Verteidigungsstrategien bei Körperverletzung, Raub und Drogendelikten: psychiatrisches Sachverständigengutachten

  • 3 Minuten Lesezeit

Peter (22) ist ein erfahrener Drogendealer. Derzeit ist sein Drogenvorrat aber fast aufgebraucht. Um sich Nachschub zu besorgen, vereinbart er mit Erwin ein Drogengeschäft, und zwar den Kauf von 200 Gramm Marihuana für 1.800 €. So wird es zumindest ausgemacht. Peter ist allerdings pleite und so beschließt er, zusammen mit seinem Kumpel Dieter, den Erwin abzuziehen. Sie planen, dem Erwin die Drogen mit Gewalt abzunehmen, ohne dafür etwas zu bezahlen. Zur Sicherheit nehmen sie eine Machete mit.

Bevor sie aufbrechen, raucht Peter noch seinen Restbestand an Joints weg und nimmt dazu eine Tablette Tilidin ein, da er weiß, dass er dadurch die Wirkung des Marihuanas verstärken kann und entspannter wird.

Als sie sich dann mit Erwin treffen, ist der nicht sonderlich entspannt, sondern wehrt sich, so dass Peter die Machete einsetzt und Erwin mehrere Schnittwunden verpasst, um an die Drogen zu kommen.

Kurz danach wird Peter verhaftet und landet wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft (U-Haft).

Folgende Straftaten werden ihm nun vorgeworfen: Schwerer Raub, unerlaubtes bewaffnetes Sichverschaffen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und gefährliche Körperverletzung. Ihm drohen mindestens 5 Jahre Freiheitsstrafe.

Nach erfolgter Akteneinsicht besucht sein Strafverteidiger Peter in der U-Haft. Sie besprechen den Fall und die näheren Umstände. Dadurch erfährt sein Strafverteidiger, dass Peter seit mehreren Jahren regelmäßig Drogen nimmt.

Ist es nun sinnvoll, als Mittel der Verteidigung die Erstellung eines forensisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens zu beantragen?

Ja, und zwar aus mehreren Gründen.

Sein Strafverteidiger beantragt nun, dass ein solches Gutachten erstellt wird, und dass der Gutachter zu den Voraussetzungen des § 20 StGB, § 21 StGB und § 64 StGB Stellung nimmt.

Ein erfahrener Psychiater wird daraufhin beauftragt, das Gutachten zu erstellen. Er arbeitet sich in die Akte ein und fängt dann an mit der psychiatrischen Anamnese und Exploration. Das heißt, er befragt Peter ausführlich zu seiner Vorgeschichte. Wie ist er aufgewachsen (biographische Anamnese und soziale Situation)? Wie lief es mit seinen Eltern und Geschwistern? Gab es irgendwelche Erkrankungen? Wie lief es in der Schule, Ausbildung, Arbeit? Wann ging es los mit den Drogen (Suchtanamnese)? Welche Drogen hat er wann und in welcher Menge genommen? Wie hat er seinen eigenen Drogenkonsum finanziert?

Der Gutachter fragt Peter auch zu dem konkreten Drogenkonsum vor der Tat, was ihm Peter ausführlich erläutert.

Sodann erfolgt der psychopathologische Befund und die psychiatrische Diagnose. Der Gutachter kommt zu dem klaren Ergebnis, dass bei Peter eine langjährige Abhängigkeit von Cannabis und Cannabinoiden (ICD 10: F 12.2) vorliegt.

Allerdings meint der Gutachter, dass zum Tatzeitpunkt bei Peter die Schuldfähigkeit allenfalls leicht vermindert war, aber nicht erheblich vermindert im Sinne des § 21 StGB, keinesfalls jedoch ausgeschlossen im Sinne des § 20 StGB. Der Konsum von Cannabis und Tilidin vor der Tat lag zwar - zumindest, wenn man den Angaben von Peter so glaubt – vor, aufgrund der suchtbedingten Gewöhnung und der erkennbar strukturierten Tatausführung lag aber ein bewusstes Handeln nach dem vorher gefassten Tatplan vor.

Hat es nun etwas gebracht, das Gutachten erstellen zu lassen?

Ja, auf jeden Fall. Denn abgesehen davon, dass einige Dinge aus Peters Vorgeschichte aufgedeckt werden, die im Gesamtzusammenhang eine Rolle spielen, bejaht der Gutachter bei Peter einen Hang im Sinne des § 64 StGB. Zudem attestiert er Peter einen ausreichenden Behandlungswillen und sieht eine konkrete Aussicht auf Erfolg der Maßregel gemäß § 64 StGB.

Was heißt das nun?

Peter hat eine gute Chance, dass das Gericht dem in seinem Urteil folgt. Rein praktisch bedeutet das, dass Peter die Chance bekommt, in einer Entziehungsanstalt untergebracht zu werden, anstatt seine Freiheitsstrafe im Gefängnis abzusitzen. Und wenn es gut läuft, muss er nach seiner positiv absolvierten Entzugstherapie nicht mehr ins Gefängnis zurück, sondern der dann noch offene Rest seiner Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.

Peter ist seine Drogensucht los und kann in ein neues Leben starten.

Ich möchte mit diesem Artikel dazu beitragen, die Angst vor der Begutachtung durch einen Psychiater zu nehmen und deutlich machen, dass das für den Mandanten eine große Chance sein kann, die üblicherweise als viel schlimmer empfundene Inhaftierung zu vermeiden, und stattdessen in einer Entzugsanstalt eine gute Therapie zu bekommen.

Sollte bei Ihnen ein akuter Fall vorliegen, helfe ich Ihnen gerne als Strafverteidiger weiter.

Sie sollten bei der Festnahme keinerlei Aussage machen und mich dann sofort kontaktieren. Wenn Sie in Untersuchungshaft kommen, dann steht Ihnen ein Pflichtverteidiger zu.

Rechtsanwalt Dominik Ruf


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dominik Ruf

Beiträge zum Thema