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Unter Druck unterschriebener Aufhebungsvertrag unwirksam?

  • 4 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

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Jeder Arbeitnehmer kann in folgende Situation geraten: Der Vorgesetzte lädt plötzlich ins Büro und konfrontiert einen mit einem schweren Vorwurf des Diebstahls während der Arbeit. Die Verfehlung ist nicht eindeutig bewiesen. Der Vorwurf lässt sich aber auch nicht vollends entkräften. Instinktiv fängt man an, sich zu rechtfertigen – und macht es dadurch schlimmer. Auf einmal legt der Vorgesetzte einen vorbereiteten Aufhebungsvertrag auf den Tisch. Es folgt die energische Aufforderung: „Unterschreiben Sie den Vertrag. Wenn nicht, kündigen wir ihnen fristlos und erstatten Strafanzeige.“ Viele sind mit dieser Situation überfordert und unterzeichnen den Vertrag aus Verzweiflung – und bereuen das unmittelbar danach sehr.

Arbeitnehmer muss widerrechtliche Drohung beweisen

Denn aufgrund widerrechtlicher Drohung lässt sich ein Aufhebungsvertrag zwar anfechten. Zur erfolgreichen Anfechtung muss ein Arbeitnehmer aber einige Hürden nehmen. Zum einen muss er und nicht der Arbeitgeber die „Erpressungssituation“ in einem späteren Prozess beweisen. Zudem ist nicht jede Drohung gleich widerrechtlich.

Dabei fehlen dem Beschäftigten häufig Zeugen. Denn regelmäßig findet nur ein Vier-Augen-Gespräch statt. Allenfalls auf Arbeitgeberseite finden sich mitunter mehrere Personen, wenn der Vorgesetzte weitere Personen mit ins Gespräch genommen hat. Da sie im Lager des Arbeitgebers stehen, scheiden sie als nützliche Zeugen aus. Der überrumpelte Arbeitnehmer muss sich auf seine eigene Aussage verlassen. Daher sollte er so schnell wie möglich zumindest ein Gedächtnisprotokoll des Gesprächs anfertigen.

Die Drohung mit einer Kündigung ist nur dann widerrechtlich, wenn der Arbeitgeber mit hoher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, dass die angedrohte Kündigung einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhält. Dass ein Gericht die spätere Unwirksamkeit der Kündigung tatsächlich feststellt, ist nicht erforderlich. Anzeichen dafür sind, wenn der Arbeitgeber die Drohung nur auf Verdachtsmomente stützt und diese nicht weiter aufklärt. Das Genannte lässt sich auf eine Drohung mit einer Strafanzeige übertragen. Auch diese kann widerrechtlich sein, wenn der Arbeitgeber ein strafbares Verhalten nicht ernsthaft annehmen konnte.

In jedem Fall muss die Unterschrift aufgrund der Drohung erfolgt sein. Darlegen und beweisen muss all das dabei der den Aufhebungsvertrag anfechtende Arbeitnehmer.

Bei einer fristlosen Kündigung muss dagegen der Arbeitgeber die rechtmäßige Kündigung beweisen. Der Arbeitnehmer muss dazu nur rechtzeitig innerhalb von drei Wochen ab Erhalt der Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben. Dies ist der Hauptgrund für die arbeitgeberseitige Taktik, statt durch Kündigung das Arbeitsverhältnis mittels Aufhebungsvertrag zu beenden.

Kein Klageverzicht ohne Gegenleistung

Klauseln im stattdessen geschlossenen Aufhebungsvertrag sollten nicht selten eine weitere Schlechterstellung bezwecken. Beispielsweise erklärt der Arbeitnehmer, dass sämtliche finanziellen Ansprüche wie etwa auch für noch nicht genommenen Urlaub abgegolten sind. Auf normalerweise dem Arbeitnehmer zu gewährende Bedenkzeit hat dieser ausdrücklich verzichtet. Dasselbe gilt für normalerweise vom Arbeitgeber zu gebende Hinweise bezüglich rechtlicher Konsequenzen des Aufhebungsvertrags. So etwa der Hinweis zur Notwendigkeit eigener Aktivitäten bei der Suche nach einer anderen Beschäftigung sowie über die Verpflichtung zur Meldung innerhalb von drei Tagen bei der Agentur für Arbeit.

Ein Klageverzicht ohne jegliche Gegenleistung des Arbeitgebers ist unangemessen (BAG, Urteil v. 06.09.2007, Az.: 2 AZR 722/06). Angebliche Vorteile sind keine. So soll der Aufhebungsvertrag eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld verhindern. Dem genügt er allerdings kaum. Keine Sperrzeit droht nämlich nur, wenn der Arbeitgeber eine Abfindung in der Höhe eines Viertels bis zur Hälfte eines Monatsentgelts zahlt. Der Arbeitgeber hätte zudem anstelle des Aufhebungsvertrags gleichzeitig betriebsbedingt kündigen können. Des Weiteren muss der Aufhebungsvertrag die Kündigungsfrist einhalten und nicht zuletzt war der Arbeitnehmer unkündbar. Mitunter wird ein gutes Arbeitszeugnis versprochen. Dieses muss ohnehin wohlwollend ausfallen. Die finanziellen Nachteile des im Vertrag geregelten Verzichts wiegt das Zeugnis zudem bei Weitem nicht auf.

Derartige Klauseln in vorformulierten zur vielfachen Verwendung vorgesehenen Aufhebungsverträgen gelten als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB). Stellen sie Nebenabreden dar, müssen sich daher an den gesetzlichen AGB-Regeln messen lassen. Benachteiligen sie den Arbeitnehmer unangemessen, ist die Klausel unwirksam. Dabei kommt es auch auf die Umstände des Vertragsschlusses wie die jeweilige Verhandlungsstärke und -situation an, aufgrund der der Beschäftigte schlicht überrumpelt wurde.

Möglicher Widerruf des Aufhebungsvertrags

Eventuell ist auch noch ein Widerruf des Aufhebungsvertrags möglich. Ein gesetzliches Widerrufsrecht, wie viele es etwa vom Einkauf im Internet her kennen, gibt es bei Aufhebungsverträgen nicht (BAG, Urteil v. 27.11.2003, Az.: 2 AZR 135/03). Der Aufhebungsvertrag selbst kann ein Widerrufsrecht beinhalten. Die hier einschlägigen Aufhebungsverträge sollen die Rückkehr des Arbeitnehmers aber gerade verhindern. Ein vertragliches Widerrufsrecht wird sich in ihnen nicht finden.

Möglicherweise sieht aber ein Tarifvertrag eine Widerrufsmöglichkeit vor. Die Unwirksamkeit eines im Aufhebungsvertrag geregelten Verzichts auf eine tarifvertragliche Widerrufsmöglichkeit hat das Bundesarbeitsgericht nicht ausgeschlossen. Da der Arbeitnehmer den Widerruf aber nicht innerhalb der im für den Einzelhandel einschlägigen Manteltarifvertrag vorgesehenen Widerrufsfrist von drei Tagen erklärt hatte, gingen die BAG-Richter nicht näher darauf ein (BAG, Urteil v. 12.03.15, Az.: 6 AZR 82/14). Im Fall wurde einem Arbeitnehmer die fristlose Kündigung samt Strafanzeige angedroht, falls er den Aufhebungsvertrag nicht unterzeichnet. Dabei ging es um zwei von ihm in der Pause verzehrte Tütensuppen aus dem Sortiment des Drogerieunternehmens, die er nicht bezahlt haben soll. Die Vorinstanz, das LAG Hamm, das einen noch möglichen Widerruf annahm, muss nun prüfen, ob dem zur Unterschrift gedrängten Arbeitnehmer widerrechtlich gedroht wurde.

(GUE)

Foto(s): ©Fotolia.com

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