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Unfallwagen: Rücktritt vom Kaufvertrag möglich?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Wer sich einen Gebrauchtwagen kauft, muss immer damit rechnen, dass der Pkw ein paar „Macken“ hat. Wurde allerdings ein Kfz bei einem Unfall beschädigt, wirkt sich das in der Regel wertmindernd aus, handelt es sich bei dem Auto doch nun um einen Unfallwagen. Daher stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten ein Kfz-Eigentümer hat, wenn er erst nach dem Kauf feststellt, dass ihm ein Unfallfahrzeug verkauft wurde.

Händler garantiert Unfallfreiheit

Bei den Verhandlungen über den Kauf eines Gebrauchtwagens befragte die Kaufinteressentin den Autohändler mehrfach und ausdrücklich nach der Unfallfreiheit des ausgewählten Fahrzeugs. Der Verkäufer erklärte jedes Mal, dass der Wagen unfallfrei sei – was später auch im Kaufvertrag niedergeschrieben wurde. Ferner enthielt der Kaufvertrag unter anderem die Formulierung, dass dem Verkäufer keine Unfallschäden bekannt sind, und darüber hinaus eine Klausel, wonach der Käufer nur innerhalb eines Jahres nach Übergabe des Fahrzeugs Ansprüche wegen Sachmängel geltend machen kann.

Beinahe eineinhalb Jahre später wollte die Kfz-Eigentümerin vom Kaufvertrag zurücktreten. Entgegen den Aussagen des Autohändlers sei das Auto nicht unfallfrei. Es sei vielmehr – was durch den früheren Eigentümer bestätigt wurde – bereits vor dem Erwerb durch die Frau in zwei Unfälle verwickelt gewesen. Der Händler lehnte eine Rückabwicklung des Vertrags ab. So habe die Frau deutlich Dellen und Kratzer am rechten Kotflügel gesehen und den Wagen dennoch gekauft. Ein Unfallschaden habe daher nicht vorgelegen. Im Übrigen sei die Gewährleistungsfrist bereits abgelaufen. Der Streit endete vor Gericht.

Rückabwicklung des Vertrags

Das Landgericht (LG) Coburg hielt die Autofahrerin für rücktrittsberechtigt – das bedeutete, der Autohändler musste unter anderem den Kaufpreis erstatten und den Wagen zurücknehmen. Schließlich war der Pkw ein Unfallfahrzeug und damit mangelhaft. Obwohl die Parteien Unfallfreiheit vereinbart hatten, ist der Pkw laut Voreigentümer nämlich noch vor dem Verkauf an die Frau in zwei Unfälle verwickelt gewesen und dabei schwer beschädigt worden. Eine Nachbesserung statt des Rücktritts war vorliegend nicht möglich. Schließlich ist und bleibt der Pkw ein Unfallwagen, auch wenn die Schäden behoben werden – der Makel „Unfallauto“ haftet dem Kfz also für immer an.

Darüber hinaus war der Anspruch der Frau auch nicht verjährt. Zwar hatten die Parteien im Kaufvertrag eine einjährige Verjährungsfrist vereinbart. Auf diese Regel konnte sich der Händler gemäß § 444 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) aber nicht berufen, da er die Beschaffenheit „Unfallfreiheit“ garantiert hatte. Immerhin hat die Autokäuferin mehrfach nach Unfallschäden gefragt und betont, dass ihr die Unfallfreiheit des Fahrzeugs sehr wichtig sei. Sie bestand sogar darauf, die Beschaffenheit „Unfallfreiheit“ in den Kaufvertrag mitaufzunehmen. Dem Händler hätte daher bewusst sein müssen, wie maßgeblich die Unfallfreiheit des Kfz für die Kaufentscheidung der Frau war. Stattdessen hat er stets die beiden Unfälle verschwiegen, Unfallfreiheit bejaht und damit verbindlich eine Garantie für das Vorliegen dieser Beschaffenheit übernommen.

Ein weiterer Grund, warum sich der Händler gemäß § 444 BGB nicht auf Verjährung berufen konnte, war sein arglistiges Handeln. Anstatt nämlich seiner Pflicht nachzukommen und die beiden ihm bekannten Unfälle zu offenbaren, bejahte er jedes Mal bewusst wahrheitswidrig die Unfallfreiheit des Kfz. Es ist davon auszugehen, dass der Händler vorliegend aufgrund der Aussagen der Kaufinteressentin damit rechnen musste, dass sie das Kfz bei Kenntnis der Unfälle nicht bzw. nicht zu den gleichen Bedingungen erworben hätte. Dass etwaige Schäden erkennbar waren und die Käuferin darüber informiert wurde, ändert nichts an der Offenbarungspflicht über die Unfälle. Da die Unfallfreiheit bei der Kaufentscheidung und dem Kaufpreis eine erhebliche Rolle spielt, muss ein potenzieller Autokäufer von Unfallschäden wissen, um entscheiden zu können, ob er den Wagen dennoch erwirbt oder nicht.

Die Frau musste sich jedoch gezogene Gebrauchsvorteile für knapp eineinhalb Jahre anrechnen lassen. Schließlich hat sie das Fahrzeug in dieser Zeit regelmäßig genutzt.

(LG Coburg, Urteil v. 06.02.2014, Az.: 41 O 555/13)

(VOI)

Foto(s): Shutterstock.com

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