Strafrecht: Die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens

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Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren muss durch die Staatsanwaltschaft in irgendeiner Form zu einem Abschluss gebracht werden. Dies kann durch die Erhebung der Anklage geschehen, damit das Gericht ein Urteil fällt. Ebenso kann ein Strafbefehl als „schriftliches Urteil“ beantragt werden. In der Praxis hat die Einstellung des Verfahrens, also die Beendigung der Ermittlungen ohne Urteil, mittlerweile eine erhebliche Bedeutung.


Keine Vorstrafe, weniger Stress, geringere Kosten

Für den Beschuldigten ist eine Verfahrenseinstellung in aller Regel angenehm. Sie wird nicht im Führungszeugnis eingetragen, man ist deswegen also nicht vorbestraft. Es gibt keine nervenaufreibende öffentliche Hauptverhandlung, bei der (unter Umständen trotz Unschuld) immer etwas „hängen bleibt“. Auch, wenn man die Kosten des Verteidigers bei einer Verfahrenseinstellung selbst tragen muss, ist dies meist deutlich günstiger als eine Verhandlung.

Dabei gibt es aber viele unterschiedliche Arten der Einstellung, die hier überblicksartig vorgestellt werden sollen.


§ 170 Abs. 2 StPO – kein Anlass für eine Anklage

Erhärtet sich der Anfangsverdacht nach den Ermittlungen nicht, stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO ein. Diese Einstellung wird oft als „kleiner Freispruch“ bezeichnet.

Nachteil: Das Verfahren kann jederzeit wieder aufgenommen werden, wenn neue Erkenntnisse vorliegen.


§ 153 StPO – geringe Schuld

Bei geringfügigen Vorwürfen kann die Staatsanwaltschaft davon absehen, Anklage zu erheben. In diesem Fall findet eine Einstellung nach § 153 StPO statt. Diese Vorschrift steht gewissermaßen neben § 170 Abs. 2 StPO – auch bei einer Einstellung nach § 153 StPO ist eine Täterschaft keineswegs sicher, es lohnt sich aber nicht, wegen einer Bagatelle das Gericht zu bemühen.

Nachteil: Es ist kein „kleiner Freispruch“, die Staatsanwaltschaft gibt also nicht zu, dass die Beweise nicht reichen. Eine gewisser, wenn auch geringe Schuld, steht weiterhin im Raum. Gegen diese Art der Einstellung gibt es auch kein Rechtsmittel.


§ 153a StPO – Einstellung gegen Auflage

Geht die Staatsanwaltschaft von einer erheblichen Verurteilungswahrscheinlichkeit aus, hält sie den Vorwurf aber für nicht allzu gravierend, kann sie eine Einstellung gegen Auflagen anbieten. Auflage ist typischerweise eine Geldzahlung an den Staat oder an einen gemeinnützigen Verein, seltener die Ableistung von Sozialstunden. Möglich ist auch die Auferlegung der Teilnahme an Therapien oder Kursen.

Nachteil: Es erfolgt eine Sanktionierung, man kommt also nicht ganz ungeschoren davon. Verwaltungsbehörden werten dies häufig als Schuldnachweis.


§ 154 StPO – Beschränkung der Verfolgung

§ 154 StPO erlaubt es der Staatsanwaltschaft, die Verfolgung auf wirklich bedeutsame Straftaten zu beschränken. Wenn es also verschiedene Vorwürfe gibt, kann sich die Staatsanwaltschaft auf die schwereren Straftaten konzentrieren und die kleineren Delikte fallenlassen. Dies dient vor allem dazu, die Verfahren „übersichtlich“ zu halten. Ausnahmsweise können hier sogar Verbrechen (Straftaten mit einem Jahr Gefängnis oder mehr als Mindeststrafe) eingestellt werden.

Nachteil: Es gibt offensichtlich noch andere, schwerer wiegende Vorwürfe. Erfolgt keine Verurteilung wegen dieser schwereren Vorwürfe, können danach die eingestellten Verfahren wieder aufgenommen werden.


§§ 45 und 47 JGG – Einstellung nach Jugendrecht

Das Jugendgerichtsgesetz (JGG) sieht in den §§ 45 und 47 weit gehende Möglichkeiten vor, Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende unter 21 Jahren einzustellen. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um die Regelungen der §§ 153, 153a und 154, die aber auf die besonderen Umstände des Jugendstrafverfahrens angepasst sind. Hiervon wird sehr weitgehend Gebrauch gemacht

Nachteil: Es erfolgt ein Eintrag im Erziehungsregister. Dieser stellt aber keine Vorstrafe dar und ist nur für Staatsanwaltschaft und Jugendgericht einsehbar. Im Falle einer weiteren Verurteilung kann sich der Eintrag aber negativ auswirken.


Seltenere Einstellungsmöglichkeiten

Daneben gibt es noch Möglichkeiten der Verfahrenseinstellung in ganz besonderen Konstellationen, die aber eine weit geringere Bedeutung haben. So kann eine Strafverfolgung unterbleiben, wenn der vermeintliche Täter ohnehin bald abgeschoben wird (§ 154b StPO). Wurde jemand erpresst, weil er eine Straftat begangen hat, kann das Verfahren wegen dieser Tat eingestellt werden (§ 154c StPO). Auch ein Verfahrenshindernis, z.B. das Fehlen oder die Rücknahme eines Strafantrags, führt zur Einstellung (§ 206a StPO), ebenso eine Gesetzesänderung, die die Strafbarkeit entfallen lässt (§ 206b StPO).


Der Weg zu einer Verfahrenseinstellung

Wie Sie sehen, ist eine Verfahrenseinstellung zwar grundsätzlich positiv, es gibt aber auch gewisse Tücken. Darum ist es auch im Ermittlungsverfahren bereits sinnvoll, der Staatsanwaltschaft Argumente an die Hand zu geben, zum einen überhaupt einzustellen, zum anderen aber auch mit einer Begründung einzustellen, die möglichst vorteilhaft ist.

Grundsätzlich eignet sich jeder Tatvorwurf für eine Verfahrenseinstellung. Je gravierender die im Raum stehende Straftat ist, desto schwerer wird es freilich und desto präziser muss die Argumentation sein. Gab es in der Vergangenheit bereits Verfahrenseinstellungen oder gar Verurteilungen, wird die Staatsanwaltschaft auch weniger geneigt sein, über eine erneute Einstellung nachzudenken.

In jedem Falle ist eine professionelle Verteidigung unbedingt zu empfehlen. Auch, wenn eine Einstellung nicht zu erreichen ist, können die Argumente aus dem Ermittlungsverfahren bereits die Verteidigung in der Hauptverhandlung vorwegnehmen und dort für eine geringere Strafe sorgen. Auch eine Verfahrenseinstellung vor Gericht ist häufig noch zu erreichen, wenn eine solide Vorbereitung erfolgt ist. Hierzu gehört insbesondere ein genaues Studium der Verfahrensakten, um alle Gesichtspunkte herauszuarbeiten und zu thematisieren.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, bereits dann einzuschreiten, wenn man vermutet oder davon Kenntnis erlangt, dass ein Verfahren gegen einen selbst eingeleitet werden könnte.

Es empfiehlt sich dringend, von Ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen und zunächst die Hilfe einer Strafverteidigerin oder eines Strafverteidigers in Anspruch zu nehmen. Es ist gerade nicht ratsam, aufgrund einer polizeilichen Ladung oder einem schriftlichen Anhörungsbogen eine Aussage ohne vorherige Rücksprache mit der Verteidigung zu machen. Wie wir aus Erfahrung wissen, werden dadurch häufig vermeidbare Fehler mit schwerwiegenden Folgen begangen. So ist jedes Verfahren individuell und es ist unsere Aufgabe eine umfangreiche einzelfallbezogene Abwägung zu treffen, um für Sie das beste Ergebnis erzielen zu können.

Dabei fordern wir so früh wie möglich Akteneinsicht, damit wir wissen, welcher Vorwurf Ihnen zur Last gelegt wird und welche Anhaltspunkte dabei gegen Sie vorliegen.


Rechtsanwalt David-Joshua Grziwa verfügt über intensive Erfahrungen im Strafrecht. Er übernimmt Ihre Verteidigung und wird stets auch ein Augenmerk auf die Möglichkeit einer Verfahrenseinstellung richten.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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