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Was tun, wenn das Erbe überschuldet ist?

  • 7 Minuten Lesezeit
Ferdinand Mang anwalt.de-Redaktion

Ist das Erbe überschuldet, kann der Erbe es ausschlagen, ein Nachlassverwaltungs- oder Nachlassinsolvenzverfahren beantragen und damit drohende Schulden abwenden. Hat der Erbe aufgrund eines Irrtums die Ausschlagungsfrist verpasst oder das Erbe angenommen, kann er die Annahme noch anfechten. Die Möglichkeit einer Anfechtung sollte man dann in Erwägung ziehen und prüfen, wenn die zweijährige Frist für ein Nachlassverwaltungs- oder Nachlassinsolvenzverfahren bereits abgelaufen ist, da die Anfechtung noch bis zu 30 Jahre nach Annahme der Erbschaft erklärt werden kann.

Wer Erbe wird, der tritt in all die Rechte, aber auch in alle Pflichten des Erblassers ein. Der Erbe übernimmt daher auch die Schulden, wenn der Erblasser sich verschuldet hat. Der Erbe haftet für diese Schulden mit seinem gesamten Vermögen. Konnten Gläubiger vollstreckbare Urteile gegen den Erblasser erwirken, können sie diese sogar auf den Erben umschreiben lassen. Der Erbe hat jedoch Möglichkeiten, um sich vor solchen Überraschungen zu schützen:

Erbe ausschlagen

Übersteigen die Schulden das Nachlassvermögen oder möchte man aus sonstigen Gründen das Erbe nicht annehmen, kann man dieses ausschlagen: Mit der Ausschlagung verzichtet der Erbe auf das Erbe, ist also kein Erbe mehr und haftet auch nicht mehr für die Schulden des Erblassers. Bei der Ausschlagung muss der Erbe die Ausschlagungsfrist einhalten. Diese beträgt sechs Wochen und beginnt ab dem Zeitpunkt, ab dem der Erbe von dem Tod des Erblassers und von seiner Erbschaft erfährt. Die Ausschlagung kann entweder zur Niederschrift des Nachlassgerichts erfolgen oder durch Erklärung in öffentlich beglaubigter Form, zum Beispiel durch notariell beglaubigte Erklärung. Im ersteren Fall vereinbart man bei dem zuständigen Nachlassgericht – das ist das Gericht, bei dem der Erbe seinen Hauptwohnsitz hat und kann bei einem Gericht in der Nähe erfragt werden – einen Termin. Bei diesem Termin protokolliert ein Rechtspfleger die Ausschlagung. Im zweiten Fall vereinbart man einen Termin mit einem Notar, allerdings fallen dabei gesondert Notargebühren an. Diese notariell beglaubigte Erklärung muss innerhalb der Ausschlagungsfrist an das zuständige Nachlassgericht zugehen. 

Anfechtung der Annahme

Wird die sechswöchige Frist verpasst, gilt das Erbe als angenommen. Allerdings besteht die Möglichkeit, die Fristversäumung der Ausschlagung anzufechten, wenn man die Frist aufgrund eines Irrtums versäumt hat. So zum Beispiel, weil der Erbe die Folgen des Fristablaufs nicht kannte oder den Fristablauf selbst nicht kannte bzw. sich darüber irrte. Hat man das Erbe angenommen, da man die Überschuldung des Erbes nicht kannte, kann man ebenfalls die Annahme noch anfechten. Die Anfechtung selbst hat wiederum – wie die Ausschlagung – zur Niederschrift des Nachlassgerichts zu erfolgen oder durch Erklärung in öffentlich beglaubigter Form, zum Beispiel ebenfalls durch notariell beglaubigte Erklärung. Die Anfechtungsfrist beträgt sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, ab dem der Anfechtungsberechtigte, also der Erbe, von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat. Die Anfechtung ist erst ausgeschlossen, wenn seit der Annahme bzw. dem Verstreichen der Ausschlagungsfrist 30 Jahre vergangen sind. Das heißt, erfährt man erst 29 Jahre nach Ablauf der Anfechtungsfrist von dem Irrtum, weshalb man die Ausschlagungsfrist verpasst bzw. nicht wahrgenommen hat, kann man die Annahme immer noch anfechten und sich von einem etwaigen „schweren“ Erbe befreien.

Aufgebotsverfahren

Allerdings ist für den Erben, wenn er von dem Erbfall erfährt, oft nicht klar, wie hoch diese Schulden sind. Um sich einen Überblick über die Vermögensverhältnisse zu verschaffen, kann der Erbe zunächst ein sogenanntes Aufgebotsverfahren durchführen. Im Rahmen dieses Verfahrens werden die Nachlassgläubiger aufgefordert, ihre Forderungen anzumelden. Dieses Verfahren hat zudem den Vorteil, dass Gläubiger, die ihre Forderung nicht anmelden, nach Ablauf von fünf Jahren seit dem Erbfall diese nicht mehr durchsetzen können, da dann der Erbe die sogenannte Verschweigungseinrede erheben kann.

Werden durch dieses Verfahren Nachlassgläubiger ausgeschlossen, ist die Haftung des Erben auf den Nachlass beschränkt. Das heißt, reicht das Erbe für diese Gläubiger nicht aus, muss der Erbe nichts aus seinen eigenen Vermögen zahlen. Allerdings kann der Erbe auf diese Weise keine Haftungsbeschränkung gegen sämtliche Gläubiger erlangen. So sind – neben den durch das Aufgebotsverfahren nicht ausgeschlossenen Gläubigern – insbesondere Pfandgläubiger, das sind Gläubiger, denen zur Sicherheit ihrer Forderung eine Sache als Pfand übergegeben wurde, und diesen im Insolvenzverfahren gleichgestellte Gläubiger von der Haftungsbeschränkung ausgenommen.

Nachlassverwaltung

Ist der Nachlass unübersichtlich und eine Überschuldung nicht bekannt, aber nicht ausgeschlossen, kann der Erbe die Nachlassverwaltung beantragen, um für den Erben eine Haftungsbeschränkung gegenüber sämtlichen Nachlassgläubigern herbeizuführen. Hierzu ist ein Antrag des Erben an das Nachlassgericht zu stellen, mit dem Inhalt, über den Nachlass die Nachlassverwaltung anzuordnen. Der Antrag muss aber innerhalb von zwei Jahren nach Annahme der Erbschaft gestellt werden. Das Nachlassgericht bestimmt mit der Anordnung zugleich einen Nachlassverwalter. Das Nachlassgericht lehnt den Antrag ab, wenn das Vermögen des Nachlasses für die Gerichtskosten und Vergütung des Verwalters nebst Auslagen nicht ausreicht.

Wird dem Antrag entsprochen und ein Nachlassverwalter bestellt, ist zwar der Erbe von der Haftung befreit, darf aber nicht mehr über den Nachlass verfügen. Die Nachlassgläubiger können sich aber nur noch am Nachlass befriedigen. Zudem kann der Nachlassverwalter selbst ein Aufgebotsverfahren durchführen. Sind sämtliche Verbindlichkeiten erfüllt und alle Nachlassgläubiger befriedigt, erhält der Erbe den verbliebenen Nachlass zurück bzw. darf wieder frei darüber verfügen.

Wird aber der Antrag mangels Masse, also wegen zu geringen Vermögens, abgelehnt, kann der Erbe sich von der Haftung ebenfalls befreien: soweit der Nachlass zur Abgeltung der Schulden nicht ausreicht, kann sich der Erbe auf die sogenannte Dürftigkeitseinrede berufen. Ist also der Nachlass aufgrund von Zahlungen an die Nachlassgläubiger bereits verbraucht, kann der Erbe die weitere Zahlung von Forderungen an die Nachlassgläubiger verweigern.

Nachlassinsolvenzverfahren

Erlangt der Erbe Kenntnis, dass die Schulden des Nachlasses das Vermögen übersteigen, also eine Überschuldung vorliegt, so muss er unverzüglich einen Antrag auf Nachlassinsolvenz bei dem zuständigen Amtsgericht stellen. Unverzüglich heißt ohne schuldhaftes Zögern, das heißt, der Erbe hat, sobald er Kenntnis von der Überschuldung des Nachlasses hat, umgehend den Antrag zu stellen. Kommt der Erbe dieser Pflicht nicht nach, macht er sich schadensersatzpflichtig. 

Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Erblasser seinen Wohnsitz hatte. War der Erblasser selbstständig, dann ist als Ort der Mittelpunkt seiner wirtschaftlichen Tätigkeit maßgeblich. Der Antrag ist aber auch nicht mehr zulässig, wenn seit der Annahme der Erbschaft zwei Jahre vergangen sind.

Wird das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet, wird ein Insolvenzverwalter bestellt und treten dieselben Folgen ein wie im Falle der Nachlassverwaltung, insbesondere ist der Erbe von der Haftung befreit. Wird auch hier der Antrag mangels Masse abgelehnt, kann sich der Erbe ebenfalls auf die Dürftigkeitseinrede berufen.

Haftungsfallen

Vorsicht: Nachlassgläubiger haben die Möglichkeit, einen Antrag bei dem Nachlassgericht zu stellen, dem Erben eine Frist zur Errichtung eines Inventars (Inventarfrist) zu bestimmen. In diesen Fall hat der Erbe innerhalb der gesetzten Frist ein Verzeichnis über alle vorhandenen Gegenstände und Verbindlichkeiten zu erstellen. Zu den Verbindlichkeiten zählen Schulden und Forderungen, wie zum Beispiel Kredite und Guthaben auf Konten. Allerdings muss der Erbe hierbei eine zuständige Behörde bzw. die zuständigen Beamten oder einen Notar hinzuziehen. Da die Zuständigkeit von Bundesland zu Bundesland variiert, kann die zuständige Behörde bei dem zuständigen Nachlassgericht erfragt werden.

Versäumt der Erbe diese Frist, haftet er für sämtliche Nachlassverbindlichkeiten, also für alle Schulden des Erblassers unbeschränkt mit seinem gesamten Vermögen. Der Erbe haftet ebenfalls unbeschränkt, wenn eine sogenannte Inventaruntreue vorliegt. Eine solche Inventaruntreue ist gegeben, wenn der Erbe das Inventarverzeichnis mit Absicht erheblich unvollständig führt, also zum Beispiel wertvolle Schmuckstücke geheim hält und nicht im Verzeichnis auflistet. Weiter kann ein Nachlassgläubiger verlangen, dass der Erbe die Richtigkeit des Nachlassverzeichnisses zu Protokoll vor dem Nachlassgericht an Eides statt versichert. Weigert sich der Erbe oder erscheint nicht zum Termin, haftet er gegenüber dem Nachlassgläubiger unbeschränkt. Wer bewusst wahrheitswidrige Angaben macht, macht sich strafbar und kann mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden.

Wird dem Erben eine Frist zur Inventarerrichtung gesetzt, ist es für den Erben empfehlenswert, bei dem Nachlassgericht einen Antrag auf amtliche Inventaraufnahme durch einen vom Nachlassgericht beauftragten Notar zu stellen. Denn mit Stellung dieses Antrags wird die Inventarfrist gewahrt.

Aber auch bei diesem Vorgehen ist achtzugeben, wenn den Erben in diesen Verfahren vom Nachlassgericht eine Frist zur Auskunft gesetzt wird. Erteilt der Erbe die Auskunft mit Absicht unzureichend, erheblich verzögert oder verweigert er diese, dann kann dies ebenfalls eine Inventaruntreue darstellen, mit der Folge, dass der Erbe ebenfalls für alle Schulden des Erblassers unbeschränkt mit seinen gesamten Vermögen haftet. Allerdings kann der Erbe auch in diesen Fällen der unbeschränkten Haftung ein Nachlassinsolvenzverfahren durchführen.

(FMA)

Foto(s): @fotolia.com

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