Versäumte Aufrechnung nicht nachholbar - Selbstpfändung der sicherste Weg?

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Der BGH hat am 10. März 2011 zu den Pflichten aus einem Anwaltsvertrag wie folgt festgestellt:

Der Prozessvertreter des Beklagten verletzt seine Pflichten aus dem Anwaltsvertrag, wenn er die Pfändung und Überweisung der Klageforderung an seine Partei im Berufungsrechtszug nicht geltend macht. Die Pfändung in eigene Schuld ist jedenfalls dann zulässig, wenn sie dazu dient, dem Gläubiger die Verrechnung in den Fällen zu ermöglichen, in denen die allgemeinen Aufrechnungsvoraussetzungen nicht vorliegen oder die Aufrechnung aus prozessualen Gründen unstatthaft ist. Für die Einziehung der gepfändeten Forderung in eigene Schuld reicht es aus, dass der Vollstreckungsgläubiger und Drittschuldner gegenüber dem Vollstreckungsschuldner erklärt, die wechselseitigen Forderungen zu verrechnen.

Der Kläger kaufte ein mit einem Mehrfamilienhaus bebautes Grundstück, teilte es in Eigentumswohnungen auf und verkaufte zwei am 29. November 1999 für umgerechnet 122.710,05 € an eine Wohnungskäuferin. Diese unterwarf sich wegen des Kaufpreisanspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung. Der Grundstücksverkäufer beanspruchte vom Kläger noch einen Kaufpreisrest in Höhe von umgerechnet 89.476,08 €. Diesen trat er an die Wohnungskäuferin ab, welche den Kläger deswegen auf Zahlung verklagte. Dieser unterließ es in erster Instanz, wenigstens hilfsweise mit seiner noch offenen Kaufpreisforderung aus dem Wohnungsverkauf aufzurechnen. Da er die Zahlung an den Grundstücksverkäufer nicht beweisen konnte, wurde er in erster Instanz vom Landgericht zur Zahlung verurteilt.

Nunmehr beauftragte er den beklagten Rechtsanwalt, für ihn Berufung gegen das Urteil einzulegen, was auch geschah. Zur Vollstreckung des Kaufpreisanspruchs gegen die Wohnungskäuferin aus dem Wohnungsverkauf ließ der beklagte Rechtsanwalt im April 2002 gestützt auf die vollstreckbare Urkunde die gegen den Kläger gerichtete, an die Wohnungskäuferin abgetretene angebliche Kaufpreisforderung des Grundstücksverkäufers pfänden und dem Kläger zur Einziehung überweisen.

Im Juni 2002 ließ die Wohnungskäuferin mit dem Titel des vorläufig vollstreckbaren erstinstanzlichen Urteils ein Bankguthaben des Klägers in Höhe von 34.833,43 € pfänden. In der Berufungsinstanz machte der Beklagte zwar die Hilfsaufrechnung mit der Kaufpreisforderung aus dem Wohnungsverkauf geltend, unterließ es jedoch, die von ihm veranlasste Pfändung und Überweisung der Klageforderung vorzutragen.

Nach einem entsprechenden Hinweis auf § 533 ZPO, wonach die Hilfsaufrechnung des Klägers in der Berufungsinstanz nicht mehr zulässig sei, wies das Berufungsgericht die Berufung des Klägers zurück. Das Urteil wurde rechtskräftig.

Nunmehr ließ sich die Wohnungskäuferin den von ihr zuvor nur gepfändeten Betrag zur Einziehung überweisen. Eine hiergegen von dem Beklagten für den Kläger erhobene Vollstreckungsgegenklage, mit der er die Erfüllung der titulierten Forderung aufgrund Aufrechnung mit der Gegenforderung aus dem Wohnungsverkauf und der von ihm veranlassten Vollstreckung in eigene Schuld, der so genannten Selbstpfändung, geltend machte und sich auf § 826 BGB berief, wurde in zwei Instanzen abgewiesen, weil der Kläger mit seinen Einwendungen nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert sei; seine Nichtzulassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Die Wohnungskäuferin zog sodann die gepfändeten Gelder ein.

Der Anwalt wurde vom Kläger auf Schadensersatz wegen anwaltlicher Pflichtverletzung in Anspruch genommen. Sein Schaden bestehe in Höhe der an die Wohnungskäuferin ausgekehrten Gelder sowie der in den beiden Vorprozessen verauslagten Gerichts- und Rechtsanwaltskosten. Ferner hat er Freistellung von den gegen ihn geltend gemachten Gerichtskosten begehrt.

In erster Instanz hat er den Schadensersatz auf zuletzt 64.484,71 € und die Freistellung auf 12.835,70 € beziffert. Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 43.781,04 € nebst Zinsen sowie zur Freistellung in Höhe von 4.797,60 € verurteilt. Der Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Die Prozessbevollmächtigten der Wohnungskäuferin haben wegen ihrer gegen den Kläger gerichteten Forderungen aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen in Höhe von 5.295,04 € nebst Zinsen und Kosten die angebliche Schadensersatzforderung des Klägers gegen den Beklagten gepfändet und sich zur Einziehung überweisen lassen. Der Beklagte hat wegen titulierter Anwaltsforderungen gegen den Kläger in Höhe von insgesamt 4.705,68 € zuzüglich Zinsen diesen Schadensersatzanspruch gegen sich pfänden und zur Einziehung überweisen lassen. Der Kläger hat zuletzt seinen Zahlungsantrag in der Höhe des ihm erstinstanzlich zugesprochenen Betrages weiterverfolgt.

Das Berufungsgericht hat der Berufung des Beklagten teilweise stattgegeben. Es hält die Freistellungsklage in Höhe von 4.797,60 € und die Zahlungsklage in Höhe von 39.075,36 € für begründet, wobei es den Beklagten ermächtigt hat, den zugesprochenen Geldbetrag nach Maßgabe des Pfändungsbeschlusses an den Prozessbevollmächtigten der Wohnungskäuferin zu zahlen. In Höhe von 4.705,68 € hat das Berufungsgericht die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen. Das Berufungsgericht hat gemeint, der Beklagte habe es im Berufungsverfahren des ersten Rechtsstreits versäumt, den Einwand der Pfändung des Klageanspruchs (Selbstpfändung) zu erheben.

Wenn er die Selbstpfändung damals eingewendet hätte, wäre die Klage der Wohnungskäuferin als derzeit unbegründet abgewiesen worden. Dann hätte diese sich die gepfändeten Gelder nicht mehr zur Einziehung überweisen lassen können. Es entlaste den Beklagten nicht, dass die Wohnungskäuferin sich das gepfändete Bankguthaben des Klägers entgegen dem Verfügungsverbot aus dem von ihm erwirkten Pfändungsbeschluss (Selbstpfändung) habe überweisen lassen. Denn der Beklagte hätte für seinen Mandanten den „sichersten Weg" beschreiten und die Maßnahme ergreifen müssen, die mit größter Sicherheit zum Erfolg geführt hätte. Sicher wäre nur gewesen, den Vollstreckungstitel zu beseitigen.



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