Vorsorge mit Vollmachten und Testament

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Die Vorteile einer ausreichenden oder sogar guten rechtlichen Vorsorge mit Vollmachten sind ein Thema, welches allzu gern verdrängt oder in den Hintergrund geschoben wird. Zu Unrecht. Ist die Krise erst da, ist es meist zu spät.

Um die Bedeutung einer guten rechtlichen Vorsorge mit Vollmachten zu erkennen, stellen Sie sich bitte eine „klassische Familie“ bestehend aus 2 Eltern und 2 minderjährigen Kindern vor. Beide Eltern haben Jobs und es wird ein Eigenheim finanziert bei der örtlichen Bank. Jeder Elternteil hat verschiedene Versicherungen abgeschlossen und auch laufende finanzielle Verpflichtungen.

Gehen Sie davon aus, dass ein Elternteil einen Autounfall erleidet auf dem Weg zum Einkaufen. Er sitzt in seinem eigenen PKW, welcher Totalschaden erleidet. Er selbst wird schwer am Kopf und den Gliedmaßen verletzt und liegt erst einmal für 4 Wochen auf einer Intensivstation in einem Krankenhaus, dann folgen die Normalstation und stationäre ReHa-Maßnahmen. Jedenfalls kann er sich längere Zeit nicht um geschäftliche Angelegenheiten kümmern.

Ist nichts geregelt, erhält der andere Ehepartner u.U. keine Auskunft von der Bank oder von Versicherungen über Kontostände und mögliche Versicherungsleistungen des verletzten Ehepartners. Er kann keinen Antrag stellen und auch kein Geld abheben. Er kann noch nicht einmal wirksam die Unfallabwicklung betreiben, das Autowrack abmelden oder Fragen um den Arbeitsplatz klären. Zwar kann vieles im Nachhinein genehmigt werden, jedoch ist die Lage unbefriedigend.

In vielen anderen Situationen können plötzlich und ohne große Vorankündigung vergleichbare Probleme entstehen. Eine schwere Erkrankung oder ein sonstiges Schicksal können vermeintlich sichere Umstände auch rechtlich unter Belastung bringen.


Generalvollmacht und Bankvollmacht

Um diese Situationen nicht eintreten zu lassen, sollte in der Regel jeder Mensch einem anderen Menschen seines Vertrauens eine Generalvollmacht erteilen. Diese kann formlos erteilt werden, wenn kein Immobiliengeschäft getätigt werden muss. Auch bei dem Bedarf nach Abschluss eines Verbraucherkreditvertrages oder unternehmensbezogenen Geschäften bedarf die Vollmacht der notariellen Beurkundung.

Zu denken ist auch an eine gesonderte Bankvollmacht. Häufig akzeptieren Banken (meist zu Unrecht) nicht eine allgemein gehaltene Generalvollmacht. Bei den Banken kann auf weitgehend einheitlichen Formularen vorsorglich gesonderte Vollmacht erteilt werden.

Vorsorgevollmacht mit Betreuungsverfügung

Wie sieht es aus mit der Frage, welche Maßnahmen im Zusammenhang mit der Behandlung getroffen werden sollen/müssen. Zu denken ist an eine ausführliche Vorsorgevollmacht, welche eine ansonsten unter Umständen erforderlich werdende gesetzliche Betreuung verhindern kann. Die Vorsorgevollmacht regelt üblicherweise z.B. auch Fragen der Personensorge und der Gesundheitssorge. Die bevollmächtigte Person sollte also sorgfältig ausgewählt werden.

Häufig werden in Mustern die General- und die Vorsorgevollmacht in einem Dokument formuliert. Ich empfehle in der Regel die Trennung, da es möglicherweise nicht gewünscht ist, wenn z.B. bei einem Bankgeschäft oder einem Autokauf in Vollmacht dem Vertragspartner alle persönlichen Fragen aus der Vorsorgevollmacht bekannt werden.

Die Vorsorgevollmacht kann eine ausdrückliche Betreuungsverfügung beinhalten. Es kann festgelegt werden, dass eine bestimmte Person als Betreuer gewünscht wird. Das Betreuungsgericht muss diesen Wunsch bei der Entscheidung über die Auswahl eines Betreuers berücksichtigen.

Patientenverfügung

Um die konkrete Behandlungssituation geht es in einer Patientenverfügung. Diese legt fest, ob die verletzte (oder aus sonstigem Grund schwer erkrankte) Person z.B. intensivmedizinisch behandelt werden möchte oder nicht. Für verschiedene Situationen können und sollten verschiedene Regelungen getroffen werden. In der Patientenverfügung können auch Festlegungen zur Organspende erfolgen.

Tipp: Viele standardisierte Patientenverfügungen sind nicht zu gebrauchen für die Frage einer intensivmedizinischen Behandlung im Zusammenhang mit einer schweren Viruserkrankung wie Covid-19, „Corona“, SARS, usw. Die Standardformulierungen gehen von einem in der Regel unumkehrbarem Sterbeprozess aus. Bei z.B. der intensivmedizinischen Intubation mit dem Ziel der vollständigen Genesung von einer Lungenerkrankung, ist dies gerade nicht der Fall. Es bedarf hier also ergänzender Regelungen, falls eine solche Behadlung ausgeschlossen werden soll.

Erbrechtliche Gestaltung

Nicht zu letzt ist auch an ein Testament oder einen Erbvertrag zu denken. Stirbt nämlich der eine Elternteil in obigem Beispiel, werden auch die minderjährigen Kinder „automatisch“ gesetzliche Erben. Der überlebende Ehegatte kann daher nicht allein über „Haus und Hof“ verfügen. Er benötigt dann gerichtliche Genehmigungen und möglicherweise werden durch das Nachlass- und Vormundschaftsgericht Anordnungen getroffen.

Auch für ältere Menschen ist es nie zu spät, die rechtliche Vorsorge mit Vollmachten zu treffen oder frühere Entscheidungen und Verfügungen zu überdenken und/oder diese zu aktualisieren. Haben Sie nach der Ehescheidung oder der Trennung von Ihrem Lebens(abschnitts)partner daran gedacht, das Testament zu ändern? Sind inzwischen Enkelkinder zu versorgen? Können steuerliche Freibeträge ausgeschöpft werden? Existieren die Gegenstände, welche Sie in einem Vermächtnis beschrieben haben überhaupt noch? Kann Ihr Bevollmächtiger Sie überhaupt noch gut vertreten oder ist er evtl. selbst nicht mehr dazu in der Lage z.B. aufgrund eigener Erkrankung oder hohen Alters?

Die Vorsorgefragen haben oft Bezug zu anderen Lebensbereichen. Eine fundierte Beratung hilft dabei, den Überblick zu erhalten und sicherzustellen, dass es am Ende auch wirklich Ihr letzter Wille ist, welcher zur Geltung kommt.

Ein Testament kann handschriftlich eigenhändig oder beim Notar verfasst werden. Es ist zu überlegen, ob es zur Sicherheit in besondere amtliche Verwahrung beim Nachlassgericht gegeben und beim zentralen Testamentsregister registriert werden sollte.

Der digitale Nachlass

Etwas problematisch kann der digitale Nachlass werden. Erstens werden viele Generalvollmachten von internationalen Dienstleistern nicht anerkannt. Hierüber wurden schon viele Gerichtsverfahren geführt mit unterschiedlichem Ausgang. Zweitens verkürzt eine eindeutige Regelung das juristische Tauziehen um erbrechtliche Fragen ganz erheblich.

Zu denken ist also an eine besondere Vorsorge mit Vollmacht. Diese sollte ausdrücklich für den digitalen Nachlass formuliert sein. Auch sollte der Erblasser daran denken, möglichst eine Liste mit Zugangsdaten und ggf. Entsperrcodes für den Erben zu hinterlassen.

Der Bundesgerichtshof hat zwar entschieden, dass eine Erbengemeinschaft Zugang zum vollständigen Benutzerkonto erhalten müsse (BGH, Beschl. v. 12.07.2018, Az. III ZR 183/17). Jedoch bedurfte es einer weiteren Klarstellung, dass der Zugang zum Konto direkt gewährt werden müsse, nicht nur zu gespeicherten Dokumenten/Daten (BGH, Beschl. v. 27.08.2020, Az. III ZB 30/20).

Der Erblasser sollte auch entscheiden, ob er z.B. Profile in sozialen Netzwerken gelöscht haben möchte oder ob diese (soweit möglich) bestehen bleiben sollen. Was soll mit den Endgeräten (Handy, Tablet, PC, Smartwatch,…) und den darauf gespeicherten Daten geschehen? Was ist mit Cloud-Daten bei Google, Facebook, Youtube, OneDrive, usw…? Bei einigen Diensten können Anweisungen hinterlegt werden, bei anderen muss der Erbe aktiv werden.

Foto(s): Frank Röthemeyer

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