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Verhandlung über Bußgeld: Muss ein Betroffener selbst zu Gericht?

  • 3 Minuten Lesezeit
anwalt.de-Redaktion

Gerichtsverfahren sind für die meisten Menschen eine unangenehme Sache, besonders wenn ihnen etwas zur Last gelegt wird. Aber muss ein Betroffener zu einem Verhandlungstermin wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit persönlich erscheinen oder genügt es, einen Anwalt zur Verhandlung zu schicken?

80 Euro für zu dichtes Auffahren: Einspruch!

Einer Autofahrerin wurde vorgeworfen, bei einer ihrer Fahrten den erforderlichen Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht eingehalten zu haben. Dafür hatte die zuständige Behörde einen Bußgeldbescheid über 80 Euro erlassen.

Die Dame war damit nicht einverstanden und ließ über ihren Anwalt Einspruch einlegen. Sie leugnete zwar nicht, in der fraglichen Situation die Fahrerin des Wagens gewesen zu sein, hielt die Geldbuße aber aus anderen Gründen für nicht gerechtfertigt.

Anwesenheit bei der Hauptverhandlung

Nach dem form- und fristgemäßen Einspruch findet regelmäßig ein Verhandlungstermin vor dem Amtsgericht (AG) statt, in dem der vorgeworfene Verkehrsverstoß nochmals erörtert und geprüft wird.

Persönlich wollte sich die Frau vor Gericht zu der Sache allerdings nicht äußern. Ihr Anwalt stellte daher neben dem Einspruch einen weiteren Antrag: Das Gericht sollte die Betroffene von ihrer Pflicht entbinden, selbst zum Verhandlungstermin zu erscheinen.

Gemäß § 73 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) müssen Betroffene zur Hauptverhandlung nämlich grundsätzlich persönlich anwesend sein. Gerade Verkehrssünder sind oft auf „Blitzerfotos“ mehr oder weniger deutlich zu erkennen. So kann der Richter in der Hauptverhandlung zunächst prüfen, ob sich die Vorwürfe überhaupt gegen die richtige Person richten.

Berufung auf Aussageverweigerungsrecht

Der Betroffene weiß auch im Zweifel am besten, was tatsächlich passiert ist, und könnte so zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen. Allerdings steht ihm ein Aussageverweigerungsrecht zu, wie man es auch aus Strafverfahren kennt. Das bedeutet, der Betroffene muss sich nicht selbst durch eine Aussage belasten, sondern darf vor Gericht auch schweigen.

Soweit er also einräumt, in der fraglichen Situation selbst gefahren zu sein, und erklärt, in der Hauptverhandlung von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen zu wollen, kann auf die persönliche Anwesenheit auch gleich verzichtet werden. In solchen Fällen entbindet das Gericht den Betroffenen gem. § 73 Abs. 2 OWiG von seiner Pflicht zum persönlichen Erscheinen – meistens jedenfalls.

Verteidigung durch einen Rechtsanwalt

Im eingangs beschriebenen Fall lehnte das AG den Entbindungsantrag allerdings ab. Nachdem die Betroffene in der angesetzten Hauptverhandlung trotzdem nicht persönlich erschienen war, verwarf das Gericht den Einspruch kurzerhand, ohne sich mit dem Sachverhalt inhaltlich auseinanderzusetzen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hob dieses Urteil jedoch wieder auf und entschied, dass die Dame von ihrer Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen hätte entbunden werden müssen. Folglich konnte ihr Einspruch nicht einfach ohne weitere inhaltliche Prüfung allein aufgrund ihrer Abwesenheit verworfen werden.

Verletzung rechtlichen Gehörs

Es mag im ersten Moment paradox klingen, dass sich die Entscheidung aus einer Verletzung rechtlichen Gehörs ergibt, da die Betroffene ja gerade von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen wollte.

Allerdings hatte das AG in diesem Fall den Einspruch allein wegen fehlender Anwesenheit der Betroffenen in der Hauptverhandlung verworfen. Dabei hätte der Verteidiger der Betroffenen dort Beweismittel, darunter Videoaufnahmen, vorlegen können, die ggf. zu einer anderen Bewertung des angeblichen Verkehrsverstoßes geführt hätten.

So muss das AG nun doch noch über die Sache selbst verhandeln – wohl in Abwesenheit der Betroffenen, aber mit ihrem Verteidiger.

Fazit: Wem eine Verkehrsordnungswidrigkeit vorgeworfen wird, kann sich in der Hauptverhandlung von einem Anwalt vertreten lassen. Persönlich muss er oft nicht erscheinen, wenn er zugibt, der Fahrer gewesen zu sein, aber darüber hinaus von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch macht.

(OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.07.2016, Az.: IV-2 RBs 91/16)

(ADS)

Foto(s): ©Fotolia.com

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