Vorfälligkeitsentschädigung umgehen ⚠️Wie die Strafzinsen vermeiden?

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Wann sind Strafzinsen rechtswidrig? Was gilt bei Hausverkauf?

Wenn Sie Ihr Darlehen vorzeitig zurückzahlen, können die Banken Ihnen eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung (VFE) in Rechnung stellen. Dies betrifft grundsätzlich auch Ratenkredite. Bei Immobiliendarlehen wird fast immer eine solche Entschädigung berechnet und ist nicht unerheblich.

Fehler und Versäumnisse seitens der Banken können dazu führen, dass Sie die Vorfälligkeitsentschädigung umgehen können. Zieht die Bank die Forderung gegen Sie nicht aus eigenen Stücken zurück, sollten Sie einen Bankrecht-Anwalt in Anspruch nehmen. Immerhin geht es beim Vorfälligkeitsentgelt oft um mehrere Tausend Euro.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Vorfälligkeitsentschädigung wird häufig als Strafzins bezeichnet und fällt oftmals bei der vorzeitigen Tilgung eines Darlehens an.
  • Die Vorfälligkeitsgebühr wird in der Regel fällig, wenn Sie den Kredit für eine Immobilie vor Ablauf zurückzahlen.
  • Nicht selten ist die Berechnung der Entschädigung fehlerhaft, sodass Sie als Kreditnehmer dagegen vorgehen können.
  • Mitunter ist der Widerruf des Darlehens eine Option, um der Vorfälligkeitsentschädigung zu entgehen.
  • Immer mehr Gerichte entscheiden verbraucherfreundlich im Hinblick auf eine nicht zu bezahlende Vorfälligkeitsentschädigung.

Die Vorfälligkeitsentschädigung: Einfach erklärt

Die Vorfälligkeitsentschädigung ist eine Entschädigung, die Sie der Bank dafür zahlen, dass Sie einen Kredit vorzeitig zurückzahlen. Wenn Sie als Kreditnehmer Ihr Darlehen vorzeitig (vor Fälligkeit) zurückzahlen, entgehen der Bank Zinszahlungen, die sie erhalten hätte, wenn der Kredit bis zum Ende der ursprünglichen Restlaufzeit weitergelaufen wäre. Die Bank kompensiert ihren Verlust, indem Sie als Kreditnehmer dafür einen hohen Betrag in Rechnung gestellt bekommen.

Die Kreditinstitute können auch bei Verbraucherkrediten eine Vorfälligkeitsentschädigung in Rechnung stellen. Gerade der Ausfall der Zinsen bei Immobiliendarlehen ist immer wieder Gegenstand von Streitigkeiten.

Die Banken verlangen eine Vorfälligkeitsentschädigung (auch Vorfälligkeitsentgelt, Vorfälligkeitsgebühr, Vorfälligkeitszinsen oder Strafzinsen genannt), weil Sie den Vertrag nicht einhalten und das Kreditinstitut nicht mehr mit den kalkulierten Zinseinnahmen rechnen kann, ihren Gläubigern gegenüber aber noch verpflichtet ist. 

Möchten Sie als Kreditnehmer eine außerplanmäßige Tilgung bzw. Rückzahlung Ihres Darlehens vornehmen? Dann wird die Bank für den entstehenden Zinsschaden voraussichtlich eine Vorfälligkeitsentschädigung von Ihnen fordern.

Sondertilgungsrecht, Umschuldung und VFE

Sondertilgungsrechte sind Vereinbarungen in einem Kredit- oder Darlehensvertrag, die Ihnen als Darlehensnehmer das Recht einräumen, zusätzliche Zahlungen über die regulären Raten hinaus zu leisten. Durch diese zusätzlichen Zahlungen können Sie den ausstehenden Betrag noch während der Laufzeit reduzieren. Bei Sondertilgungsrechten darf keine VFE in Rechnung gestellt werden. Oft wird dies bei der Berechnung nicht berücksichtigt. Hier muss die Vorfälligkeitsentschädigung (VFE) neu berechnet werden und fällt meist deutlich geringer aus.

Im Gegensatz dazu steht die Umschuldung. Sie bezieht sich auf den Prozess, bei dem Sie ein bestehendes Darlehen durch ein neues Darlehen mit günstigeren Konditionen ablösen. Bei der Umschuldung wird das bestehende Darlehen vorzeitig zurückgezahlt, was normalerweise die Erhebung einer Vorfälligkeitsgebühr auslöst, um den Zinsschaden für die Bank zu mindern.

Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung

Die Frage, ob die Vorfälligkeitsentschädigung korrekt berechnet wurde, stellen Sie sich spätestens, wenn die Bank Ihnen eine entsprechende Rechnung stellt. Tatsächlich ist das Ermitteln der Vorfälligkeitsentschädigung nicht einfach und für Laien intransparent. 

Für die Berechnung der Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung ist die Zinsbindungsfrist ein wichtiger Faktor. Die Zinsbindungsfrist ist der Zeitraum, für den die Zinssätze Ihres Darlehens bzw. Ihrer Hypothek fest vereinbart sind. Nach Ablauf dieser Frist können Sie als Kreditnehmer in der Regel das Darlehen zurückzahlen, ohne dass die Banken von Ihnen eine Vorfälligkeitsgebühr verlangen.

Zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung können Banken zwischen der Aktiv-Aktiv- und der Aktiv-Passiv-Methode wählen.

Die für Sie als Kreditnehmer günstigere Variante ist in der Regel die sogenannte Aktiv-Aktiv-Methode. Dabei setzt das Kreditinstitut voraus, dass das vorzeitig zurückgezahlte Geld relativ schnell an einen anderen Kunden verliehen wird. Geschieht dies zu einem geringeren Zins, wird die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet und es entstehen Kosten.

Bei der Aktiv-Passiv-Methode ist die Annahme hingegen, dass das zurückgeflossene Geld an den Kapitalmärkten angelegt wird. Dabei zieht das Kreditinstitut den Zinssatz zum Rechner, den es eigentlich von Ihnen für das vorzeitig zurückgezahltes Darlehen erhalten hätte. Dem wird der Anlagezins gegengerechnet, sodass sich aus der Differenz die Vorfälligkeitsentschädigung ergibt. Die Methode ist in der Regel ungünstiger für Kreditnehmer.

Erfahrungsgemäß beläuft sich die Vorfälligkeitsentschädigung nach dem Hausverkauf oder bei anderen Gründen, aus denen Sie den Immobilienkredit vorzeitig zurückzahlen, im Schnitt auf zehn Prozent. Grundlage ist die noch offene Restschuld, die Sie zurückzahlen möchten. Damit ist das Vorfälligkeitsentgelt bei Immobiliendarlehen noch wesentlich teurer, als wenn Sie etwa einen Ratenkredit außerplanmäßig tilgen.

Vorfälligkeitsentschädigung beim Immobilienkredit

Die Vorfälligkeitsentschädigung fordern Banken in der Praxis vorwiegend bei Immobilienkrediten ein. Dort ist sie wesentlich höher als bei Ratenkrediten, bei denen die Banken meist nur eine Entschädigung von einem Prozent der Restschuld von Ihnen fordert. Bei Immobiliendarlehen hingegen kann die Vorfälligkeitsentschädigung oft das Zehnfache ausmachen.

Die Strafzinsen beim Hausverkauf sind der häufigste Anlass, warum die Kreditinstitute Ihnen eine Vorfälligkeitsentschädigung in Rechnung stellen. Eine Vorfälligkeitsentschädigung beim Verkauf der Immobilie müssen Sie allerdings nicht immer akzeptieren, da eine Baufinanzierung manchmal gebührenfrei abgelöst werden kann.

Vorfälligkeitsentschädigung bei der Baufinanzierung

Eine Vorfälligkeitsentschädigung in der Baufinanzierung kommt in der Praxis ebenfalls vielfach vor. Es existieren allerdings im Wesentlichen drei Fälle, bei denen Sie Ihre Baufinanzierung gebührenfrei und damit ohne Vorfälligkeitsentschädigung ablösen können:

  • Keine oder fehlerhafte Widerrufserklärung
  • Fehlerhafte Angaben zur Vorfälligkeitsentschädigung
  • Kündigung des Immobiliendarlehens nach mindestens zehn Jahren Laufzeit bzw. Ende der Zinsbindungsfrist (§489 BGB)

Sollte es im Zusammenhang mit dem abgeschlossenen Immobiliendarlehen eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung geben, können Sie den Immobilienkredit widerrufen. Die Rückzahlung des gesamten Darlehens ist zwar erforderlich, jedoch ohne Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung.

Ein zweiter Grund für das gebührenfreie Ablösen der Baufinanzierung sind eventuell fehlerhafte Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung. Die Kreditinstitute müssen Sie nämlich spätestens seit dem 21. März 2016 darüber informieren, wie die Berechnung stattfindet.

Eine dritte Möglichkeit, Ihre Baufinanzierung gebührenfrei abzulösen, ist die Kündigung des Darlehens nach mindestens zehn Jahren. Haben Sie sich in der Vergangenheit zum Beispiel für eine Zinsbindung von 20 Jahren entschieden? Dann besteht für Sie bereits nach zehn Jahren (120 Monaten) ein Kündigungsrecht. Somit können Sie den Immobilienkredit außerplanmäßig tilgen. Paragraph 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB legt fest, dass die Bank in dem Fall keine Vorfälligkeitsentschädigung berechnen darf.

Vorfälligkeitsentschädigung bei Hausverkauf

Wenn Sie Ihr Haus verkaufen, müssen Sie oft eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen. Dann berechnet die Bank sogenannte Strafzinsen, was grundsätzlich erlaubt ist. Es ist also keineswegs so, dass nach einem Hausverkauf und der damit verbundenen Rückzahlung des Immobiliendarlehens keine Vorfälligkeitsentschädigung berechnet werden dürfte.

Allerdings hat unter anderem der Europäische Gerichtshof in einem Urteil klargestellt, dass Banken mehrere Voraussetzungen im Hinblick auf das Berechnen der Vorfälligkeitsentschädigung erfüllen müssen (Az. C-33/20, C-155/20 und C-187/20).

Die wichtigste Voraussetzung ist, dass die Bank Sie transparent darüber informiert, wie sie die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung vornimmt. Geschieht das nicht, werden Kreditinstitute regelmäßig dazu verurteilt, die vereinnahmte Vorfälligkeitsentschädigung an Sie, als Kreditnehmer zurückzuzahlen. 

Gerichtsurteile des LG, OLG und BGH

Grundsätzlich ist die Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung nicht rechtswidrig. Jedoch gibt es mittlerweile zahlreiche Fälle, in denen Gerichte entschieden haben, dass die Bank die in Rechnung gestellte Entschädigung zurückzahlen muss.

Der Vorfälligkeitsjoker gilt vorwiegend für eine Reihe von Darlehensverträgen, die nach dem 20. März 2016 geschlossen wurden. Bei diesen Verträgen sind Kreditinstituten nämlich Fehler unterlaufen, sodass der Anspruch auf die Vorfälligkeitsentschädigung verwirkt ist.

So urteilte etwa das Oberlandesgericht Frankfurt (Az. 17 U 810/19), dass der Kreditnehmer einen Immobilienkredit vorzeitig zurückzahlen durfte. Es war der Bank nicht gestattet, eine Entschädigung für die vorzeitige Rückzahlung zu berechnen. Die Begründung lag in dem Fall darin, dass der Vertrag unklare Angaben enthielt. 

Ähnlich entschied das Landgericht Kiel im November 2022 (Az.: 12 O 198/21). Auch in diesem Fall hatte die Bank kein Recht auf die Vorfälligkeitsentschädigung. Grund war ebenfalls eine unzureichende Aufklärung des Kunden über die entsprechende Vorfälligkeitsgebühr. Zudem gab es eine fehlerhafte Darstellung der Berechnung.

Neben den genannten Urteilen gab es in den letzten 20 Jahren außerdem einige Urteile seitens des BGH. Diese behandeln grundsätzliche Fragen zur Vorfälligkeitsentschädigung:

  • Grundlage für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach der Aktiv-Passiv-Methode müssen Pfandbriefe und keine anderweitigen, niedrig verzinslichen Anlagen sein
  • Kündigt die Bank einen Kreditvertrag, darf sie keine Vorfälligkeitsentschädigung berechnen 
  • Ist vertraglich eine Sondertilgung vereinbart, muss diese zwingend in die Berechnung der Vorfälligkeitsgebühr einfließen 

Ein bahnbrechendes Urteil gab es im vergangenen Jahr seitens des Landgerichtes Limburg (Az.: 1 O 32/22). Erstmals überhaupt ging es darum, dass ein Kunde für einen Förderkredit der KfW die bereits gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zurückverlangen könne.

Im vorliegenden Fall nahm der Kunde sowohl bei der Sparkasse als auch über die KfW einen Kredit auf. Aufgrund der vorzeitigen Ablösung wurde ihm seitens der Sparkasse eine Vorfälligkeitsentschädigung in Rechnung gestellt, die zum Teil das KfW-Darlehen betraf. Da der Kreditnehmer jedoch nicht korrekt über die Berechnung informiert wurde, entschied das Landgericht Limburg, dass keine Vorfälligkeitsentschädigung für den entstandenen Schaden zu zahlen ist.

Vorfälligkeitsentschädigung umgehen: Ihre Möglichkeiten

Als Darlehensnehmer können Sie versuchen, eine Vorfälligkeitsentschädigung zu umgehen. In der Praxis haben Sie dazu einige Möglichkeiten, die insbesondere folgende Situationen betreffen: 

  • Falsche Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung
  • Fehlerhafte oder unvollständige Informationen zur Berechnung
  • Fehlerhafte Widerrufsbelehrung
  • Geforderte Vorfälligkeitsentschädigung ist zu hoch

Im letzten Fall muss die Vorfälligkeitsentschädigung zumindest reduziert werden.

In den meisten Fällen sind es entweder Vertrags- oder Berechnungsfehler, die dazu führen, dass die Bank Ihnen eine bereits gezahlte Entschädigung zurückerstatten muss. Dabei hängt die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung insbesondere von den folgenden Faktoren ab:

  • Laufzeit des Kredites
  • Ursprünglich vereinbarter Kreditzins
  • Aktuelles Zinsniveau

Fragen können etwa zum Wiederanlagezins der Bank gestellt werden oder ob ersparte Verwaltungskosten in die Berechnung eingeflossen sind.

Im Hinblick auf die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unterlaufen den Banken besonders häufig folgende Fehler:

  • Keine Berücksichtigung von Sondertilgungen
  • Nichtbeachtung des Stichtages für die Rückzahlung
  • Kein Einbezug eines vorhandenen KfW-Darlehens

Es ist wichtig, dass Sie oder Ihr Rechtsanwalt nicht nur auf eventuelle Rechnungsfehler achten. Häufiger gibt es ebenso im Vertrag Fehler. Diese können auch dazu führen, dass Sie gar keine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen müssen. Besonders häufig betroffen sind Fehler und unvollständige Angaben in den Widerrufsbelehrungen, wie zum Beispiel: 

  • Formulierungen wie „Frist im Einzelfall prüfen“
  • Fehlerhafter Mustertext
  • Keine Belehrung zu Rechtsfolgen des Widerrufs

So vermeiden Sie mit CDR Legal die Vorfälligkeitsentschädigung

Die effektivste Methode zur Vermeidung einer Vorfälligkeitsentschädigung ist der Widerruf eines Kredits. Falls Sie den Kredit tatsächlich erfolgreich widerrufen können, müssen Sie auf der einen Seite selbstverständlich das Darlehen zurückzahlen. 

Auf der anderen Seite darf die Bank dafür jedoch keine Vorfälligkeitsentschädigung berechnen. In der Regel kann nur ein qualifizierter Rechtsanwalt erkennen, ob Gründe für einen Widerruf vorliegen. Wenden Sie sich deshalb zum Beispiel an die Kanzlei CDR-Legal, die sich auf Bankrecht spezialisiert hat. Die Anwaltskanzlei kann nicht nur eventuelle Fehler in Verträgen im Hinblick auf die Vorfälligkeitsentschädigung prüfen, sondern ebenso die Option auf ein Kündigungsrecht oder den Widerruf eines Kreditvertrages.

Foto(s): 165414556 © fotomek, https://stock.adobe.com/


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