Finden Sie jetzt Ihren Anwalt zu diesem Thema in der Nähe!

Woran erkennt man einen fingierten Verkehrsunfall?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

[image]

Einen Moment nicht aufgepasst und schon ist er passiert, der Verkehrsunfall. Der Unfallgeschädigte muss sich dann häufig nicht nur mit dem Unfallverursacher herumstreiten, sondern auch mit dessen Haftpflicht. Um keinen Schadenersatz leisten zu müssen, wird von ihr dann bisweilen sogar behauptet, der Unfall sei fingiert worden. Doch woran erkennt man einen fingierten Verkehrsunfall bzw. wie kann man die Behauptung der Versicherung entkräften?

Kollision auf dem Supermarkt-Parkplatz

Auf einem Supermarkt-Parkplatz kam es zu einem – auf den ersten Blick – nicht besonders ungewöhnlichen Unfall: Ein Mann wollte aus seiner Parklücke rückwärts herausfahren und streifte dabei den neben ihm geparkten Mercedes. Dabei kam es zu einem erheblichen Karosserieschaden an diesem Fahrzeug. Die beiden Fahrer tauschten Personalien aus und der Geschädigte verlangte von der gegnerischen Haftpflicht Schadenersatz. Nach einem halben Jahr und nach Begutachtung des Fahrzeugs durch die gegnerische Haftpflicht verkaufte der Eigentümer aufgrund der hohen Reparaturkosten den Mercedes.

Währenddessen lehnte jedoch die Haftpflicht eine Einstandspflicht ab. Schließlich hätten die beiden Unfallbeteiligten den Schaden absichtlich herbeigeführt, um Geld von ihr zu kassieren. Für eine Unfallmanipulation spreche etwa, dass der Unfallwagen bereits alt, von geringem Wert und erst vor Kurzem auf den Unfallverursacher zugelassen worden war. Das beschädigte Fahrzeug – das der Eigentümer vor fast eineinhalb Jahren für 13.400 Euro erworben hatte – sei dagegen von höherem Wert.

Die Haftpflicht war der Ansicht, dass der Geschädigte zu viel Schadenersatz verlange, obwohl er genau wisse, dass der Wagen zuvor als Taxi verwendet worden war und bereits eine Laufleistung von über 300.000 km hatte. Letztendlich sei unverständlich, warum der Geschädigte die Telefonnummern des Unfallfahrers sowie dessen Bruders im Handy gespeichert habe. Des Weiteren könnten derartige Schäden am Auto nur durch mehrmaliges Hin- und Herfahren entstanden sein. Ferner weise das Fahrzeug bereits einige Vorschäden auf. Der Streit zwischen den Beteiligten endete vor Gericht.

Gericht hält Unfallmanipulation für unwahrscheinlich

Das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg verpflichtete die Versicherung zum vollständigen Ersatz des entstandenen Schadens. Schließlich ist ihr Versicherungsnehmer gegen das Fahrzeug des Geschädigten gefahren. Er trug daher die alleinige Schuld an dem Unfall. Da der Mercedes parkte, war ferner dessen Betriebsgefahr nicht zu berücksichtigen.

Im Übrigen lehnte das Gericht einen gestellten Unfall ab. Zwar gebe es einige Umstände, die für eine Unfallmanipulation sprechen, z. B. das Alter der Fahrzeuge und dass ausgerechnet das beschädigte Kfz dem „gehobenen Preissegment“ zuzurechnen sei. Dennoch sprachen die Indizien eher gegen einen fingierten Verkehrsunfall.

Indizien für bzw. gegen eine Unfallmanipulation

Hätte der Geschädigte – wie von der Versicherung behauptet – von der hohen Laufleistung gewusst, hätte er den hohen Kaufpreis wohl nicht bezahlt. Nahe liegt vielmehr, dass er selbst beim Kauf über die gewerbliche Nutzung des Pkw als Taxi sowie die Laufleistung getäuscht worden ist und dementsprechend von einem höheren Wert seines Kfz ausgegangen war. Darüber hinaus empfand es das Gericht nicht als verdächtig, dass der Geschädigte die Telefonnummern des Unfallfahrers und dessen Bruders besaß. Denn es sprach nichts dafür, dass er die Nummern bereits vor dem Unfall hatte. Dass die Beteiligten nach einem Unfall die Personalien austauschen, ist dagegen vollkommen normal und wurde von diversen Zeugen auch bestätigt.

Darüber hinaus sind die Fahrzeuge nach der Kollision nicht mehr bewegt worden – eine versuchte Verschleierung des Unfallhergangs konnte daher von der herbeigerufenen Polizei nicht festgestellt werden. Überdies fand ein Sachverständiger heraus, dass der Mercedes keine Vorschäden gehabt hatte und auch ein mehrmaliges Hin- und Herfahren nicht infrage kam.

Gegen eine Unfallmanipulation sprach ferner, dass der Vorfall am helllichten Tag und auf einem belebten Parkplatz passiert ist. Denn wer Versicherungsbetrug begehen möchte, wird vielmehr darauf achten, keine unliebsamen Zeugen zu haben, den „Unfall“ also z. B. nachts und an einem abgelegenen Ort stattfinden lassen. Ferner haben sich die Unfallbeteiligten nicht in Widersprüche verwickelt – der Unfallhergang und auch das Schadensbild waren für das Gericht daher plausibel, eine Manipulation eher auszuschließen.

Letztendlich waren beide Unfallbeteiligten auch nicht anderweitig aufgefallen. So waren beide insbesondere nicht wegen Vermögens- oder Aussagedelikten einschlägig vorbestraft oder hatten Geldnöte. Abschließend wies das Gericht auch noch darauf hin, dass der Geschädigte sein Fahrzeug nicht sofort verkauft hat, um eine eventuelle Begutachtung des Mercedes durch die Versicherung zu verhindern. Er hat es vielmehr erst nach Besichtigung durch die Haftpflicht verkauft. Dieses Verhalten sprach eher für ein Interesse an einer schnellen und unkomplizierten Aufklärung des Unfallgeschehens.

(OLG Naumburg, Urteil v. 03.04.2014, Az.: 4 U 59/13)

(VOI)

Foto(s): ©iStockphoto.com

Artikel teilen:


Beiträge zum Thema