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Vorfahrt auf ganzer Breite

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Christian Günther anwalt.de-Redaktion

[image]Die Frage, wie weit Verkehrsteilnehmer mithaften, wenn sie als Vorfahrtsberechtigte nicht rechts fahren und dann mit einem Einbieger kollidieren, klärte nun der Bundesgerichtshof (BGH). Die Klägerin war mit ihrem Pkw auf einer Vorfahrtsstraße unterwegs. In Höhe einer von ihr aus links gelegenen Einfahrt, aus der gerade der Beklagte einbog, fuhr sie über der Mittellinie also zu weit links. In der Folge kam es zum Crash, wobei der linke vordere Kotflügel am Klägerfahrzeug erheblich beschädigt wurde.

Nachdem das Landgericht in der 1. Instanz noch eine Schadensverteilung von 75:25 zwischen Beklagtem und Klägerin festlegte, gab das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg dem Beklagten in der Berufung die alleinige Schuld. Es ließ jedoch die Revision aus Gründen der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu. Denn die Frage, wie der Verstoß der Klägerin gegen das Rechtsfahrgebot zu bewerten sei, werde von den Gerichten unterschiedlich beantwortet. Eine Klärung durch den Bundesgerichtshof (BGH) sei daher geboten. Diese Chance nutzte der unterlegene Beklagte und hatte doch kein Glück.

Nach Ansicht des BGH diene das Rechtsfahrgebot nur dem Schutz der sich bereits auf der gleichen Straße befindlichen Verkehrsteilnehmer. Keinesfalls solle es aber einem unaufmerksamen Fahrzeugfahrer zugutekommen, der ohne Vorfahrtsrecht gerade in die Straße einbiegt. Die Fahrerin habe auch nicht damit rechnen müssen, dass der andere losfährt. Insofern sei ihr Verhalten vom Vertrauensgrundsatz gedeckt. Das entfalle nur, wenn trotz rechtzeitigen Erkennens des gegnerischen Fahrzeugs - unter Mitberücksichtigung einer gewissen Reaktions- und Bremszeit -nicht rechtzeitig reagiert werde. Dafür lägen hier aber keine Beweise vor. Hingegen spreche das Verhalten des Beklagten für seine Unachtsamkeit.

Beim Einbiegen in eine vorfahrtsberechtigte Straße müsse der dortige Verkehr auf ihrer gesamten Breite beobachtet werden. Zulasten des Beklagten könne angenommen werden, dass er nur den, von ihm aus gesehen, rechts kommenden Verkehr in den Blick genommen habe, bevor er losfuhr. Die stets vorhandene Betriebsgefahr, die auch ohne Verschulden eine Rolle spielt, trete daher aufseiten der Klägerin hinter das Verschulden des Beklagten zurück.

(BGH, Urteil v. 20.09.2011, Az.: VI ZR 282/10)

(GUE)

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