Was bringt das neue Patientenrechtegesetz?

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Der Bundestag hat am 29.11.2012 in zweiter und dritter Lesung das Patientenrechtegesetz verabschiedet. Der Bundesrat wird voraussichtlich bis zum 01.02.2013 über das Gesetz beraten, sodass es dann im Frühjahr 2013 in Kraft treten kann.

In das BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) werden erstmals Vorschriften eingefügt, die die Rechte und Pflichten im Arzt-Patienten-Verhältnis zum Gegenstand haben. Weitere Änderungen betreffen auch das SGB V (Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung), wodurch insbesondere die Leistungsrechte des Versicherten gegenüber der Krankenkasse gestärkt werden sollen.

Die Gesetzesänderungen geben vornehmlich die bisherige, gefestigte Rechtsprechung zu Behandlungsfehlern wieder. Das Gesetz dient also mehr der Information des Patienten, als neue Rechte geschaffen werden.

1) Verschärfung der Dokumentationspflichten

Da bereits mit den Änderungen des Infektionsschutzgesetzes weitreichende Dokumentationspflichten begründet worden sind, sieht die neue Vorschrift des § 630 f BGB eine weitere Verschärfung der Dokumentationspflichten vor. Zugelassen wird die ärztliche Dokumentation sowohl in Papierform als auch in elektronischer Form. Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind jedoch nur zulässig, wenn der ursprüngliche Inhalt erkennbar bleibt. Entsprechende Regelungen befanden sich bislang jedoch bereits in der Berufsordnung für Ärzte, daraus konnte der Patient jedoch keine zivilrechtlichen Ansprüche herleiten. Der Behandler ist nunmehr gehalten, eine manipulationssichere Software vorzuhalten, wenn er keine handschriftliche Patientenakte mehr führt. Andernfalls setzt sich der Behandler der Gefahr aus, dass seine Dokumentation nicht den notwendigen Beweiswert für eine tatsächlich durchgeführte Behandlungsmaßnahme gewährleistet.

2) Allgemeine Aufklärungs- und Informationspflichten

Das Gesetz regelt erstmals die bestehenden Aufklärungs- und Informationspflichten im Rahmen des Behandlungsvertrages. Neu ist insbesondere die Informationspflicht des Arztes bei Annahme eines Behandlungsfehlers. Nach der Vorschrift des § 630 c BGB ist der Behandelnde verpflichtet, dem Patienten verständlicherweise zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern, insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen. Sind für den Behandelnden Umstände erkennbar, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, hat er den Patienten darüber auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren zu informieren.

Da jeder Behandlungsfehler auch den Vorwurf einer fahrlässigen Körperverletzung beinhaltet und nach wesentlichen Grundsätzen des Strafrechts sich niemand selbst belasten muss, wird ausdrücklich geregelt, dass entsprechende Aussagen des Arztes in einem Strafverfahren nur mit seiner Zustimmung verwendet werden dürfen.

3) Wirtschaftliche Aufklärungspflicht

Die sogenannte wirtschaftliche Aufklärungspflicht wird in § 630 c Abs. 3 BGB erstmals geregelt. Der Patient muss demnach vor Beginn einer Behandlung über die voraussichtlichen Kosten in Textform informiert werden, wenn dem Behandelnden bekannt ist, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten, also der Krankenkasse, nicht gesichert ist oder sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte ergeben. Bereits nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG (Bundessozialgerichtes) war es so, dass eine vertragliche Verpflichtung zur Zahlung einer Vergütung dann nicht entsteht, wenn der Patient darauf vertrauen durfte, dass er zu Lasten seiner Krankenversicherung behandelt wird.

4) Ärztliche Aufklärungspflicht

Die ärztliche Aufklärungspflicht wird in § 630 e BGB umfassend beschrieben. Neben der Art, dem Umfang, der Durchführung und der zu erwartenden Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung, ist auch über Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen initiierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können. Ausdrücklich wird auch klargestellt, dass bislang jedoch auch in der Rechtsprechung mehrfach entschieden worden ist, dass die Aufklärung mündlich durch den Behandelnden zu erfolgen hat. Lediglich ergänzend kann auf Unterlagen Bezug genommen werden, die der Patient in Textform erhält.

Neu ist die Regelung, dass dem Patienten nach dem Aufklärungsgespräch Abschriften von Unterlagen, die er im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat, auszuhändigen sind. Bislang hat der Patient entsprechende Unterlagen erst im Rahmen der Einsicht in die Patientenakte erhalten.

5) Recht auf Einsicht in die Patientenakte

Gesetzlich geregelt wird erstmals das Recht des Patienten, unverzüglich Einsicht in die ihn betreffende Patientenakte zu erhalten, § 630 g BGB. Weiterhin kann der Patient jederzeit Abschriften von der Patientenakte verlangen. Die entstehenden Kosten sind dem Arzt zu erstatten. Im Falle des Todes des Patienten steht das Recht auf Einsicht in die Patientenakte den Erben zu. Auch die nächsten Angehörigen des Patienten haben ein Recht auf Einsicht, soweit sie immaterielle Interessen geltend machen. Das Recht soll ausgeschlossen sein, soweit die Einsichtnahme gegen den ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Patienten erfolgen würde.

6) Behandlungsfehler

Der Ausgang eines Arzthaftungsprozesses hängt regelmäßig von der Beweislastverteilung ab. Die Beweislastregeln, die bislang von der Rechtsprechung geprägt worden sind, sind nunmehr in der Vorschrift des § 630 h BGB zusammengefasst.

Gerade im Bereich der Hygiene spielte es immer wieder eine Rolle, ob eine Infektionsgefahr zu den vollbeherrschbaren Risiken einer Einrichtung gehört. Ein Fehler des Behandelnden wird nunmehr vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für den Behandelnden vollbeherrschbar war und das zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten geführt hat.

Weiterhin hat der Behandelnde zu beweisen, dass die Einwilligung in die ärztliche Behandlung ordnungsgemäß erteilt worden ist, also eine rechtmäßige Aufklärung durchgeführt worden ist. Soweit es an einer Dokumentation der gebotenen wesentlichen Maßnahmen fehlt, wird nun vermutet, dass diese Maßnahme nicht durchgeführt worden ist. Eine Vermutungsregelung für den Eintritt der Verletzung durch eine fehlerhafte ärztliche Behandlung wird für den Fall eingeführt, dass der Behandler nicht über die ausreichende Befähigung für die vorgenommene Behandlung verfügt.

Gleiches gilt beim Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers. Auch hier wird vermutet, dass dieser dafür ursächlich gewesen ist, die eingetretene Verletzung herbeizuführen. Dies gilt auch dann, wenn es der Behandelnde unterlassen hat, einen medizinisch gebotenen Befund rechtzeitig zu erheben oder zu sichern, wenn dieser mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis erbracht hätte, das Anlass zu weiteren Maßnahmen gegeben hätte und wenn das Unterlassen solcher Maßnahmen grob fehlerhaft gewesen wäre.

7) Fristen

Durch eine Ergänzung des § 13 Abs. 3 SGB V soll erreicht werden, dass die Krankenversicherung schneller über Anträge der Versicherten entscheidet. Sollte die Krankenkasse nicht innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachterliche Stellungnahme, insbesondere des medizinischen Dienstes eingeholt wird, nicht innerhalb von fünf Wochen entscheiden, muss sie dies dem Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mitteilen. Gleiches gilt auch für den Fall, dass eine gutachterliche Stellungnahme des MdK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) eingeholt werden muss. Der MdK muss dann innerhalb von drei Wochen die Stellungnahme fertigen. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, können Leistungsberechtigte der Krankenkasse eine angemessene Frist für die Entscheidung über den Antrag setzen, mit der Erklärung, dass sie nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst beschaffen. Die Krankenkasse ist dann verpflichtet, die entstandenen Kosten zu erstatten. Entsprechende Regelungen bestanden bereits für Rehabilitationsmaßnahmen.

Fazit: Wesentliche Erleichterungen bei der Durchsetzung von Patientenrechten sind durch die neuen Regelungen im BGB nicht zu erwarten. Die Regelungen bieten jedoch eine gute Übersicht über die wesentlichen Eckpunkte der Rechtsprechung im Arzthaftungsrecht der vergangenen Jahrzehnte. Neue Impulse für die Rechtsprechung können möglicherweise aus ärztlichen Dokumentationsmängeln folgen, da hier gerade im Hinblick auf die Manipulationssicherheit der EDV neue Anforderungen gestellt werden können.

RA Matthias Herberg

Fachanwalt für Sozialrecht, Fachanwalt für Medizinrecht

Tel. (0351) 80 71 8-56, herberg@dresdner-fachanwaelte.de

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