Vermächtnis oder Erbschaft – was ist der Unterschied?

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Wenn im Testament die Formulierung „Ich vermache…“ auftaucht, kann damit ein Vermächtnis gemeint sein – oder aber eine Erbeinsetzung. Was der Unterschied zwischen Vermächtnis und Erbschaft ist und wie man laienhafte Testamente entsprechend auslegt, lesen Sie in diesem Beitrag.

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Was ist eine Erbschaft, was ist ein Vermächtnis?

Sowohl bei der Erbeinsetzung als auch beim Vermächtnis, geht es darum, dass der Erblasser einer Person durch eine letztwillige Verfügung (Testament oder Erbvertrag) etwas zuwendet.

  1. Bei der Erbeinsetzung wird gleich der ganze Nachlass (Alleinerbe) oder eine Quote/Bruchteil am Nachlass (Erbengemeinschaft) zugewendet,
  2. Das Vermächtnis bezieht sich dagegen nur auf einen konkreten Vermögenswert (Geldbetrag, Immobilie, Schmuckstück etc.).

Diese Unterscheidung ergibt sich aus dem Gesetz. Im Erbrecht des BGB ist sowohl die Erbeinsetzung als auch das Vermächtnis geregelt.

§ 1922 BGB, Gesamtrechtsnachfolge

(1) Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über.

(2) Auf den Anteil eines Miterben (Erbteil) finden die sich auf die Erbschaft beziehenden Vorschriften Anwendung.


§ 1937 Erbeinsetzung durch letztwillige Verfügung

Der Erblasser kann durch einseitige Verfügung von Todes wegen (Testament, letztwillige Verfügung) den Erben bestimmen.

§ 1939 BGB Vermächtnis

Der Erblasser kann durch Testament einem anderen, ohne ihn als Erben einzusetzen, einen Vermögensvorteil zuwenden (Vermächtnis).

Darum ist die Unterscheidung in der Praxis so wichtig

Erben und Vermächtnisnehmer sollten die Unterschiede genau kennen, da sie erhebliche praktische Auswirkungen haben:

Der Vermächtnisnehmer wird nicht Erbe und bildet mit dem Erben auch keine Erbengemeinschaft. Weder das Vermächtnis noch der Vermächtnisnehmer tauchen im Erbschein auf.

Der Vermächtnisnehmer wird (anders als der Erbe) nicht automatisch mit dem Erbfall Eigentümer des vermachten Vermögenswertes. Er hat lediglich einen (schuldrechtlichen) Anspruch gegen den oder die Erben auf Erfüllung des Vermächtnisses. Die Erfüllung liegt regelmäßig darin, dass der Erbe den vermachten Vermögenswert aus dem Nachlass dem Vermächtnisnehmer zuführt – also etwa durch Überweisung eines Geldbetrages oder Übereignung einer Immobilie bzw. Übergabe eines Schmuckstücks. Dieser Anspruch auf Erfüllung des Vermächtnisses unterliegt (anders als das Erbrecht) der zivilrechtlichen Verjährung.

Vermächtnis oder Erbe? So legt man ein Testament aus

Wenn Laien ein Testament schreiben, ist Ihnen häufig weder die Abgrenzung zwischen Erbschaft und Vermächtnis bewusst, noch die sich daraus ergebenden Unterschiede für die Betroffenen.

Da die Frage nach der Erbenstellung aber elementar ist, und bei der Abwicklung der Erbschaft, beim Erbstreit, im Erbscheinverfahren oder auch bei der Erbschaftsteuererklärung auftaucht, muss sie auch verbindlich geklärt werden.

Diese Klärung erfolgt im Wege der Auslegung. Da dem Gesetzgeber bei der Schaffung des Erbrechts bewusst war, dass der Unterschied zwischen Erbe und Vermächtnis nicht jedem klar ist, hat er die passende Auslegungsregel zur Abgrenzung gleich selbst im Gesetz geliefert:

§ 2087 Zuwendung des Vermögens, eines Bruchteils oder einzelner Gegenstände

(1) Hat der Erblasser sein Vermögen oder einen Bruchteil seines Vermögens dem Bedachten zugewendet, so ist die Verfügung als Erbeinsetzung anzusehen, auch wenn der Bedachte nicht als Erbe bezeichnet ist.

(2) Sind dem Bedachten nur einzelne Gegenstände zugewendet, so ist im Zweifel nicht anzunehmen, dass er Erbe sein soll, auch wenn er als Erbe bezeichnet ist.

Beispiel für eine Testamentsauslegung

Der Erblasser errichtet folgendes Testament:

Meinem Sohn vermache ich mein gesamtes Vermögen. Meine Tochter soll lediglich das Klavier im Wohnzimmer erben.“

Hier kommt man mit der Auslegung zum Ergebnis, dass der Sohn (Allein-)Erbe und die Tochter lediglich Vermächtnisnehmerin ist – auch wenn es nach dem Wortlaut umgekehrt ist.


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