Wissenswertes zum Jugendstrafrecht – eine Einführung

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Ob Jugendstrafrecht oder Erwachsenenstrafrecht zur Anwendung kommt, hängt vom Alter des Jugendlichen ab. Während das Erwachsenenstrafrecht auf die Bestrafung des Täters ausgerichtet ist, orientieren sich die Rechtsfolgen im Jugendstrafrecht vorrangig am Erziehungsgedanken. Doch wann kommt Jugendstrafrecht zur Anwendung, wo ist es geregelt und was sind die Rechtsfolgen?

Wann kommt das Jugendstrafrecht zur Anwendung?

Maßgeblich dafür, ob Erwachsenenstrafrecht oder Jugendstrafrecht angewendet wird, ist die Unterscheidung zwischen Erwachsenen, Jugendlichen und Heranwachsenden. Grundsätzlich gilt Jugendstrafrecht für Jugendliche zwischen dem 14. und dem 17. Lebensjahr. Voraussetzung ist nach § 3 JGG (Jugendgerichtsgesetz), dass ein Jugendlicher nur dann strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn er im Zeitpunkt der Tat nach seiner geistigen und sittlichen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen und einsichtig zu handeln. Fehlt es an dieser geistigen und sittlichen Reife, kann von einer Bestrafung abgesehen werden.

Für Heranwachsende im Alter zwischen 18 und 20 Jahren kommt Jugendstrafrecht nur zur Anwendung, wenn der Entwicklungsstand des Angeklagten oder Beschuldigten eher einem Jugendlichen als einem Erwachsenen entspricht, oder wenn es sich, gemessen an den Umständen und an den Beweggründen der Tat, um eine Jugendverfehlung handelt. Eine Reifeverzögerung oder ein unfertiger, ungefestigter Charakter können beispielsweise durch das Aufwachsen in einem Heim, das Fehlen familiärer Bindungen, Drogenkonsum, Unselbstständigkeit und eine fehlende Lebensperspektive begründet sein. Ansonsten wird der Jugendliche grundsätzlich nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt. Die Abweichung vom Grundsatz ist in § 105 Abs. 1 JGG gesetzlich normiert. Die Entscheidung bezüglich des Entwicklungsstands trifft das zuständige Gericht, wobei für die Beurteilung der Zeitpunkt der Tat maßgeblich ist. Ab dem 21. Geburtstag gelten Heranwachsende als Erwachsene, sodass das allgemeine Strafrecht angewendet wird.

Welche Rechtsgrundlagen gelten für das Jugendstrafrecht?

Rechtsgrundlage für das Jugendstrafrecht ist das Jugendgerichtsgesetz (JGG). Es gilt für Jugendliche und Heranwachsende, die strafbare Handlungen oder Unterlassungen begehen, wobei im Jugendstrafrecht von sogenannten Verfehlungen gesprochen wird. Mit Verfehlungen sind alle im Strafgesetzbuch (StGB) genannten Vergehen und Verbrechen gemeint, insbesondere das Straßenverkehrsgesetz (StVG) und das Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Neben den strafrechtlich relevanten Tatbeständen gibt es Regelungen, in denen der Ablauf des Jugendgerichtsverfahrens festgeschrieben ist. Sie finden sich in der Strafprozessordnung (StPO), im Jugendgerichtsgesetz (JGG) und im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG).

Wer ist für das Jugendstrafverfahren zuständig?

Zuständig für ein Jugendstrafverfahren ist regelmäßig das Amtsgericht am Wohnort des Jugendlichen. Im Gegensatz zu Erwachsenen findet das Jugendstrafverfahren also dort statt, wo es den Jugendlichen aufgrund seines noch jungen Alters am wenigsten belastet. Handelt es sich um einfache Straftaten, entscheidet ein Jugendrichter als Einzelrichter. Schwerere Delikte werden vor dem Jugendschöffengericht verhandelt, bei dem es sich um ein Gremium handelt, das sich aus einem Berufsrichter und zwei Schöffen zusammensetzt. Bei schwerer Kriminalität fällt das Verfahren in die Zuständigkeit des örtlichen Landgerichts, zu dem eine Jugendstrafkammer gehört, die in erster Instanz die Verhandlung führt.

Wer ist an einem Jugendstrafverfahren beteiligt?

Im Jugendstrafverfahren sind dieselben Institutionen beteiligt wie im Erwachsenenstrafrecht. Konkret handelt es sich um das Gericht, die Staatsanwaltschaft und den Verteidiger des Jugendlichen. Im JGG ist festgeschrieben, dass an allen Verhandlungen pädagogisch besonders geeignete Personen beteiligt sind. Innerhalb der Staatsanwaltschaft gibt es eine eigene Abteilung mit Jugendstaatsanwälten. Außerdem ist das Gericht mit Richtern besetzt, die auf Jugendrecht spezialisiert sind. Und auch die eingesetzten Laienrichter, die sogenannten Schöffen, müssen eine pädagogische Qualifizierung nachweisen. Bei Minderjährigkeit des Jugendlichen sind auch seine Eltern in das Jugendstrafverfahren involviert. Als Erziehungsberechtigte handeln sie als seine gesetzlichen Vertreter gegenüber den Strafverfolgungsbehörden. Neben diesen Verfahrensbeteiligten gibt es im Jugendstrafverfahren auch die Jugendgerichtshilfe.

Welche Aufgaben haben die Verfahrensbeteiligten?

Die Verfahrensbeteiligten erfüllen jeweils unterschiedliche Aufgaben:

-  Besteht der Verdacht einer strafbaren Handlung, nehmen die Schutzpolizei beziehungsweise die Kriminalpolizei die Ermittlungen im Auftrag der Staatsanwaltschaft (StA) auf. Die Polizei fertigt einen Schlussbericht an, den sie an die Staatsanwaltschaft weiter leitet. Anhand der Aktenlage entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob das Verfahren eingestellt wird oder ob Anklage erhoben wird.

-  Wird der Jugendliche angeklagt, eröffnet das zuständige Gericht das Hauptverfahren. Abhängig von der Schwere der Tat findet die Hauptverhandlung vor einem Jugendrichter als Einzelrichter oder einem Jugendschöffengericht vor dem Amtsgericht oder vor der Jugendstrafkammer des Landgerichts statt.

-  Die Jugendgerichtshilfe gibt Auskunft über die geistige und seelische Reife und die Schuldfähigkeit des jugendlichen Täters und darüber, ob er in der Lage ist, sein von Unrecht getragenes Handeln zu erkennen. Die Beurteilung durch die Jugendgerichtshilfe, die in der Hauptverhandlung diesbezüglich Bericht erstattet, fließt in die Entscheidung des Gerichts mit ein. Die Berichterstattung schließt mit einem Vorschlag zu einer geeigneten Strafmaßnahme.

-  Der Jugendliche, der bis zur Zulassung der Anklage als Angeschuldigter und mit Klageerhebung durch die Staatsanwaltschaft zum Beschuldigten wird, wird in jedem Verfahrensstadium von seinem Verteidiger begleitet. Als unabhängiges Organ der Rechtspflege hat der Strafverteidigter das Recht zur Akteneinsicht. Er unterliegt außerdem der Schweigepflicht. Das bedeutet, dass er dem Gericht gegenüber nur das mitteilen wird, wofür er die ausdrückliche Zustimmung seines Mandanten hat.

Wie funktioniert die Strafzumessung im Jugendstrafverfahren?

Im Jugendstrafverfahren stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, auf Straftaten zu reagieren. Ziel ist eine erzieherische Wirkung zu erreichen. Das bedeutet, dass eine Freiheitsstrafe das letzte Mittel ist, wenn alle anderen Sanktionsmaßnahmen versagt haben oder die besondere Schwere der Tat sie unumgänglich macht.

1. Reichen erzieherische Maßnahmen aus, kann das Verfahren eingestellt werden. Mögliche Auflagen sind zum Beispiel gemeinnütziger Sozialdienst, die Verpflichtung zu einer Betreuung oder Therapie oder eine Schadenswiedergutmachung.

2. Steht eine Einstellung des Verfahrens außer Frage, kommt es zu einer Verurteilung. Mögliche Sanktionsmöglichkeiten sind die sogenannten Erziehungsmaßregeln, die den vorgenannten Maßnahmen entsprechen. Allerdings wird diese Verurteilung im Bundeszentralregister erfasst und führt zu einer Vorstrafe.

3. Die nächste Stufe sind sogenannte Zuchtmittel, die entweder zu einer Verwarnung, zu Auflagen oder zu Jugendarrest führen. Die Verwarnung wird meistens mit Auflagen verbunden, zum Beispiel einer Schadenswiedergutmachung, Sozialstunden, einer Entschuldigung beim Tatopfer oder einer Geldbuße. Bei der Verhängung von Arrest handelt es sich um ein oder mehrere Wochenendarreste, von Freitagnachmittag bis Sonntagnachmittag, oder um Dauerarrest von bis zu vier Wochen.

4. Die letzte Maßnahme im Sanktionskatalog ist die Jugendstrafe, die mit Freiheitsentzug verbunden ist. Hier kann es zu Verurteilungen mit und ohne Bewährung kommen. Bei der Bemessung des Strafmaßes ist das Jugendgericht nicht an gesetzliche Strafmaße gebunden. Allerdings ist eine mögliche Freiheitsstrafe auf eine Höchstdauer von zehn Jahren begrenzt.

Kommt es zu einer Jugendstrafe ohne Bewährung, wird die Strafe regelmäßig nicht in einer Justizvollzugsanstalt für Erwachsene vollstreckt. Stattdessen gibt es Jugendstrafanstalten, in denen auf die pädagogische Betreuung von Verurteilten Wert gelegt wird. Hier besteht die Möglichkeit, eine Ausbildung zu machen oder einen Schulabschluss nachzuholen.


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