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Verwirkung des Widerrufsrechts?

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Nach wie vor kann sich eine Bank nicht auf die Verwirkung eines Widerrufsrechts im Rahmen eines Verbraucherdarlehensvertrages berufen, wenn die Bank trotz Kenntnis einer im Darlehensvertrag befindlichen fehlerhaften Widerrufsbelehrung die Widerrufssituation selbst herbeigeführt hat.

Wie das Oberlandesgericht Hamm in einem Hinweisbeschluss an die beklagte Bank klarstellte, greift der Einwand der Verwirkung trotz Ablaufs einer gewissen Zeitspanne zwischen Widerrufserklärung und Vertragsschluss dann nicht, wenn die Bank die Widerrufssituation selbst herbeigeführt hatte (OLG Hamm, Entscheidung vom 25.08.2014 - 31 U 74/14).

In der Berufungsinstanz hatte die beklagte Bank die Berufung nach dem Hinweis des Gerichts zurückgenommen.

Die Bank hatte sich darauf berufen, der klagende Darlehensnehmer habe spätestens aufgrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29.4.2010 (I ZR 66/08) ohne Probleme erkennen können, dass die von der Bank verwendete Widerrufsbelehrung fehlerhaft war. Insoweit habe sich die Bank angeblich nach deren Auffassung berechtigterweise darauf einrichten dürfen, dass der Darlehensnehmer trotz fehlerhafter Widerrufsbelehrung den Darlehensvertrag nicht widerruft.

Dieser Rechtsauffassung erteilten die Richter am Oberlandesgericht Hamm eine klare Absage, indem sie darauf hinwiesen, dass die Bank durch die fehlerhafte Widerrufsbelehrung selbst die Widerrufssituation des Darlehensnehmers geschaffen hatte. Der Bank war es unbenommen, durch eine ordnungsgemäße Nachbelehrung die Widerrufsfrist zum Laufen zu bringen.

Darüber hinaus verwies das Oberlandesgericht Hamm auf die gesetzgeberische Entscheidung, von der Einführung einer sechsmonatigen Ausschlussfrist bei einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung abzusehen. Das Oberlandesgericht Hamm folgerte daraus ganz klar, dass einer Bank vor diesem Hintergrund die Berufung auf § 242 BGB und damit auf den Einwand der Verwirkung nicht zu gestatten ist.

Dem im Verfahren geltend gemachten Zahlungsanspruch des Verbrauchers infolge seines Widerrufs versuchte die Bank darüber hinaus mit der Anrechnung von Steuervorteilen zu begegnen, die dem Verbraucher gegebenenfalls in der Vergangenheit zugeflossen waren. In den Verfahren hatte der Verbraucher eine Fondsbeteiligung mit dem Verbraucherdarlehensvertrag finanziert. Es sind grundsätzlich adäquat ursächliche Vorteile, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis stehen, zu berücksichtigen. Dabei sind aber auch durch die Schadensregulierung zukünftig eintretende Steuernachteile ausgleichend in die Betrachtung der Schadenspositionen mit aufzunehmen.

Insbesondere kommt eine Anrechnung nicht in Betracht, wenn auch die Rückabwicklung des Geschäfts zu einer Besteuerung führt. In diesem Fall werden dem Geschädigten die bisherigen Steuervorteile wieder genommen. Anzurechnende Steuervorteile liegen jedenfalls dann nicht vor, wenn der Verbraucher im Ausgangspunkt dieselben Beträge zu versteuern hat, die zuvor Grundlage gezogener Steuervorteile waren. So konnte auch die Behauptung der darlegungs- und beweisbelasteten Bank dahinstehen, der Verbraucher habe in den ersten zwei Jahren aufgrund seiner Fondsbeteiligung Verlustzuweisungen in Höhe von mehr als 100 Prozent der gesamten Einlage erhalten. Der Verbraucher hatte durch seine Fondsbeteiligung rechtlich eine Unternehmensbeteiligung erworben. Die als Rückabwicklung zu bezeichnende Übertragung des Vorteils an die vermittelnde Bank Zug um Zug gegen Zahlung des Schadensersatzes ist steuerlich der Veranlagungszeit zuzurechnen, indem die Übertragung vorgenommen und der Schadensersatz geleistet wird. Die Rückabwicklung ist sodann aus steuerlicher Sicht als Veräußerung des Mutterunternehmensanteils an die Bank zu betrachten, weshalb hier § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz Anwendung findet. Mithin werden die Schadensersatzansprüche bzw. die Ansprüche, die sich aus der Rückabwicklung ergeben, einer erneuten Versteuerung zugeführt, weshalb sich die Bank auch nicht darauf berufen kann, dem Darlehensnehmer bzw. dem Anleger seien außergewöhnliche Steuervorteile entstanden.


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