Überhängende Äste vom Nachbarn einfach absägen?
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Der Anspruch des Grundstückseigentümers vom Nachbarn die Beseitigung des Überwuchses (Zurückschneiden von in das Grundstück hineinragenden Ästen) zu verlangen, verjährt regelmäßig nach drei Jahren. So jedenfalls lautet kurz zusammengefasst der Leitsatz einer 13-seitigen Entscheidung des V. Zivilsenates vom 22. Februar 2019 (Az.: V ZR 136/18).
Worum geht es? Nun es geht nicht um die Wuchshöhe. Hier entspricht es schon seit Längerem der Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes Dresden, dass der Anspruch des Nachbarn nach dem Sächsischen Nachbarrechtsgesetz der Verjährung unterliegt.
Überschreitet der Baum oder Strauch, der innerhalb der Zwei-Meter-Grenze gepflanzt ist, die zulässige Höhe von zwei Metern, beginnt für den Nachbarn die „Verjährungsuhr zu ticken“. Macht er den Anspruch auf Rückschnitt nicht innerhalb der Frist von drei Jahren geltend, muss er mit dem hohen Gewächs nebenan auch fürderhin leben.
Ganz ähnlich hat nun der Bundesgerichtshof (BGH) den Fall des seitlichen Überwuchses entschieden.
Ab dem Zeitpunkt, an dem es zu einem Überwuchs kommt, wird die Frist berechnet. Wobei der BGH eine kleine Hintertür offengelassen hat. In Randziffer 15 der Entscheidung verweist das Gericht für den Fristbeginn auf § 910 Abs. 2 BGB. In § 910 Abs. 1 BGB wird das Selbsthilferecht des Eigentümers geregelt, den Überwuchs selbst zu beseitigen (§ 1004 gibt hingegen das Recht, die Beseitigung vom Störer, also regelmäßig dem Nachbarn, zu verlangen). § 910 Abs. 2 versagt dieses Recht jedoch, wenn der Überwuchs die Grundstücksnutzung nicht beeinträchtigt. Die spannende Frage wird also im Einzelfall sein: Wann ist die Grundstücksnutzung nun konkret beeinträchtigt? Das jedenfalls konnte der BGH in dieser Entscheidung offenlassen. Weitere Streitigkeiten darüber sind also vorprogrammiert.
Ist der Eigentümer damit rechtlos gestellt? Nein, auch hier lohnt es, die Entscheidung genau zu lesen, denn der BGH betont in der Entscheidung die Eigenständigkeit des Selbsthilferechtes des Eigentümers nach § 910 Abs. 1 BGB. Ist die Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung gegeben, hat der Eigentümer immer noch sein Selbsthilferecht. Er mag zwar von dem Nachbarn nicht mehr die Beseitigung fordern können, kann aber den Rückschnitt selbst vornehmen, wenn er den Nachbarn zuvor entsprechend zur Beseitigung aufgefordert hat.
Warum dieses merkwürdige Ergebnis? Nun § 1004 BGB gibt einen Anspruch, also das Recht von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (vgl. § 194 BGB). Jedoch unterliegen nach eben jenem § 194 BGB auch nur Ansprüche der Verjährung. § 910 ist aber kein Anspruch, sondern ein Selbsthilferecht; er gibt nicht das Recht von einem anderen ein Tun/Unterlassen zu fordern, sondern er erteilt mir als Grundstückseigentümer das Recht, auf meinem Grundstück den fremden Ast abzuschneiden. Nur die Kosten hierfür kann ich als Eigentümer nach eingetretener Verjährung nicht mehr gerichtlich durchsetzen.
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