Umzug ohne vorherige Zusicherung - Erforderlichkeit des Wohnungswechsels wegen Gesundheitsgefährdung

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Das Sozialgericht Dortmund hat am 04.10.2010 zum Aktenzeichen S 31 AS 317/08 entschieden, dass die Unterkunftskosten einer neuen Unterkunft auch dann in tatsächlicher Höhe zu übernehmen sind, wenn der Umzug aufgrund einer von der bisherigen Wohnung ausgehenden Gesundheitsgefährdung erforderlich wurde. Selbst dann, wenn sich die Unterkunftskosten durch den Umzug erhöht haben und die vorherige Zusicherung des Grundsicherungsträgers fehlt.

Im konkreten Fall begehrten die Klägerinnen (Mutter und Tochter) höhere Kosten der Unterkunft. Die Klägerinnen bewohnten eine Wohnung mit einer Kaltmiete von 240,00 Euro. Dann schlossen sie einen Mietvertrag über eine neue Wohnung mit einer Kaltmiete von 480,00 Euro.

Das Jobcenter bewilligte nunmehr Leistungen für die Zeit ab dem Umzug. Dabei setzte es die Kaltmiete der alten Wohnung an, weil der Umzug ohne ihre Zustimmung erfolgt sei.

Hiergegen legten die Klägerinnen Widerspruch ein. Mit der Begründung, dass der Umzug aus gesundheitlichen Gründen notwendig gewesen sei. Darüber hinaus sei die alte Wohnung von der Straße und auch vom Nachbarhaus her sehr laut gewesen. Die minderjährige Klägerin (Tochter) habe nicht schlafen können. Ferner sei die Wohnung feucht gewesen und mit Schimmel befallen; sie hätten häufig Husten müssen und andere gesundheitliche Beschwerden gehabt.

Der Widerspruch wurde (natürlich) mit Widerspruchsbescheid zurückgewiesen mit der Begründung, das Jobcenter habe keine Zustimmung zum Umzug erteilt. Deswegen komme die Übernahme der für zwei Personen angemessenen Kaltmiete von 292,20 Euro (Bochum) nicht in Betracht. Es sei weiterhin nur die Kaltmiete der alten Wohnung anzusetzen (240,00 Euro). Das Gesundheitsamt hätte den Zustand der Wohnung überprüfen können. Jetzt lasse sich aber eine Umzugsnotwendigkeit nicht mehr beurteilen.

Das Jobcenter war im Klageverfahren ferner der Auffassung, dass durch Richtlinien der Stadt geregelt sei, dass bei einem Umzug ohne Zustimmung immer nur die Kaltmiete der alten Wohnung zu übernehmen sei, wenn diese niedriger gewesen sei als in der neuen Wohnung.

Im Klageverfahren hatte der Vermieter als Zeuge ausgesagt, in der Wohnung sei Schimmel aufgetreten. Dies habe ihm die Klägerin gemeldet.

Das Sozialgericht gab den Klägerinnen Recht. Diese haben Anspruch darauf 52,20 Euro höhere Unterkunftskosten bewilligt zu bekommen. Nach § 22 Absatz 1 SGB II haben die Klägerinnen Anspruch auf die Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe, soweit diese angemessen sind; diesen Betrag hat sie den Klägerinnen zu bewilligen.

Das Sozialgericht war der Ansicht, dass § 22 Absatz 1 Satz 2 SGB II nicht greift. Danach werden Leistungen weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden Aufwendungen erbracht, wenn sich die Aufwendungen für die Unterkunft nach einem nicht erforderlichen Umzug erhöhen.

Hier war jedoch der Umzug der Klägerinnen wegen der Gesundheitsgefährdung durch den Schimmelbefall erforderlich. Denn erforderlich ist ein Umzug dann, wenn ein Hilfebedürftiger durch das weitere Wohnen in der bisherigen Wohnung gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt ist. Dies ist nach allgemeiner Lebenserfahrung bei dem Wohnen in einer mit Schimmel befallenen Wohnung der Fall, so das Sozialgericht weiter. Ein Gesundheitsgutachten - wie dies von vielen Jobcentern „angedroht" / gefordert wird, hielt das Gericht für nicht notwendig.

Das Gericht stellte zudem fest, dass die Richtlinien der Stadt unerheblich sind. Denn das Gericht entscheide nach den gesetzlichen Vorschriften. An Recht und Gesetz sei übrigens auch die Beklagte gebunden. Eine deutliche Niederlage für das Jobcenter. Die Berufung wurde nicht zugelassen.

Es bleibt abzuwarten, ob andere Sozialgerichte hier nachziehen. In jedem Fall ist jedoch anzuraten, dass Sie sich die pauschale Ablehnungshaltung der Jobcenter nicht widerspruchslos gefallen lassen. Mit guten Argumenten kann eventuell auch in Ihrem Fall die Entscheidung des Sozialgerichts Dortmund herangezogen werden. Hierbei berate ich Sie gern - bundesweit.

Ihr Rechtsanwalt im Sozialrecht

Daniel Smolenaers


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