Zu spät geheiratet? - Witwenrente auch nach kurzer Ehe

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Sinn der Witwenrente ist es, den allein bleibenden Ehepartner abzusichern und den Ausfall des Unterhalts abzumildern. Das gilt nicht in dem Fall, wenn die Ehepartner nur wegen der Alterssicherung heiraten. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in einem am 05.05.2009 verkündeten Urteil erstmals die seit 2002 geltenden gesetzlichen Regelungen für rechtmäßig erklärt.

Die Klägerin begehrt Witwenrente nach ihrem im Januar 2004 verstorbenen Ehemann, den sie im Mai 2003 (erneut nach einer Scheidung im Dezember 1973) geheiratet hatte.

Die erneute Heirat fand nach einer Krebsdiagnose beim Versicherten statt; die Klägerin verfügte damals über eine eigene Rente in Höhe von ca. 290 Euro/Monat, ihr Ehemann über eine Rente von ca. 1.850 Euro/Monat netto.

Den Witwenrentenantrag der Klägerin lehnte die Beklagte ab, weil eine Versorgungsehe i.S. des § 46 Abs 2a SGB VI vorgelegen habe. Dagegen hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin Witwenrente nach ihrem verstorbenen Ehemann ab dem 1.2.2004 zu gewähren. Dem Anspruch stehe der rechtshindernde Einwand der so genannten Versorgungsehe nach § 46 Abs 2a SGB VI nicht entgegen. Denn aus den besonderen Umständen des Falles ergebe sich, dass es insgesamt nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, der Klägerin eine Versorgung zu verschaffen. Zum einen sei das Vorstellungsbild der Eheleute zum Zeitpunkt der Heirat nicht vornehmlich von der Erkrankung des Versicherten geprägt gewesen; auch habe von seiner Seite eine andere Motivation als die finanzielle Versorgung der Klägerin zum Eheschluss im Vordergrund gestanden.

Der Versicherte habe sich nicht vorstellen können, mit seiner ehemaligen Ehefrau zusammenzuleben, deren Fürsorge und Betreuung er sich habe sichern wollen, ohne mit dieser (erneut) verheiratet zu sein. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG jedoch die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keine besonderen äußeren Umstände dartun können, welche die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe hätten widerlegen können. Die Prüfung habe sich insoweit auf nach außen tretende Tatsachen zu beschränken und diese zu bewerten. Es könne nicht Aufgabe der Leistungsträger und der Gerichte sein, in die Intimsphäre eingreifende Erwägungen anzustellen. Nach objektiven Umständen aber sei die gesetzliche Vermutung des Vorliegens einer Versorgungsehe nicht widerlegt.

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin. Sie trägt vor, nach der Rechtsprechung des BSG zu den Vorläufervorschriften des § 46 Abs 2a SGB VI sei bei der Prüfung der Versorgungsabsicht auch auf subjektive Vorstellungen abzustellen, die klar von objektiven Umständen zu trennen seien. Sie habe einen gemeinsamen Hausstand mit ihrem Ehemann gegründet, um dessen Betreuung und Pflege zu gewährleisten; es sei sein größter Wunsch gewesen, sie wieder zu heiraten, weil er sie geliebt habe. Nach seinen eigenen moralischen Ansprüchen habe er sich nicht vorstellen können, mit ihr ohne Trauschein unter einem Dach zu leben.

Das BSG hat den Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen. Die zum 1.1.2002 in Kraft getretene Regelung des § 46 Abs 2a SGB VI zur sog Versorgungsehe ist verfassungsmäßig. Zu ihrer Auslegung kann die einschlägige Rechtsprechung des BSG zu Parallelregelungen in anderen Rechtsgebieten herangezogen werden. Nach dieser allerdings kommt es – anders als vom LSG entschieden – auf alle zur Eheschließung führenden Motive der Ehegatten an, also auch solche (höchst-) persönlicher, subjektiver Art. Entsprechende Feststellungen wird das LSG nachzuholen haben.

Vorinstanzen: SG Duisburg – S 29 (3) RJ 106/04, LSG Nordrhein-Westfalen – L 13 R 3/07.

Zu spät geheiratet? – Anmerkungen zum Urteil des BSG vom 05.05.2009, Az. B 13 R 55/08 R

Wurde die Ehe oder die eingetragene Lebenspartnerschaft nach dem 31.12.2001 geschlossen und hat , sie beim Tode der/des Versicherten weniger als ein Jahr bestanden, ist der Anspruch auf Witwen-/Witwerrente nach § 46 Abs. 2a in Verbindung mit § 242a Abs. 3 SGB VI grundsätzlich nicht mehr gegeben, es sei denn, es ist nach den „besonderen Umständen“ des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente zu begründen.

Durch die Schaffung einer Mindestdauer von einem Jahr wurde bei allen Ehen, die nicht länger als ein Jahr gedauert haben, vom Gesetzgeber vermutet, dass es sich um eine Versorgungsehe handelt. Dabei ist auf die exakte Ehedauer abzustellen. Diese gesetzliche Vermutung kann widerlegt werden, wenn besondere Umstände vorliegen. Der Rentenversicherungsträger verlangt in diesem Fall von dem hinterbliebenen Ehegatten die besonderen Umstände darzulegen und zu beweisen.

Der Rentenversicherungsträger wird jedoch das Vorliegen von Widerlegungsgründen von Amts wegen ermitteln und den Antragsteller anhören. Im Rahmen der Prüfung ist allein die letzte Ehe zu betrachten, selbst wenn – wie in dem hier entschiedenen Fall – die Ehegatten mehrfach miteinander verheiratet waren.

Insbesondere folgende „besonderen Umstände“ sprechen gegen eine Versorgungsehe:

  • Plötzlicher unvorhergesehener Tod des Versicherten (z. B. Arbeits-, Verkehrsunfall, Verbrechen, Infektionskrankheit)
  • Die Heirat erfolgte zur Sicherung der erforderlichen Betreuung/Pflege des ständig auf Pflege angewiesenen Ehegatten, und der Tod des Ehegatten war bei der Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten.
  • Die tödlichen Folgen einer Krankheit waren bei der Eheschließung nach ärztlicher Auffassung nicht zu erwarten.
  • Nachholung einer gültigen deutschen Trauung durch hier in ungültiger – nach ausländischem Recht gültiger – Ehe lebend Ausländer.
  • Die Ehegatten hatten gemeinsame Kinder.
  • Die Witwe erwartet ein Kind des verstorbenen Versicherten.
  • Die Witwe/der Witwer erzieht ein minderjähriges Kind des/der Verstorbenen.

Maßgebend sind immer die Umstände des Einzelfalls. Wie in dem hier vorliegenden Fall wird das Berufungsgericht noch einmal die besonderen Umstände auch in Bezug auf höchstpersönliche, subjektive Motive der Ehegatten prüfen. Können diese von der Witwe nachgewiesen werden, wird sie – rückwirkend seit Antragstellung – Witwenrente erhalten.

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Anwaltskanzlei Wagner

Rechtsanwalt Christian Wagner


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