Verdacht auf Behandlungsfehler: Was tun?

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Ärztliche Behandlungsfehler können für Patienten dramatische Folgen haben. Es gab in Deutschland im vergangenen Jahr 3497 Behandlungsfehler, durch die Patienten geschädigt wurden. (Quelle: MDS-Jahresstatistik 2018). 

Nicht immer liegt der Fall so klar wie beim versehentlichen Vergessen von Tupfern oder Bauchtüchern bei Operationen im Körper des Patienten, wo diese dann oft rätselhafte Beschwerden und Geschwüre verursachen. 

Meist ist der Vorwurf eines Behandlungsfehlers wesentlich schwieriger zu klären. Etwa, wenn ein Patient durch eine Fehldiagnose, eine unterlassene Behandlung, lückenhafte Aufklärung oder ein falsch verschriebenes Medikament oder auch einen Organisationsfehler im Krankenhaus zu Schaden kommt.

Was ist ein Behandlungsfehler?

Rechtlich gesehen besteht zwischen dem Patienten und seinem Arzt ein Behandlungsvertrag nach § 630a BGB. Der Arzt schuldet dem Patienten keinen Behandlungserfolg, sondern hat ihn entsprechend den aktuell gültigen Standards seines Fachgebietes zu behandeln. In mehreren tausend Fällen jährlich passiert genau dies jedoch nicht.

Was kann ich bei einem Verdacht tun?

Wird ein Patient durch einen Behandlungsfehler geschädigt, steht ihm Schadensersatz in Form von Schmerzensgeld und Ersatz seiner materiellen Schäden (wie beispielsweise Verdienstausfall, Kosten für Pflege- und Haushaltshilfen, vermehrte Bedürfnisse u. a.) zu. 

Es gibt verschiedene kostenfreie und kostenpflichtige Wege, wie er zu seinem Recht kommen kann. Dafür muss er regelmäßig dreierlei beweisen: Es wurde ein Behandlungsfehler begangen. Er hat einen Schaden erlitten. Der Behandlungsfehler hat diesen Schaden verursacht.

Als erster Schritt sollten von allen behandelnden Ärzten die vollständigen Krankenunterlagen in Kopie angefordert werden. Jeder Patient hat das Recht, seine Patientenakte einzusehen und sich Kopien der Dokumente gegen Erstattung der üblichen Fotokopierkosten aushändigen zu lassen. Außerdem sollte ein möglichst detailliertes schriftliches Gedächtnisprotokoll vom Behandlungsverlauf angefertigt werden sowie Fotos vom eigenen körperlichen Zustand gemacht und die Namen aller Beteiligten aufgeschrieben werden.

Kassenpatienten sollten sich bei ihrer gesetzlichen Krankenkasse kostenlos beraten lassen. Diese ist verpflichtet, dem Verdacht auf einen Behandlungsfehler nachzugehen. Über den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) kann ein kostenloses Sachverständigengutachten eingeholt werden, welches im Schnitt drei Monate dauert. Die Krankenkasse hat durchaus ein eigenes Interesse daran, Behandlungsfehler aufzudecken, da sie dann ggf. für die Kosten von Folgebehandlungen Schadensersatz vom betroffenen Arzt verlangen kann. 

Steht dem Patienten gemäß dem MDK-Gutachten Schadensersatz zu, kann er sich mit dem Haftpflichtversicherer von Arzt oder Krankenhaus über die Höhe einigen. Das Gutachten ist jedoch ohne rechtliche Verbindlichkeit. 

Ein positives Gutachten verpflichtet somit nicht zur Zahlung. Ein negatives Gutachten wiederum bekommt nur der Patient selbst, jedoch nicht die Gegenseite zu sehen. Dies ist vorteilhaft, wenn er anschließend noch vor dem Zivilgericht auf Schadensersatz klagen will.

Die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Landesärztekammern stehen Patienten ebenfalls kostenlos zur Verfügung. 

Dieser Weg steht auch Privatpatienten offen. Auf einen formlosen Antrag wird das Verfahren eingeleitet, wobei der behauptete Behandlungsfehler in der Regel nicht länger als fünf Jahre zurückliegen darf. Voraussetzung für diesen Weg ist auch, dass nicht bereits ein zivil- oder strafrechtliches Verfahren anhängig ist. 

Auch die Entscheidung der Schlichtungsstelle ist nicht verbindlich; der Patient kann trotzdem noch vor einem Gericht klagen. Ein Schlichtungsverfahren dauert in der Regel zwischen drei Monaten und zwei Jahren. Gerichtliche Verfahren dauern allerdings manchmal noch viel länger.

Medizinrecht ist ein anwaltliches Spezialgebiet und umfasst auch das Arzthaftungsrecht. Um Ansprüche gegen Ärzte/Krankenhäuser erfolgreich durchzusetzen, empfiehlt sich die frühzeitige Mandatierung eines Fachanwalts für Medizinrecht mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Arzthaftungsrecht. 

Seine Tätigkeit ist wie die der Gerichte kostenpflichtig und wird von der Rechtsschutzversicherung übernommen. Der Anwalt muss auch über Beratungs- und Prozesskostenhilfe, die der Staat bezahlt, informieren sowie über die Risiken eines Prozesses.

Ist es besser, sich außergerichtlich zu einigen?

Neun von zehn Arzthaftungssachen werden außergerichtlich reguliert. In vielen Fällen erkennt die Versicherung des Arztes das Gutachten an und leistet Schadensersatz. Die Haftpflichtversicherungen sind häufig auch bereit, außergerichtlich mehr zu zahlen als im Prozess. Es sollte deshalb immer eine gütliche außergerichtliche Einigung angestrebt werden, bevor gerichtliche Schritte eingeleitet werden, die die Situation zwischen dem Patienten und dem Arzt verschärfen.

Wie viel Schmerzensgeld bekomme ich?

Über die Höhe entscheiden die Gerichte. Hier einige Beispiel-Urteile:

  • Darmkrebs nicht erkannt: 70.000,- € (OLG Braunschweig – 9 U 129/15)
  • Zahnarzthaftung (fehlerhafte Weisheitszahnextraktion): 6.000,- € (OLG Düsseldorf – 8 U 86/05).
  • Stimmbandverletzung (Aufklärungsfehler): 30.000,- € (OLG Braunschweig – 1 U 24/12)
  • Brustamputation nach fehlerhafter Brustkrebsvorsorge: 100.000,- € (LG Köln – 25 O 326/13)
  • Querschnittslähmung (Behandlungsfehler bei Rückenmarkoperation): 125.000,- EUR (OLG Karlsruhe – a7 U 107/00)

Aachen im Oktober 2019

Rechtsanwalt Rudolf Günter

Fachanwalt für Medizinrecht


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