen Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung anlegen muss, damit der Bank der vereinbarte Betrag zum vorgesehenen vertraglichen Fälligkeitstermin der jeweilig ausstehenden Raten zur Verfügung stellen würde. Dabei differenziert die Bank wie folgt:

Soweit Pfandbriefe mit entsprechenden fristen-kongruenten Laufzeiten vorhanden sind, legt die Bank für die Verzinsung des vorzeitig zurückgezahlten Darlehenskapitals die Zinssätze der entsprechenden am Kapitalmarkt verfügbare Hypothekenpfandbriefe zugrunde. Die Summe der so ermittelten Anlagebeträge abzüglich des noch nicht zurückgezahlten Darlehensbetrages stellt die Ausgangssumme der Vorfälligkeitsentschädigung dar.

Zu Gunsten des Darlehensnehmers berücksichtigt die Bank bei der Berechnung, dass die nach Maßgabe des Darlehensvertrages geschuldeten, ganz oder teilweise ausfallenden Zahlungen in der Zukunft liegen. Finanzmathematisch erfolgt dies im Wege der " Abzinsung'" jeder einzelnen ganz oder teilweise ausfallenden Zahlung über den Zeitraum zwischen ihrer vertraglich vereinbarten Fälligkeit und der tatsächlich erfolgenden Rückzahlung (sog. 'Barwertmethode'): Zur Abzinsung der in der Zukunft liegenden Zahlungen zieht die Bank die entsprechenden Zinssätze des Geld- und Kapitalmarkts heran, die die Bank bei der Berechnung des Zinsausfalls zugrunde legen (s. o.).

Von der so ermittelten Schadenssumme zieht die Bank

(a) zu Gunsten des Darlehensnehmers die für das Darlehen auf Seiten der Bank ersparten Verwaltungskosten ab, weil keine weitere Bearbeitung für das Darlehen erforderlich ist. Weiter wird

(b) von diesem Betrag zu Gunsten des Darlehensnehmers ein Abschlag für ersparte Risikokosten vorgenommen. Dieser resultiert daraus, dass die Bank für den Zeitraum zwischen der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens und dem Zeitpunkt, zu dem das Darlehen normalerweise zurückzuzahlen gewesen wäre, kein Ausfallrisiko für das Darlehen mehr tragen muss.

Die Schadenssumme, vermindert um die vorstehend unter (a) und (b) genannten, ersparten Verwaltungs- und Risikokosten, ergibt dann die von dem Darlehensnehmer an die Bank zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung.

Zu der so ermittelten Vorfälligkeitsentschädigung werden noch die Kosten der Bank für den zusätzlichen Aufwand der vorzeitigen Rückführung addiert. Dem Darlehensnehmer ist der Nachweis vorbehalten, dass diese Kosten nicht oder in wesentlich geringerer Höhe entstanden sind.

Entsteht der Bank aufgrund der vorzeitigen Rückführung des Darlehens nach Maßgabe der vorstehend dargestellten Berechnung kein Schaden, ist von dem Darlehensnehmer keine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen.

Entsteht der Bank aufgrund der vorzeitigen Rückführung des Darlehens nach Maßgabe der vorstehend dargestellten Berechnung ein Schaden, so ist der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ungeachtet dessen gesetzlich ausgeschlossen, wenn

1) die Rückzahlung aus den Mitteln einer Versicherung bewirkt wird, die auf Grund einer entsprechenden Verpflichtung im Darlehensvertrag abgeschlossen wurde, um die Rückzahlung zu sichern, oder

2) im Vertrag die Angaben über die Laufzeit des Vertrags, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind."

Wegen des weiteren Inhalts der Darlehensverträge und des Inhalts der Bedingungen für Bank1-Baufinanzierung (im Folgenden: Allgemeine Darlehensbedingungen) wird auf deren Kopien (Anlage K 1 - Anlagenband) verwiesen."

Das OLG Frankfurt stellte fest, dass die verwendete Klausel über den gesetzlich geforderten Angaben hinausgehe. Auch diese zusätzlichen Angaben müssen klar und verständlich sein.  

Das OLG verwarf die Klausel als unverständlich. Die Bank habe die vorzunehmenden Rechenschritte zwar im Einzelnen dargestellt. 

Die Darstellung sei in Bezug auf den zweiten Rechenschritt indes unverständlich. Wenn es dort heiße, dass die Bank ermittelt, welchen Betrag sie zum vorgesehenen Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung anlegen muss, damit der Bank der vereinbarte Betrag zum vorgesehenen vertraglichen Fälligkeitstermin der jeweiligen ausstehenden Rate zur Verfügung stehen würde, und erläutert, dass "[die Bank] dabei differenziert [...] wie folgt", erwarte der Verbraucher eine Beschreibung dieser differenzierten Vorgehensweise. Eine solche Beschreibung enthalte die Klausel jedoch nicht. Es folge lediglich die Erklärung, dass die Bank für die Verzinsung des vorzeitig zurückgezahlten Darlehenskapitals die Zinssätze der entsprechenden am Kapitalmarkt verfügbaren Hypothekenpfandbriefe zugrunde legt, "soweit Pfandbriefe mit entsprechenden fristenkongruenten Laufzeiten vorhanden sind". Was geschehe, soweit solche Hypothekenpfandbriefe nicht vorhanden seien, etwa bei unterjährigen Laufzeiten, bleibe offen. 

Die Bank wurde wegen Intransparenz der Berechnung zur Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung verurteilt.

FAZIT

Die Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sind in den seltensten Fällen für Darlehensnehmer nachvollziehbar. Für verbundene Verträge dürfte die Entscheidung des EuGH vom 09. September 2021 dazu führen, dass nahezu alle verbundenen Verträge - insbesondere finanzierte Autokäufe - noch Jahre nach Vertragsschluss widerrufbar sind. Aber auch bei Immobiliardarlehensverträgen sind die Klauseln zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung oftmals nicht ohne weiteres "für einen durchschnittlichen Verbraucher leicht nachzuvollziehen", wie es die Rechtsprechung auch des BGH fordert.

Rechtsanwalt Markus Mehlig ist bundesweit im Bank- und Kapitalmarktrecht tätig und vertritt Darlehensnehmer im Rahmen des Widerrufs von Immobilien- und Verbraucherdarlehensverträgen (z.B. bei finanzierten PKW-Kaufverträgen im Rahmen des sog. Dieselskandals), Vorfälligkeitsentschädigungen und Bereitstellungszinsen. Gerne steht er auch Ihnen im Rahmen eines kostenfreien Erstgesprächs zur Verfügung.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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