Unfallflucht - Schürfspuren im Klarlack eines PKW können leicht fehlinterpretiert werden

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Steht der Vorwurf der Unfallflucht im Raum gilt es häufig zuvorderst um die grundsätzliche Frage der Verursachung oder Nichtverursachung des Fremd-Sachschadens. Doch nicht jedes Ergebnis eines Gutachtens sollte kritiklos akzeptiert werden.

Ein typischer Fall. Zeugen wollen beobachtet haben, wie jemand mit seinem PKW ein anderes Fahrzeug beschädigt hat. Die Polizei stellt vermeintliche Kontaktspuren, die auf eine Kollision der Fahrzeuge hindeuten, sicher.  An seiner Fahrereigenschaft zur Tatzeit bestehen keine Zweifel, denn der vermeintliche Schädiger hat gegenüber der Polizei unvorsichtigerweise nicht geschwiegen oder will von den Zeugen am Steuer seines Wagens erkannt worden sein. Dem Tatverdächtigen droht nun eine Kriminalstrafe wegen Unfallflucht, auch wenn er davon überzeugt ist, dass es zu keinem Unfall gekommen ist. Die Beweise sprechen augenscheinlich gegen ihn. Er kann einer Strafe nur entgehen, wenn er berechtigte Zweifel  daran nährt,  dass die angeblich korrespondierenden Unfallspuren am Wagen des vermeintlich Geschädigten tatsächlich von seinem Fahrzeug verursacht worden sind.  Es muss nämlich zur Überzeugung der Justiz feststehen, dass der Unfall tatsächlich passiert ist. Gibt es keinen Unfall, gibt es auch keine Straftat.  

(Gleiches gilt im Übrigen für die Bemerkbarkeit eines Unfalls. Keine Bemerkbarkeit, keine Strafe.)   

Hierzu kann der Beschuldigte noch vor Anklageerhebung ein privates Sachverständigengutachten in Auftrag geben, mit dessen Hilfe bei der Staatsanwaltschaft Zweifel hinsichtlich der Zuordnung des Schadens geweckt werden. In der Folge wird das Verfahren dann nicht selten gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt, was keine Verurteilung und auch keine Punkte in Flensburg bedeutet (wovon für Unfallflucht immerhin „7 auf einen Schlag" drohen).

Wurde bereits Anklage erhoben - oder im Falle eines Strafbefehls nach Einlegung des Einspruchs - kann der  Angeklagte einen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens stellen.  Ein von der Justiz beauftragter Sachverständiger sollte dann in einem Gutachten zur Behauptung der fehlenden Übereinstimmung der Unfallspuren Stellung nehmen.

Bei einem erst von der Justiz beauftragten Gutachter besteht für den Beschuldigten praktisch eher die Gefahr, dass dieser zu einem für ihn negativen Ergebnis kommt.  Der Verteidiger sollte daher eine Kontaktaufnahme mit dem beauftragten Gutachter anstreben und im Rahmen seiner Möglichkeiten auf eine objektive Sicht des Gutachters hinwirken.     

Bei einem „negativen Gutachten" muss dieses kritisch hinterfragt werden. Denn nicht jeder Gutachter interpretiert alles richtig. In der Fachzeitschrift Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik (VKU) hat der anerkannte kriminologische Sachverständige HR Ing. Heribert Bürger (Wien) erst kürzlich darauf hingewiesen, dass weiße oder graue Spuren an den Fahrzeugen nicht zwangsläufig von den Originalfarblackierungen des Unfallverursachers stammen müssen.  Seit Mitte der 90er Jahre seien durchweg Lackiertechniken üblich, bei denen Kraftfahrzeug-Lackierungen mit einem farblosen Schutzlack überzogen werden. Wird bei einem Kontakt zweier Fahrzeuge nur die Klarlackschicht erfasst, so Bürger, finden sich am anderen Fahrzeug immer nur weiße bis hellgraue Spuren. Die Aufrauhung der Klarlackschicht bewirke stets eine weiß bis hellgraue Verfärbung. Besonders deutlich trete diese Phänomen auf dunklen Gegenständen, wie Plastikstoßfängern zu Tage. Für einen Schadengutachter sei es nicht leicht, diese Spuren echten Farbspuren zu unterscheiden. Gar für „faktisch unmöglich" hält Bürger die Unterscheidung dort, wo dem Gutachter nur Fotos der Spuren zur Verfügung standen.     

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Der Verfasser, Rechtsanwalt Christian Demuth, ist auf Verteidigungen in Verkehrsstraf- und Bußgeldverfahren spezialisiert und bundesweit tätig. Dieser Beitrag nimmt  z.T. Bezug auf den Beitrag von H. Bürger in Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik, Ausgabe 12/08.


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