Unterhalt - Zurechnung von Einkommen

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Gerät ein Unterhaltsschuldner in die Situation, dass er Sozialleistungen beziehen muss, taucht regelmäßig die Frage auf, ob ihm fiktive Einkünfte zuzurechnen sind. Gerade wenn es um Unterhaltsansprüche Minderjähriger geht, werden dann regelmäßig Einkünfte zugerechnet. Die Frage, die sich hier stellt, ist, ob das Einkommen unter Berücksichtigung der Sozialleistungen, zuzüglich der Einnahmen einer – anrechnungsfreien – Nebenbeschäftigung ermittelt wird, oder ob schlicht die erzielbaren Einkünfte bei Ausübung einer vollschichtigen Tätigkeit zugrunde gelegt werden.

Das OLG Hamm hat sich in der Entscheidung vom 06.01.2014 (Az.: II-3 UF 192/13) mit dieser Thematik befasst und danach differenziert, ob bereits ein Unterhaltstitel bestand, als Sozialleistungen bezogen werden mussten, oder ob zu diesem Zeitpunkt erstmals ein Unterhaltstitel geschaffen werden sollte.

Soll ein Unterhaltstitel erst geschaffen werden, wenn Sozialleistungen bezogen werden, soll sich die Berechnung nach dem fiktiven Erwerbseinkommen bei vollschichtiger Tätigkeit richten. Besteht bereits ein Unterhaltstitel, soll die Berechnung so aussehen, dass den Sozialleistungen fiktive Nebeneinkünfte zugerechnet werden.

Auch wenn diese Differenzierung gerade auf dem ohnehin undurchsichtigen Gebiet der fiktiven Einkommensanrechnung für noch mehr Unsicherheit sorgen dürfte, ist die Begründung des OLG Hamm durchaus nachvollziehbar.

Das OLG Hamm begründet seine Entscheidung damit, dass Unterhaltsgläubiger Unterhaltstitel nicht auf Grundlage von Sozialleistungen erstreiten können sollen. Im zu entscheidenden Fall war dem Unterhaltsschuldner ein fiktives Einkommen aus voller Erwerbstätigkeit von 1387 € brutto monatlich zuzurechnen. Abzüglich der Steuern, Sozialversicherungsbeiträge und der berufsbedingten Aufwendungen verblieben im unter 1000 € monatlich, sodass unter Berücksichtigung des Selbstbehaltes von Erwerbstätigen gegenüber Minderjährigen von der Leistungsunfähigkeit ausgegangen werden müsste.

Würde man nun an dieser Stelle mit den Sozialleistungen zuzüglich der Einnahmen aus einem Nebenverdienst rechnen, hätte der Unterhaltsschuldner als – zumindest teilweise – leistungsfähig bewertet werden können.

Würde man hier nunmehr mit den Sozialleistungen zuzüglich der Nebeneinkünfte rechnen, so gäbe es für den Unterhaltsschuldner keinen Anreiz, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Damit würde ein falsches Signal gesetzt, dass dem Sinn und Zweck der Gewährung von Sozialleistungen zuwiderlaufen würde.

Anders soll dies sein, wenn bereits eine Unterhaltstitel besteht. Wird der Unterhaltsschuldner arbeitslos, besteht aber bereits ein Titel, so ist es ihm zuzumuten, dass er eine Nebentätigkeit aufnimmt, um den titulierten Unterhalt bezahlen zu können.

Die Begründung ist nachvollziehbar und mag in der anwaltlichen Beratungspraxis auch so kommuniziert werden können. Fraglich ist aber, ob die Begründung über die „falschen Anreize“ greifen kann, wenn ein zunächst vollschichtig tätiger Unterhaltsschuldner bei Eintritt der Arbeitslosigkeit merkt, dass er mehr Geld zur Verfügung hat, wenn er Sozialleistungen bezieht und daneben einer Nebenbeschäftigung nachgeht.

Neben der durchaus praktischen Relevanz dieser Entscheidung erstaunt es, dass sich – neben dem hierfür in jüngster Vergangenheit mehrmals zweckentfremdeten Bundesverfassungsgericht – nun auch die Familiengerichte berufen fühlen, die Versäumnisse der Politik (Thema: Mindestlohn) auszugleichen.


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