Urheberrecht im Internet: EuGH-Urteil verschärft Darlegungslast des Anschlussinhabers

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EuGH stärkt Rechtslage zugunsten der Rechteinhaber

Der europäische Gerichtshof hat in einem aktuellen Urteil vom 18.10.2018 Stellung zu der Darlegungslast des Anschlussinhabers im Urheberrecht genommen. Zulasten der Anschlussinhaber. Nach der sog. „Afterlife“-Entscheidung des Bundesgerichtshofes sind einige unterinstanzliche Entscheidungen ergangen, in denen die Gerichte die pauschale Verweisung auf die Möglichkeit der Täterschaft durch andere Familienmitglieder haben ausreichen lassen.

Zur Ausgangslage:

In der Regel werden Urheberrechtsverletzungen im Internet dadurch verfolgt, dass die Rechteinhaber die IP-Adresse des Internetanschlusses auswerten und damit den Anschlussinhaber, also die Person, auf die der Internetanschluss angemeldet ist, ausfindig machen. Erster Ansprechpartner aus Sicht der Rechteinhaber ist daher regelmäßig der Anschlussinhaber selbst. Die deutsche Rechtsprechung hat in zahlreichen Urteilen herausgearbeitet, dass den Anschlussinhaber eine Täterschaftsvermutung trifft. Der Anschlussinhaber muss also im Rechtsstreit Tatsachen zu seiner Entlastung vortragen. Dazu gehört insbesondere, dass der Anschluss ordnungsgemäß gesichert ist, er die Urheberrechtsverletzung selbst nicht begangen hat und einen Sachverhalt vortragen, der zumindest eine andere Person als Täter möglich erscheinen lässt. Welche Anforderungen an diesen Sachvortrag zu stellen sind, hat der EuGH nun durch das o. g. Urteil konkretisiert. Kernaussage: Der pauschale Verweis darauf, dass auch andere Familienmitglieder freien Zugriff auf den Internetanschluss haben, genügt nicht. Eine solche Rechtsauslegung wäre mit dem europäischem Recht unvereinbar.

Grundlage der Entscheidung des europäischen Gerichtshofes ist ein Vorlagebeschluss des Landgerichts München. Dieses hat unter Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in dem Vorlagebeschluss angefragt, ob der Anschlussinhaber aufgrund des Schutzes der Ehe und Familie (Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) keine weiteren Angaben zu Zeitpunkt und Art der Nutzung des Anschlusses mitteilen müsse, um die Täterschaftsvermutung zu entkräften. Dieser Wertung erteilte der europäische Gerichtshof nun eine Absage.

Der europäische Gerichtshof versucht mit dieser Entscheidung die widerstreitenden Grundrechte des Schutzes geistigen Eigentums durch einen wirksamen Rechtsbehelf einerseits und den Schutz des Privat- und Familienlebens andererseits in Einklang zu bringen.

Art. 3 Abs. 2 der europäischen Richtlinie 2004/48/EG und Art. 8 Abs. 1 und 2 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG verlange einen effektiv wirksamen Schutz der Rechteinhaber. Dieser effektive Schutz sei bei einem Verständnis, dass der Rechteinhaber nur pauschal auf andere Familienmitglieder verweisen müsse, nicht gegeben. Die Richtlinie 2001/29 verlange ein hohes Schutzniveau für das Urheberrecht, da der effektive Schutz der Urheberrechte wesentlich für das geistige Schaffen sei.

Demgegenüber ist es nach Ansicht des europäischen Gerichtshofes nicht angemessen, wenn dem Privat- und Familienleben ein „quasi absoluter Schutz gewährt“ würde, indem sich das Familienmitglied bloß pauschal auf die theoretisch denkbare Täterschaft eines anderen Familienmitgliedes beruft, ohne nähere Angaben zu Zeitpunkt und Art der Nutzung des Anschlusses durch dieses Familienmitglied zu machen.

Zur Zukunftsprognose in der Rechtsprechung:

Der Anschlussinhaber wird nun voraussichtlich konkret den Namen und das Nutzungsverhalten des anderen Familienmitgliedes das als Täter in Betracht kommen soll offen legen müssen und auch glaubhaft machen, dass dieses zum konkreten Zeitpunkt der Tatbegehung als Täter in Betracht kommt, wenn sich der Anschlussinhaber darauf berufen möchte, dass andere Familienmitglieder als Täter in Betracht kommen. Was genau der Anschlussinhaber vortragen muss, um seiner sekundären Darlegungslast zu genügen teilt der EuGH nicht mit. Der EuGH stellt aber unmissverständlich klar, dass der pauschale Bezug auf andere Familienmitglieder ohne nähere Angaben zu Zeitpunkt und Art der Nutzung nicht ausreichend ist. Wie weit tatsächlich die Darlegungslast geht, bleibt zunächst weiterhin der Feststellung der nationalen Gerichte überlassen.

Zur Zukunftsprognose in der Anwaltspraxis:

Das Urteil des EuGH wird voraussichtlich in zahlreichen Fällen dazu führen, dass Personen, die bereits mit einer Abmahnung konfrontiert worden sind, erneut unter Hinweis auf dieses Urteil von den Anwälten der Rechteinhaber kontaktiert werden. Tatsächlich wird von den Anschlussinhabern in vielen Fällen weiterer Sachvortrag notwendig sein, um eine Klage abzuwenden.

Klemm & Murczak Rechtsanwälte

Pascal Murczak

Rechtsanwalt


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