Zum betriebsverfassungsrechtlichen Freistellungsanspruch in der Insolvenz des Arbeitgebers

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Der Anspruch des Betriebsrats auf Freistellung von Rechtsanwaltskosten ist nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz in der Insolvenz des Arbeitgebers keine Masseverbindlichkeit, sondern eine normale Insolvenzforderung.

Im Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen eines Arbeitgebers wurde vom Amtsgericht Ulm am 23. Januar 2012 ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Dieser fungierte ab dem 30. Januar 2012 aufgrund eines angeordneten allgemeinen Verfügungsverbots als „starker vorläufiger Insolvenzverwalter". Am 28. März 2012 wurde über das Vermögen des Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet und der vorläufige Insolvenzverwalter wurde zum Insolvenzverwalter ernannt.

Vor Stellung des Insolvenzantrages hatte der Betriebsrat verschiedene Beschlussverfahren gegen die damalige Arbeitgeberin durchgeführt, in welchen er durch seine jetzigen Verfahrensbevollmächtigten anwaltlich vertreten worden war.

Die hieraus resultierenden Rechtsanwaltskosten aus der Zeit vor Stellung des Insolvenzantrages belaufen sich auf insgesamt 10.504,17 EUR.

Am 9. Februar 2012 übermittelten die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats einem Mitarbeiter des Insolvenzverwalters ihre Kostennote.

Der Mitarbeiter des Insolvenzverwalters gab per E-Mail am gleichen Tage kund, dass „die Kosten grundsätzlich übernommen werden".

Mit einem am 18. Juli 2012 beim Arbeitsgericht Trier eingegangenen Antrag hat der Betriebsrat zunächst die Freistellung von den vorgerichtlich geltend gemachten Rechtsanwaltskosten in Höhe von 10.504,17 EUR  geltend gemacht.

Am 31. August 2012 hat der Insolvenzverwalter beim Amtsgericht Ulm die drohende Masseunzulänglichkeit angezeigt. Daraufhin hat der Betriebsrat seinen Antrag am 6. November 2012 dahin geändert, dass er nunmehr die Feststellung beantrage, dass es sich bei seinem Freistellungsanspruch von den Rechtsanwaltskosten der aufgeführten Beschlussverfahren in Höhe von 10.504,17 EUR um eine Masseverbindlichkeit handelt.

Er hat vorgetragen, bei seinem geltend gemachten Kostenfreistellungsanspruch bezüglich der aufgeführten Beschlussverfahren handele es sich um eine Masseverbindlichkeit, weil durch die Zahlungsübernahmeerklärung in der E-Mail vom 9. Februar 2012 eine durch den starken vorläufigen Insolvenzverwalter begründete Verbindlichkeit entstanden sei. Das Antwortschreiben des Insolvenzverwalters vom 9. Februar 2012 sei nach dem objektiven Empfängerhorizont als entsprechende Zahlungsübernahmeerklärung zu verstehen.

Der Insolvenzverwalter meint, bei dem vom Betriebsrat geltend gemachten Freistellungsanspruch handele es sich nicht um eine Masseverbindlichkeit, sondern um eine Insolvenzforderung. Die E-Mail vom 9. Februar 2012 sei nicht geeignet, dem Betriebsrat einen eigenständigen, vom Betriebsverfassungsgesetz unabhängigen Anspruch in Form eines Schuldanerkenntnisses zu verschaffen.

Das Arbeitsgericht Trier wies den Antrag des Betriebsrates zurück.

Auch vor dem Landesarbeitsgericht hatte der Betriebsrat keinen Erfolg.

Bei dem Anspruch des Betriebsrats aus dem Betriebsverfassungsgesetz auf Freistellung von den Rechtsanwaltskosten, die bereits vor Stellung des Insolvenzantrages beendet waren, handelt es sich um eine Insolvenzforderung. Die Kostenforderungen, die aus der anwaltlichen Vertretung des Betriebsrates in den aufgeführten Beschlussverfahren vor Stellung des Insolvenzantrages resultieren, sind bereits vor der Bestellung des starken vorläufigen Insolvenzverwalter entstanden, so dass der hierdurch ausgelöste Freistellungsanspruch des Betriebsrates  eine Insolvenzforderung darstellt.

Entgegen der Ansicht des Betriebsrates lasse sich aus der per E-Mail vom 9. Februar 2012 erfolgten Rückantwort des (vorläufigen) Insolvenzverwalters kein Rechtsbindungswille zur Begründung einer Zahlungsverpflichtung herleiten, die als Masseverbindlichkeit zu qualifizieren wäre.

Zwar gelten nach der Insolvenzordnung auch Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Der Insolvenzverwalter habe aber in seiner (damaligen) Eigenschaft als starker vorläufiger Insolvenzverwalter mit der E-Mail vom 9. Februar 2012 keine neue Verbindlichkeit zulasten der Insolvenzmasse begründet.

Bereits nach dem Wortlaut der E-Mail vom 9. Februar 2012 wurde von Seiten des vorläufigen Insolvenzverwalters lediglich mitgeteilt, dass die Kosten „grundsätzlich" übernommen würden und eine Zahlungsfreigabe nur nach vorheriger Erfassung durch eine der genannten Personen erfolgt.

Aus der erkennbaren Interessenlage, ergebe sich eindeutig, dass der Insolvenzverwalter keine neue Verbindlichkeit begründen wollte. Vielmehr habe er lediglich eine tatsächliche Erklärung ohne rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen abgegeben. Eine selbständige Verpflichtung sei nur anzunehmen, wenn die mit dem Versprechen übernommene Verpflichtung von ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen losgelöst und rein auf den Leistungswillen des Schuldners gestellt werden soll.

Ein solcher Verpflichtungswille des Insolvenzverwalters zur Begründung einer vom geltend gemachten Freistellungsanspruch unabhängigen Verpflichtung lasse sich der E-Mail vom 9. Februar 2012 nicht entnehmen.

(Quelle: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21.03.2012; 2 TaBV 43/12

Vorinstanz: Arbeitsgericht Trier, Beschluss vom 07.11.2012; 1 BV 16/12)

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