Vom Sinn + Zweck von Privatgutachten

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In der Baupraxis werden der Sinn und der Zweck eines Privatgutachtens bezweifelt, da man diesem Privatgutachten keine rechtliche Bedeutung beimisst. Dies kann sich als großer Fehler herausstellen.

Einem Privatgutachten kommt rechtliche Bedeutung bereits vor einem Bauprozess zu als auch in einem Bauprozess. Außergerichtlich muss das Privatgutachten eingesetzt werden in Fällen absoluter Eilbedürftigkeit.

Ein solcher Fall liegt insbesondere dann vor, wenn bei Großbauvorhaben eine Kündigung gegenüber dem Auftragnehmer ausgesprochen wurde. In dem Fall muss der Auftragnehmer zur Beweissicherung seine bis zur Kündigung erbrachten Leistungen unbedingt feststellen lassen, um später in einem etwaigen Werklohnprozess seine tatsächlich erbrachten Massen beweisen zu können.

Deshalb sollte der Auftragnehmer bei Kündigung sofort einen Aufmaßtermin mit dem Auftraggeber unter Hinzuziehung eines Sachverständigen vereinbaren. Das Gutachten gilt zunächst als qualifizierter Sachvortrag, den die Gegenseite in einem Rechtsstreit nicht einfach bestreiten kann, sondern die Gegenseite muss sich dezidiert mit jeder einzelnen Position auseinandersetzen.

Darüber hinaus ist der Privatgutachter Zeuge und damit eine wichtige Schachfigur in der Beweisaufnahme. Denn es wird bei einer Kündigung während der Bauphase immer so sein, dass das Bauvorhaben mit einem anderen Unternehmer fertiggestellt wird.

Die Beweislast dafür, dass der Auftragnehmer die Leistung bis zum Kündigungszeitpunkt erbracht hat, hat immer der Auftragnehmer. Um nicht in Beweisnot zu geraten, ist es ratsam, im Falle der Kündigung einen Privatgutachter hinzuzuziehen.

Die Einholung eines Privatgutachtens kann aber auch während eines streitigen Gerichtsverfahrens notwendig werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es um die Ergänzung des eigenen, vor allem erstinstanzlichen Sachvortrags geht, um ein von dem Prozessgegner beigebraches Gutachten zu widerlegen oder ein gerichtliches Sachverständigengutachten anzugreifen.

Der Bundesgerichtshof ist in ständiger Rechtsprechung der Auffassung, dass sich das Gericht mit einem Privatgutachten ebenso sorgfältig auseinanderzusetzen hat, als wenn es sich um die abweichende Stellungnahme eines vom ihm bestellten weiteren Gutachters handeln würde.

Je nach den Umständen des Einzelfalles hat das Gericht dann, wenn die vorgetragenen Einwendungen des Privatgutachtens gegen das gerichtlich bestellte Sachverständigengutachten Substanz haben, die Pflicht, den Sachverhalt weiter aufzuklären.

Ansonsten verletzt das Gericht Verfahrensvorschriften.

Privatgutachter kann auch als Zeuge auftreten

Zudem besteht für die Partei, die das Privatgutachten ins Spiel gebracht hat, immer die Möglichkeit, den Privatgutachter als Zeugen in den Prozess einzuführen. Mit diesem Zeugnis des Privatgutachters ist der Prozesspartei meistens schon gedient, zumal der Privatgutachter als Zeuge nicht abgelehnt werden kann.

Ein solches Privatgutachten kann jedoch nur dann im Prozess Erfolg haben, wenn das Privatgutachten allen Anforderungen genügt, die an ein gerichtliches Gutachten zu stellen sind, damit es im Prozess verwertbar ist.

Ein Privatgutachten muss daher den gerichtlichen Gutachten vergleichbar objektiv und fachlich richtig sein und darf nicht einseitig die Interessen des Auftraggebers wiedergeben.

Dies ist nur gewährleistet, wenn sich der Gutachter selbst ein objektives Bild von dem Sachverhalt macht, indem er Vertragsunterlagen, Zeichnungen, Korrespondenz und Lichtbilder sorgfältig verwertet.

Privatgutachten, die nur Ergebnisse mitteilen, ohne es zu ermöglichen, Gedankengänge nachzuvollziehen und zu überprüfen, sind wertlos. Reine Gefälligkeitsgutachten, die sich als solche auch schnell herausstellen, schaden nicht nur dem Ansehen des Privatgutachters; vielmehr können sie den Gutachter im Einzelfall auch zum Schadensersatz verpflichten.

Das Vertragsverhältnis zwischen Privatgutachter und seinem Mandanten bestimmt sich nach dem BGB-Werkvertragsrecht. Feststellungen eines Privatgutachtens sind grundsätzlich als Werkvertrag einzuordnen. 

In der Baupraxis stellt sich zwischen Auftragnehmer und Bauherrn meist die Frage, wer die angefallenen Privatgutachterkosten zu tragen hat, wenn der Bauherr einen Privatgutachter zur Mängelfeststellung beauftragt hat.

Zunächst schuldet der Bauherr dem Privatgutachter das für das Privatgutachten angefallene Honorar. Weiter stellt sich jedoch die Frage, ob der Bauherr einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Kostenerstattung gegen den Auftragnehmer hat.

Privatgutachterkosten, die vom Bauherrn aufgewandt wurden, um etwaige Schäden festzustellen oder um abzuklären, welche Maßnahmen zur Schadensbeseitigung erforderlich sind, sind Mangelfolgeschäden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes steht dem Bauherrn ein Schadensersatz für die Kosten eines Privatgutachtens über Ursache und Ausmaß der eingetretenen oder noch zu erwartenden Mängel zu.

Der Ersatz sonstiger durch einen Mangel verursachter Schäden, und hierunter fallen die Privatgutachterkosten, ergibt sich aus §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB bzw. § 13 Abs. 7 Nr. 1, 2 VOB/B.

Eine Fristsetzung des Bauherrn gegenüber dem Auftragnehmer ist hierfür nicht erforderlich. Die von dem Bauherrn aufgewandten Kosten für ein Privatgutachten können demnach im Rahmen eines Prozesses selbständig geltend gemacht werden.

Der Bauherr kann dann in einem Rechtsstreit die aufgewandten Privatgutachterkosten als selbständige Schadensposition in Ansatz bringen. 

Dies sollte der Auftragnehmer wissen. 

Hiervon sind die Fälle zu unterscheiden, bei denen nur vorbeugend die Vollständigkeit und Mangelfreiheit der Bauleistungen überwacht werden soll. Dies sind in aller Regel Leistungen, die den Architekten im Rahmen ihrer Leistungspflichten obliegen und von ihnen demnach unabhängig von möglichen Mängeln vertraglich erbracht werden müssen.

Ein materiell-rechtlicher Kostenanspruch des Bauherrn ist für diesen Tätigkeitsbereich eines Architekten daher von vornherein ausgeschlossen. In der Baupraxis kommt es häufiger vor, dass der Architekt, dem auch die Bauüberwachung übertragen wurde, für die Feststellung und Überwachung der Mängelbeseitigung zusätzliches Honorar gegenüber dem Bauherrn berechnet.

Verständlicherweise versucht der Bauherr dann, Rückgriff gegen den Auftragnehmer zu nehmen. Im Rahmen seiner Bauüberwachung kann der Architekt diese Leistungen nicht zusätzlich in Rechnung stellen, da es ihm im Rahmen der Bauüberwachung als Grundleistung obliegt, Mängel festzustellen und die Beseitigung dieser Mängel zu überwachen. Deshalb hat der Bauherr diese Leistung nicht zusätzlich zu vergüten, sondern diese Tätigkeit ist durch das Architektenhonorar bereits gedeckt.

Soweit der Bauherr einen solchen zusätzlichen Betrag nicht schuldet, so kann er auch gegen den Auftragnehmer keinen Kostenerstattungsanspruch haben, auch wenn er dem Architekten nachgegeben hat und dies extra bezahlt hat. Von daher kann der Auftragnehmer diese Kosten zurückweisen. 

Carsten Seeger



Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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