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Wer lügt, ist schlecht versichert

  • 7 Minuten Lesezeit
Esther Wellhöfer anwalt.de-Redaktion

Das Sprichwort „Ehrlich währt am längsten" gilt nicht nur im Alltag, sondern bewahrheitet sich auch für den Versicherungsschutz. Denn vorsätzliche Falschangaben können dazu führen, dass man seinen Anspruch auf Leistungen aus einem Versicherungsvertrag verliert. Einen Klassiker in diesem Feld stellt zweifelsohne die Kfz-Versicherung dar. Der anwalt.de-Rechtstipp beleuchtet anhand vier typischer Gerichtsfälle die Folgen in Hinblick auf den Versicherungsschutz.

[image]Fall 1: Das gestohlene Motorrad

In Widersprüche verwickelte sich ein Motorradfahrer. Er meldete sein Motorrad bei dem Versicherer als gestohlen. Allerdings widersprach er sich selbst, was das Datum anbelangt, an dem er das Kraftrad abgestellt hatte und auch bezüglich des Zwecks der Fahrt zum Abstellort. Als der Versicherer dies anhand des Schadenbogens bemerkte, verweigerte er die Leistungen aus der Kfz-Versicherung, die ja nicht nur Schäden von Verkehrsunfällen, sondern auch Diebstahlschäden absichert. Nachdem das Amtsgericht in erster Instanz der Versicherung Recht gab, musste sich schließlich das Landgericht Dortmund im Berufungsverfahren mit der Sache befassen.

Gemäß den Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) ist ein Versicherungsnehmer dazu verpflichtet, im Versicherungsfall alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann. Er muss im Rahmen seiner Aufklärungspflicht den Schadenshergang vollständig und zutreffend schildern und ebenfalls die Fragen der Versicherung wahrheitsgemäß beantworten. Allerdings besteht diese Obliegenheit für den Versicherungsnehmer nur in seinem eigenen Wahrnehmungsbereich, d.h. also nur in Hinblick auf das Geschehen, von dem er auch tatsächlich Kenntnis hat.

Im vorliegenden Fall hatte sich der Versicherungsnehmer in Widersprüche bei dem Ablauf zum Abstellen des Motorrads verstrickt, also bei Situationen, von denen er Kenntnis haben musste. Zum Beispiel hatte er bei der Polizei ein falsches Datum angegeben und was seine Gründe anbelangt, warum er das Fahrzeug am Abstellort auf offener Straße und nicht in der Nähe seiner Wohnung abgestellt hatte. Diese dubios erscheinenden Aussagen des Motorradbesitzers wertete die Zweite Zivilkammer als vorsätzliche Falschangaben. Auch den folgenden Prüfungspunkt bejahten die Richter, nämlich die Relevanz der Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers bezüglich einer Gefährdung der Interessen des Versicherers: Falschangaben zum Rahmengeschehen stellen generell eine Gefährdung seiner Interessen dar, denn hierdurch ist es dem Versicherer nicht mehr möglich, das Vortäuschen eines Diebstahls oder die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer zu beweisen. Daher bestätigte das Landgericht Dortmund die Vorinstanz und wies die Berufung des Versicherungsnehmers ab. (Urteil v. 19.08.2009, Az.: 2 S 41/08)

Fall 2: Autodiebstahl in Polen

Ein ausgetauschter Tacho wurde einem Autobesitzer zum Verhängnis. In Polen war ihm sein Fahrzeug gestohlen worden. In der Schadensanzeige gab er eine Laufleistung mit „circa 130.000 Kilometer" an. Dabei hatte das Fahrzeug bereits ein Jahr zuvor, als der Tacho ausgewechselt wurde, einen Kilometerstand von 130.000. Der Versicherer erfuhr davon und verweigerte wegen der Falschangaben die Leistung. Schließlich musste das Landgericht Coburg den Sachverhalt prüfen.

Bei Falschangaben ist es entscheidend, ob diese das Interesse der Versicherung beeinträchtigen. Daher können auch Falschangaben über die Laufleistung eines Pkw eine derart schwerwiegende Obliegenheitsverletzung darstellen, dass die Versicherung nicht mehr leisten muss. Denn die Laufleistung eines Fahrzeugs hat auch Auswirkungen auf seinen Wert im Rahmen der Schadensabwicklung.

Die Richter werteten die Falschangaben als Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers. Dabei half ihm auch nicht, dass er die Laufleistung mit „circa" angegeben hatte. Denn ihm konnte nachgewiesen werden, dass seine Angaben erheblich, weit mehr als 10 Prozent von dem tatsächlichen Kilometerstand abwichen. Zum einen war er in dem einen Jahr zweimal mit dem Auto nach Polen gefahren und hatte damit mindestens 4.000 Kilometer zurückgelegt. Zum anderen hatte sein Sohn den Wagen für Fahrten zu seiner Arbeit genutzt, was mindestens weitere 9.680 Kilometer bedeuten musste. Da diese Abweichung derart eklatant war, ging das Landgericht von einem erheblichen Verschulden des Klägers aus und bestätigte die Leistungsfreiheit des Versicherers. (Urteil v. 23.03.2007, Az.: 14 O 122/07)

Fall 3: Nachträgliche Wahrheitsliebe

Für einen gestohlenen Pkw forderte ein Gebrauchtwagenhändler von seiner Versicherung den Wiederbeschaffungswert. Weil er nach Ansicht des Kaskoversicherers vorsätzlich falsche Angaben zu Laufleistung und Vorschäden in der Schadensmeldung gemacht hat, weigerte sich der Versicherer den Schaden zu ersetzen. Nachträglich korrigierte der Autohändler seine Angaben. Doch lässt eine nachträgliche Berichtigung falscher Angaben den Verstoß gegen die Aufklärungspflicht wieder entfallen? Das war die Frage, über die schließlich der Bundesgerichtshof (BGH) zu befinden hatte. Grundsätzlich ist diese Frage umstritten und lässt sich nur anhand der genauen jeweiligen Fallgestaltung beurteilen.

Also nahmen die Richter den konkreten Einzelfall genau unter die Lupe. Zunächst besteht hierbei grundsätzlich ein erheblicher juristischer Unterschied, ob es um das Nachholen fehlender Angaben, die Ergänzung unvollständiger Angaben, das Nachreichen von Angaben oder - wie in diesem Fall - um die Berichtigung falscher Angaben geht. Werden Angaben so schnell berichtigt, dass die Richtigstellung bereits vorliegt, wenn sich der Versicherer erstmals mit dem Vorgang befasst, dann entfällt bereits der objektive Tatbestand. Es liegt dann also von vornherein keine vorsätzliche Verletzung der Aufklärungsobliegenheit vor. Weiter kann einen Berichtigung falscher Angaben aus versicherungsrechtlicher Sicht den Vorsatz entfallen lassen, etwa wenn das Gericht darauf schließen kann, dass die Falschangaben auf einen Irrtum des Versicherungsnehmers zurückzuführen sind. Darüber hinaus kann sich der Versicherer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf die Verletzung der Aufklärungsobliegenheit berufen, wenn ihr Zweck durch die Korrektur der Angaben schließlich doch erreicht wird. Hier spielt eine entscheidende Rolle, ob der Versicherungsnehmer dem Versicherer den wahren Sachverhalt aus eigenem Antrieb, vollständig und eindeutig offenbart. Dies muss der Versicherungsnehmer dann beweisen. Gelingt ihm das nicht oder ist bereits ein Schaden beim Versicherer eingetreten, bleibt es dagegen bei der Leistungsfreiheit.

Demzufolge bewerteten die Richter das Verhalten des Gebrauchtwagenhändlers zu seinen Lasten. Denn er hatte die Falschangaben erst berichtigt als der Versicherer bereits mit der Sachbearbeitung begonnen, ihm einen weiteren Fragebogen und zusätzlich ein Erledigungsschreiben zugesandt hatte. Darüber hinaus machte er auch im Fragebogen missverständliche und unvollständige Angaben. Zu den Vorschäden trug er im Fragebogen „nicht bekannt siehe DAT" ein. Die Beweislage hatte jedoch eindeutig ergeben, dass ihm die Vorschäden des Fahrzeugs sehr wohl bekannt waren. Weil weitere Widersprüche im Prozess an den Tag kamen, hätte der Gebrauchtwagenhändler sich mit entsprechenden Beweisen entlasten müssen. Da ihm dies nicht gelang, gab der Bundesgerichtshof wegen vorsätzlichen Verstoßes der Aufklärungsobliegenheit schließlich dem Versicherungsunternehmen Recht. (Urteil v. 05.12.2001, Az.: IV ZR 225/00)

Fall 4: Entlarvende Fahrzeugtechnik

Mit einem mysteriösen Verkehrsunfall musste sich der Bundesgerichtshof befassen. Ein Auto war ohne Beteiligung eines anderen Fahrzeugs ins Schleudern und von der Straße abgekommen. Ein Zeuge, der kurz nach dem Unfall eintraf, fand den Versicherungsnehmer allein im Fahrzeug vor und half dem Mann, der bei dem Unfall Prellungen, Schürfwunden und ein leichtes Schädelhirntrauma davontrug. Noch in der Nacht wurde eine Blutprobe entnommen und eine Blutalkoholkonzentration (BAK) mit einem Wert von 1,7 Promille festgestellt. In der folgenden Schadensmeldung tischte der Mann seinem Kfz-Versicherer eine abenteuerliche Geschichte auf: Angeblich sei der Wagen von einem Unbekannten gesteuert worden, den er zuvor in der Disko kennen gelernt hatte. Er selbst sei bei dem Unfall unangeschnallt gewesen und habe nur als Beifahrer im Fahrzeug gesessen. Aufgrund der bei dem Verkehrsunfall erlittenen Kopfverletzung und einer nachträglich eingetretenen Amnesie sei es ihm im Nachhinein nicht mehr möglich, sich an den Unfall und an die Identität des unbekannten Fahrers zu erinnern.

Doch die Sache flog schließlich dank eines Gutachtens eines von der Versicherung beauftragten Sachverständigen auf. Denn es kam zu dem Ergebnis, dass sich der Airbag nur auf der Fahrerseite gelöst hatte und nicht auf der Beifahrerseite. Die automatische Sitzbelegungserkennung wurde dem Kläger zum Verhängnis. Denn bei einem Sitzplatzerkennungssystem wäre der Airbag auf dieser Seite tatsächlich nur ausgelöst worden, wenn auf dem Beifahrersitz zum Zeitpunkt des Unfalls auch tatsächlich eine Person gesessen hätte. Ob dies im vorliegenden Fall eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls darstellt, ließ der Bundesgerichtshof offen. Ausschlaggebend war das Vorbringen des Klägers, er habe nach dem Unfall durch eine Amnesie nachträglich seine Erinnerung an den Unfallhergang wieder verloren. Zwar kann eine Amnesie aus juristischer Sicht grundsätzlich den Vorwurf vorsätzlichen Handelns gegebenenfalls entkräften. Weil sich der Versicherungsnehmer aber auf eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung i.S.v. § 827 BGB berief, hätte er zu seiner Entlastung die Ursache für den nachträglichen Gedächtnisverlust beweisen müssen. Als ihm dies nicht gelang, werteten die Richter die auch nach einem entsprechenden medizinischen Sachverständigengutachten noch bestehenden Zweifel bezüglich des nachträglichen Erinnerungsverlustes zu seinen Ungunsten. Sie bestätigten die Vorinstanz und sprachen den Versicherer wegen vorsätzlichen Verstoßes des Versicherungsnehmers gegen seine Aufklärungsobliegenheit von der Leistung frei. (Urteil v. 13.12.2006, Az.: IV ZR 252/02)

Sollten Sie einmal in einen Verkehrsunfall verwickelt sein, ist es - gerade wenn man selbst einen Fehler begangen hat - besonders wichtig, rechtlich auf der sicheren Seite zu sein. Denn wer nicht ehrlich ist, dem versagt das Gesetz nicht nur den Versicherungsschutz. In gravierenden Fällen steht dann sogar eine Strafbarkeit wegen Betrugs im Raum. Mit einem Anwalt sind selbstverständlich ebenfalls Unfallopfer gut beraten. Denn für sie können widersprüchliche Aussagen der Beteiligten erhebliche Folgen für ihren Schadensersatzanspruch haben. Ein Rechtsanwalt kann weiterhelfen und Ihnen mit fachkundigem Rat zur Seite stehen.

(WEL)

Foto(s): ©iStockphoto.com

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