Was tun bei einer Beschuldigtenvernehmung oder einer Vorladung hierzu durch Polizei und Staatsanwaltschaft?

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Sehr geehrte Mandantschaft, 

in diesem Rechtstipp möchte ich Ihnen erläutern, wie Sie am besten reagieren sollten, wenn Sie per Post von der Polizei eine Vorladung erhalten in der es heisst, dass Sie als Beschuldigter vernommen werden sollen oder wenn Sie mit Polizeibeamten persönlich sprechen und merken, dass Ihnen möglicherweise eine Straftat vorgeworfen werden wird.


Vorweg zum Thema der Vorladung und ob Sie erscheinen müssen: 

Wenn Sie eine polizeiliche Vorladung erhalten, müssen Sie zuerst einmal sehr genau den Brief lesen um herauszufinden, ob Sie der Vernehmung fernbleiben dürfen.  Hintergrund ist eine Gesetzesänderung  (für Interessierte: §163a Abs.2 S.1 Strafprozessordnung), durch die die Staatsanwaltschaft Ihr erscheinen nunmehr anordnen darf.

Wenn die Staatsanwaltschaft diese Anordnung trifft, was sich aus dem Brief ergibt, können und werden Sie bei Nichterscheinen durch Zwang von der Polizei vorgeführt werden.

Wenn es lediglich eine einfache polizeiliche Vorladung ist, dürfen Sie, müssen aber nicht erscheinen.


Und jetzt? Reden oder Schweigen?

Ganz egal ob Sie von der Polizei selbst vorgeladen sind, von der Polizei durch Anordnung der Staatsanwaltschaft vorgeladen sind oder ob Sie gerade Beamte vor Ihrer Tür stehen haben: 

Sie haben das Recht, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen oder aber zu schweigen.

Meine grundsätzliche Empfehlung hierzu ist, dass Sie zunächst schweigen. 

Vor der Vernehmung sollten Sie dringend eine Unterredung mit einem Anwalt führen oder eine solche bei Vernehmung vor Ort verlangen. Erst nach Abstimmung mit einem Anwalt (und nur dann!) sollten Sie reden.

Der fleissige Gesetzgeber hat nicht umsonst vor kurzem neu geregelt, dass Sie nunmehr jederzeit, d.h. auch schon vor der Vernehmung, einen Verteidiger befragen dürfen. Beamte müssen Sie auch auf anwaltliche Notdienste hinweisen. Ihr Anwalt kann dabei je nach Verfahrensstand beispielsweise Akteneinsicht beantragen und die Beweis- und Verdachtslage gegen Sie prüfen oder aber eine Einschätzung der in dem Moment voraussichtlichen Beweis- und Verdachtslage vornehmen. Ihr Anwalt weiss, wie die Ermittlungen funktionieren und wie sie weitergehen werden. Wenn Sie ohne Rücksprache mit einem Anwalt mit den Beamten reden, können Sie sich nämlich sehr schnell und ungewollt selbst sabotieren und letztlich für Ihre eigene Verurteilung sorgen!

Wenn Sie beispielsweise um 21 Uhr betrunken in den Graben gefahren sind, aber von der Polizei erst zufällig um 3 Uhr morgens mit etwas Restalkohol dort gefunden werden:

Schweigen Sie! Auch wenn Sie denken Sie wurden "ertappt". Zwingen Sie sich dazu, nicht  schon vor dem ersten "Hallo" der Beamten wie ein Wasserfall "loszuplappern".  Verlangen Sie stattdessen direkt nach einer Unterredung mit einem Anwalt. 

Und auch wichtig: Lassen Sie sich nicht auf Smalltalk ein, denn für spätere Fragen der Strafzumessung spielen auch persönliche Aspekte eine Rolle, die Sie ungewollt preisgeben könnten!

Ihnen entstehen durch Ihr Schweigen auch keine Nachteile. Den Beamten sollten Sie dann im Übrigen auch immer die Beauftragung und die Daten Ihres Verteidigers mitteilen. 


Wenn Sie sich meinem Rat entsprechend für schweigen entscheiden, aber keinen Anwalt beauftragen wollen oder schlicht noch nicht dazu gekommen sind, dann beachten Sie bitte folgendes: 

Sie müssen den Beamten immer die Pflichtangaben nach §111 OWiG mitteilen. Diese sind Ihre Vor-, Familien- oder Geburtsnamen, der Ort und Tag der Geburt, der Familienstand, der Beruf, der Wohnort, die Adresse und Ihre Staatsangehörigkeit.

Im Falle einer "einfachen" Vorladung durch die Polizei können Sie die Daten telefonisch den Beamten durchgeben und diesen mitteilen, dass Sie im Übrigen schweigen und den Termin nicht wahrnehmen werden. Bei Vorladung durch die Staatsanwaltschaft erscheinen Sie und teilen diesen bitte mit, dass Sie schweigen und nur die Pflichtangaben machen. Den Beamten, die beispielsweise an Ihrer Haustür vor Ort stehen, nennen Sie ebenfalls einfach nur diese Daten auf deren Anfrage und teilen Ihnen mit, dass Sie im Übrigen keine Angaben machen werden. 

Und nicht vergessen: Keinen Smalltalk führen und kein "losplappern". Nur weil Sie denken man habe Sie "ertappt", sind Sie es noch lange nicht! Dazu möchte ich anmerken, dass den Beruf zu nennen übrigens nur bedeutet, dass Sie Ihre Berufsbeschreibung nennen (z.B. Schiffsschaukelbremser, Versicherungsvertreter) und nicht, dass Sie Verdienstangaben machen müssen. Diese können wiederum Strafzumessungsrelevant sein.


Wenn Sie meinem Rat gar nicht folgen möchten und mit den Beamten ohne vorherige anwaltliche Beratung reden wollen,  beachten Sie bitte folgendes:

Sie können sich hiermit sehr schnell selbst Schaden, auch wenn Sie die Vorwürfe in der Angelegenheit damit ausräumen wollen. Dies gilt insbesondere dann, wenn Sie teilweise reden und dann plötzlich bei unangenehmen Fragen schweigen, weil ein solches Teilschweigen zu Ihren Lasten gehen kann.

Ermittlungs- und Gerichtsverfahren sind ein wenig wie "stille Post". Egal wie überzeugend Sie den Vorwurf Ihrer Ansicht nach ausräumen können oder für wie glaubwürdig Sie sich selbst halten, auf dem Papier sieht es schnell anders aus. Ob man Ihnen glaubt oder nicht, liegt nicht in Ihrer Hand. Das Papier ist aber für die Frage, ob etwa eine Anklage gegen Sie durchgeführt wird entscheidend. 

Genauso schnell ist Ihre Einlassung als Schutzbehauptung widerlegt oder man glaubt Ihnen aufgrund anderer Beweise ihre Einlassung nicht. Durch Ihr reden haben Sie sich unter Umständen sogar erst sicher mit dem Tatort oder den Vorwürfen verknüpft. 

Überlegen Sie sich also bitte sehr genau, ob Sie die richtige Entscheidung getroffen haben. Diese Entscheidung könnte Sie viel teurer zu stehen kommen als die Beauftragung eines Anwalts. 


Zusammenfassend: Schweigen Sie zunächst und klären Sie alles Weitere mit einem Anwalt. 

Nur so fällt das Kind gar nicht erst in den Brunnen!


Wenn Sie plötzlich Beamte vor der Tür haben, erreichen Sie mich 24/7 unter der  +49 1573 90 72 454. In allen anderen Fällen erreichen Sie mich auch gerne über meine auf anwalt.de hinterlegten Kontaktdaten oder meine Internetseite ms-rechtsanwalt.de.


Viele Grüße und bleiben Sie schweigsam, 


Ihr Rechtsanwalt Martin Scheibner


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