Xavier Naidoo darf nicht als strukturell nachweisbarer Antisemit bezeichnet werden

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Der Musiker Xavier Naidoo darf nicht als Antisemit bezeichnet werden. So entschied das OLG Nürnberg mit Urteil vom 22.10.2019 (3 U 1523/18). Die Entscheidung begründete das Gericht damit, dass vorliegend das allgemeine Persönlichkeitsrecht Naidoos das Recht auf freie Meinungsäußerung überwiege. Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte ist die Äußerung besonders empfindlich zu bewerten.

Hintergründe

Eine Referentin der antirassistisch orientierten Amadeu-Antonio-Stiftung betitelte den Sänger im Rahmen eines öffentlichen Vortrags über „Reichsbürger – Verschwörungsideologien mit deutscher Spezifik“ als Antisemit. Der Musiker Xavier Naidoo war zuvor wegen vermeintlich antisemitischer Liedtexte in den Fokus der Medien gerückt. Die Referentin teilte diesen Eindruck und verwies auf antisemitische Codes und Chiffren in Naidoos Liedtexten. In diesem Zusammenhang traf sie folgende Aussage, welche anschließend Gegenstand des nachfolgenden Rechtsstreits war:

„Er ist Antisemit, das darf ich, glaube ich, aber gar nicht so offen sagen, (…) Aber das ist strukturell nachweisbar.“

Naidoo strengte daraufhin eine Unterlassungsklage gegen den Vorwurf des Antisemitismus an. Der Fall landete vor dem LG Regensburg und ging zugunsten des Sängers aus. Das Gericht sah ein Überwiegen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Künstlers gegenüber dem Recht auf freie Meinungsäußerung. Die Beklagte ging daraufhin in Berufung. Sie begründete ihr Vorgehen damit, dass man die Texte des Musikers nicht gesondert von ihm bewerten könne. Zudem hieß es in der Begründung, die Kunstfreiheit stelle keine Schranke des Rechts zur Meinungsäußerung dar.

Entscheidung des OLG Nürnberg

Aber auch das OLG Nürnberg entschied in der Berufung gegen die Beklagte. Mit Blick auf die deutsche Geschichte sei es ein besonders weitreichender und intensiver Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Menschen, ihn als Antisemit zu betiteln. Die Tatsache, dass Naidoo seine politischen Anliegen öffentlich zur Diskussion stellt, ändere dies nicht. Das Gericht betonte jedoch ausdrücklich, dass ein offener Diskurs über antisemitische Tendenzen in der heutigen Gesellschaft gerade vor diesem Hintergrund wichtig sei.

Entgegen der Behauptung der Referentin habe sich Naidoo sogar gegen den Vorwurf des Antisemitismus gewehrt und sich öffentlich mehrfach gegen Judenhass ausgesprochen. Zudem sei er Unterstützer verschiedener antirassistischer Initiativen. Mit der Aussage, die antisemitischen Tendenzen des Musikers seien „strukturell nachweisbar“, sei der Eindruck entstanden, es lägen objektive Beweise vor. Laut Gericht habe die Beklagte die Texte aber lediglich dahingehend gedeutet. Naidoo selbst habe sich von dieser Deutung aber klar distanziert.

Fazit

Die Frage danach, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder aber das Recht auf freie Meinungsäußerung überwiegt, ist von Fall zu Fall gesondert zu beurteilen. Vorliegend musste die Abwägung besonders empfindlich und präzise vorgenommen werden, da der Vorwurf des Antisemitismus in Deutschland kein leichtfertiger ist. Das politische Engagement des Klägers in der Bekämpfung von Rassismus, Antisemitismus und Fremdenhass sahen die jeweiligen Gerichte trotz der teils sehr gewagten Liedtexte des Musikers als ausreichend an, den Antisemitismus Vorwurf zu widerlegen.


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