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Wenn der Schock tief sitzt - Schmerzensgeld für Schockschäden

  • 3 Minuten Lesezeit
Esther Wellhöfer anwalt.de-Redaktion

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Erfährt man von einem tödlichen Unfall oder Unglück eines nahen Angehörigen, ist der Schock zumeist tief. Manch ein Familienmitglied gerät körperlich oder seelisch aus der Bahn und wird durch den Verlust sogar nachweislich krank. In besonders extremen Fällen gestehen die Gerichte im Schadensersatz- und Schmerzensgeldrecht einen Schmerzensgeldanspruch für seelischen Schmerz zu. Die Anforderungen sind jedoch hoch, weil dies eine Ausnahme von der Regel darstellt. Die Redaktion von anwalt.de informiert, wann bei Schockschäden ein solcher Anspruch besteht.

Schockschaden als Ausnahmeanspruch

In der Regel wird bei einem Unglück oder einem Unfall Schadensersatz und Schmerzensgeld nur für die daran beteiligten Personen gewährt. Mit dem Schadensersatz bzw. dem Schmerzensgeld für einen sog. Schockschaden wird diese Grundregel durchbrochen. Allerdings wird ein entsprechender Anspruch Dritten, die nur mittelbar vom Unfall oder Unglück betroffen sind, nur unter strengen Voraussetzungen zugesprochen.

Folgen als Gesundheitsschaden

Als Schockschaden wird allgemein eine seelische Erschütterung verstanden, die darauf beruht, dass ein an dem Unfall selbst nicht Beteiligter bzw. nicht Verletzter durch das Miterleben des Unfalls und des Anblicks der Unfallfolgen oder durch die Nachricht seelische Erschütterungen erleidet. Der Anspruch fußt letztlich also auf einer Gesundheitsverletzung. Bei einem Schockschaden handelt es sich dabei nicht um den Schaden eines Dritten, sondern um einen eigenen Gesundheitsschaden. Folgende Voraussetzungen müssen für einen Schmerzensgeldanspruch bei einem Schockschaden erfüllt sein:

  • Der Ersatzanspruch für einen Schockschaden ist auf nahe Angehörige beschränkt.
  • Die Gesundheitsschäden müssen den Rahmen überschreiten, der üblicherweise bei einem solchen Erlebnis auftritt. Die psychische Reaktion muss einen eigenständigen Krankheitswert haben und das menschlich nachvollziehbare Maß überschreiten.
  • Weiter muss der Anlass verständlich sein und einen solchen schwerwiegenden Schock auslösen können, entscheidend ist hier das durchschnittliche Empfinden.

Nur für nahe Angehörige

Zunächst kommt ein Anspruch auf Schmerzensgeld nur bei Schockschäden naher Angehöriger der schwer oder tödlich verunglückten infrage. In den meisten Fällen sind das die Eltern, Ehegatten und eventuell auch die Kinder. Die Gerichte sind hier sehr streng, eben weil es sich um einen Ausnahmetatbestand handelt. Deshalb hat beispielsweise das Amtsgericht (AG) Oberhausen einer Frau, die dabei war, als eine befreundete Nachbarin angefahren wurde, kein Schmerzensgeld zugesprochen. Allein die Freundschaft und auch, dass sich die Frau selbst nur mit einem beherzten Sprung damals retten konnte, ließ der Richter nicht gelten. Zudem war die Nachbarin bei dem Unfall nur leicht verletzt und einen Tag ambulant im Krankenhaus behandelt worden.

(AG Oberhausen, Urteil v. 30.01.2014, Az.: 37 C 2749/12)

Pathologische Erkrankung

Die seelische Erschütterung muss zudem einen eigenen Krankheitswert haben und über die Erschütterung hinausgehen, die üblicherweise bei entsprechenden gravierenden Unfällen bzw. Todesnachrichten eintritt. Dies muss entsprechend ärztlich dokumentiert werden. Über einen solch schwerwiegenden Schicksalsschlag musste das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg entscheiden. Alle drei Kinder eines Ehepaares waren bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt. Durch die Nachricht, dass ihre Kinder tot sind, veränderte sich das Leben der Eltern grundlegend. Unter den schwersten psychischen und physischen Schäden litten beide bis zum Prozessende noch. Der Vater befand sich seit dem Unfall in psychiatrischer Behandlung, war immer wieder in der Klinik und arbeitsunfähig. Die Ehefrau, die ihn betreute, musste ihre berufliche Tätigkeit weitgehend einschränken und war schließlich gekündigt worden, weil sie ständig krank war. Das Gericht attestierte beiden schwerste Depressionen mit Krankheitswert, die zudem eindeutig auf den Unfall zurückzuführen waren. Es sprach ihnen ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 DM bzw. 20.000 DM zu.

(OLG Nürnberg, Urteil v. 01.08.1995, Az.: 3 U 468/95)

Allgemeines Lebensrisiko

Anders fiel jedoch das Ergebnis des OLG Hamm in folgendem Fall aus: Nachdem sie von der Polizei erfahren hatte, dass ihr Ehemann auf der Autobahn bei einem Unfall verstorben ist, fiel eine Schwangere in einen Schockzustand. Der zeigte sich zum Beispiel durch Schweißausbrüche, rasenden Puls, Beinzittern und eine vorübergehende Wehentätigkeit. Hier lehnten die Richter einen Schmerzensgeldanspruch ab, weil die körperlichen Folgen laut ihrem Arzt auf einer noch als normal anzusehenden Trauerreaktion fußten. Deshalb waren diese Reaktionen allgemein also noch dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen, so das OLG.

(OLG Hamm, Urteil v. 22.02.2001. Az.: 6 U 29/00)

(WEL)

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