Wann bekomme ich einen Pflichtverteidiger?

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Der Vorwurf, eine Straftat begangen zu haben, trifft die Betroffenen zumeist unvorbereitet. Geht ein solcher Vorwurf mit Ermittlungsmaßnahmen wie beispielsweise einer Durchsuchung einher, sind die Betroffenen zumeist überfordert und wissen nicht, wie sie darauf angemessen reagieren sollen. In dieser Situation ist es wichtig, rechtlichen Beistand zu haben, der gegebenenfalls auch auf den weiteren Verlauf des Verfahrens einwirken kann. 

Was ist ein Pflichtverteidiger?

Wer in Deutschland einer Straftat verdächtigt wird, hat unter Umständen das Recht, einen Strafverteidiger vom Staat gestellt zu bekommen. Dieser wacht im Strafverfahren darüber, dass die Betroffenen ein ordnungsgemäßes Verfahren bekommen und wahrt die Ihnen, unabhängig vom gegen Sie erhobenen Vorwurf, zustehenden Rechte.

In kaum einer Situation spürt man als Bürger die “Staatsmacht” so unmittelbar, wie wenn man Verdächtiger einer Straftat ist. Bei vielen Betroffenen stellt sich dabei ein Gefühl der Ohnmacht gegenüber dem Staat und seinen scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten ein. Dabei verkennen viele jedoch, dass Ihnen gerade in einer solchen Lage Rechte zustehen, die der Staat zu wahren hat. Um also eine “Waffengleicheit” herzustellen, obliegt es dem Staat, den Betroffenen in bestimmten Fällen einen Strafverteidiger beizuordnen. Bei Pflichtverteidigern handelt es sich um reguläre Strafverteidiger, der Unterschied zu sogenannten Wahlverteidigern besteht lediglich darin, dass sie vom Gericht mit der Verteidigung der Betroffenen beauftragt worden sind. Man spricht in solchen Fällen von einer Beiordnung. Jedoch besteht auch die Möglichkeit, dass eine Strafverteidigerin Ihrer Wahl die Pflichtverteidigung beantragt. 

Wann habe ich Anspruch auf einen Pflichtverteidiger?

Ob Sie Anspruch auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers haben, hängt davon ab, welche Tat Ihnen vorgeworfen wird. Im Gegensatz zur sogenannten Prozesskostenhilfe in öffentlichen bzw. zivilrechtlichen Verfahren hängt der Anspruch auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers nicht von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Betroffenen ab. 

Die notwendige Verteidigung ist in § 140 StPO geregelt. Gemäß § 140 I StPO ist die Mitwirkung eines Verteidigers beispielsweise notwendig, wenn die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht oder dem Landgericht stattfindet, gegen den Beschuldigten eine freiheitsentziehende Maßnahme vollstreckt wird bzw. deren Vollstreckung droht oder das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann. 

Gemäß § 140 I Nr. 2 StPO ist eine Verteidigung generell notwendig, wenn dem Beschuldigten die Begehung eines Verbrechens zu Last gelegt wird. Als Verbrechen sind dabei gemäß § 12 I StGB solche Taten anzusehen, für deren Begehung vom Gesetzgeber im Mindestmaß die Verhängung einer Freiheitsstrafe von einem Jahr vorgesehen ist. Abzugrenzen sind Verbrechen von Vergehen, also Taten, für die im Mindestmaß eine Strafe von weniger als einem Jahr Freiheitsstrafe vorgesehen ist. 

Darüber hinaus kann das Gericht dem Betroffenen einen Pflichtverteidiger beiordnen, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann, § 140 II StPO.

Wie kommt man als Betroffener zu einem Pflichtverteidiger?

Den Pflichtverteidiger kann sich jeder Betroffene grundsätzlich frei aussuchen. Soweit also bereits Kontakt zu einem Rechtsanwalt besteht und dieser sich die Vertretung in dem konkreten Fall vorstellen kann, ist es für diesen Anwalt möglich, einen Antrag auf Beiordnung durch das Gericht zu stellen. Soweit kein Kontakt zu einem Rechtsanwalt besteht oder dieser keine Vertretung in Strafsachen macht, ist es möglich, einen Pflichtverteidiger vom Gericht bestimmen zu lassen. Diesem liegt eine Liste von möglichen Strafverteidigern vor, zu einer Vertretung grundsätzlich bereit wären. Befindet sich ein Beschuldigter im Gewahrsam der Polizei, hat er einen Anspruch darauf, dass diese die Wahl eines Verteidigers ermöglicht. Dies kann beispielsweise durch bereitstellen der Gelben Seiten oder Ähnlichem erfolgen.

Es ist jedem Betroffenen dringend zu raten, von der Möglichkeit der Beiordnung eines Pflichtverteidigers Gebrauch zu machen!

Welche Folge hat die Beiordnung eines Pflichtverteidigers?

Aufgrund der Beiordnung eines Verteidigers durch das Gericht kann dieser die infolge der Verteidigung notwendigerweise anfallenden Kosten von dem Gericht ersetzt verlangen. Eine Abrechnung erfolgt dabei aufgrund des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes. Für die Betroffenen selbst fallen somit zunächst einmal kein Kosten an. Sollte es jedoch im Verfahren zu einer rechtskräftigen Verurteilung kommen, hat der Angeklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen, zu denen dann auch die Kosten des beigeordneten Pflichtverteidigers zählen. Wird der Angeklagte jedoch freigesprochen, trägt die Staatskasse alle Kosten des Verfahrens und für den Angeklagten entstehen keine nachträglichen Kosten.

Welche Aufgaben übernimmt ein Pflichtverteidiger?

Aufgabe des Pflichtverteidigers ist es, die Verteidigung des Betroffenen zu gewährleisten. Was genau dies bedeutet, hängt maßgeblich von den Besonderheiten des konkreten Falles ab. Es gibt dabei keinen allgemeingültigen Katalog an Maßnahmen, der gewissermaßen abgearbeitet werden muss. Der jeweilige Verteidiger entscheidet vielmehr selbstständig, welche Art der Verteidigung er im konkreten Fall für vielversprechend hält. 

Befindet sich ein Betroffener bereits in Untersuchungshaft, kann es auch erforderlich sein, dass der Verteidiger den Kontakt zur Familie aufrechterhält oder sich um andere organisatorische Angelegenheiten kümmert. Entgegen eines hartnäckigen Vorurteiles ist die Verteidigung durch einen Pflichtverteidiger auch nicht generell schlechter als bei einem Wahlverteidiger, es kommt vielmehr auf den jeweiligen Strafverteidiger selbst an und wie engagiert dieser sich für den Fall einsetzt.

Sie werden einer Straftat beschuldigt - kontaktieren Sie mich gerne unter kj@kanzleiw.de


Foto(s): @linusklose

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