Cannabis im Straßenverkehr weiterhin nicht folgenlos – und weiterhin kompliziert.

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Das Hanf ist frei. Unzwar sofort.“ - Quasi zeitgleich mit dem Hype um das mögliche Comeback von Stefan Raab ist der hier zeitgemäß abgewandelte Liedtext des Künstlers aus dem Jahr 2002 auch in Bezug auf den Straßenverkehr von höchster Aktualität.



Die Legalisierung selbst ist gesamtgesellschaftlich hinreichend bekannt und bedarf an dieser Stelle keiner weiteren Erklärung. Zumal spätestens zum ersten April mit Inkrafttreten des neuen Cannabisgesetz (CanG) selbst, selbstverständlich unter dem Hinweis, dass die zu erörternden Informationen trotz des Datums eben kein Aprilscherz seien, landauf wie landab jeder Radiosender und TV-Kanal, von WDR2 „Das Thema“ über die ZDF „Tagesthemen“ o.ä. über die neuen Rechte berichten wird.


Welche Auswirkungen sich im Zusammenhang mit der Legalisierung indes praktisch ergeben können verdient gesonderte Aufmerksamkeit.

Interessant sind hierbei insbesondere zwei Themenblöcke.

Zum einen der Bereich der sog. Grenzwertproblematik selbst.

Zum anderen die damit um Zusammenhang stehenden möglichen Auswirkungen von (geplanten) Neuerungen der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) zur Anordnung einer MPU und der drohenden Einziehung der Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörden.




Grenzwertproblematik

Im Unteren Bereich der Auswirkungen von Cannabiskonsum, nämlich vor Erreichen der Schwelle zur Fahruntüchtigkeit im Sinne des § 316 StGB, steht es zu erwarten, dass zukünftig erhebliche Unsicherheit für Betroffene herrscht.

Ähnlich einer Promillegrenze im Straßenverkehr wird zukünftig (!) davon Abstand genommen werden, dass es für eine Ordnungswidrigkeit ausreicht, wenn ein Fahrzeugführer mit einer THC-Konzentration ab 1,0 ng/ml ein Fahrzeug im Straßenverkehr führt, wobei Ausfallerscheinungen nach derzeitiger Rechtslage nicht notwendig sind.

Wichtig und beachtenswert ist derzeit: Mit Inkrafttreten des CanG zum 1.4.2024 wird es auch (noch) keine Änderung des Grenzwertes der Ordnungswidrigkeit des § 24a Abs. 2 StVG geben.

In einer Pressemitteilung vom 28. März 2024 hat das Bundesverkehrsministerium die Ergebnisse einer unabhängigen Expertengruppe bekannt gegeben, die Vorschläge für den Umgang mit Cannabis im Straßenverkehr erarbeitet hat.

Laut der Pressemitteilung schlägt die Gruppe einen THC-Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter im Blutserum vor, um eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeugs zu bewerten. Diese Empfehlung beruht auf einer umfassenden Analyse verschiedener Fachbereiche, darunter Medizin, Recht und Verkehr.

Im Wortlaut heißt es hierzu in der Pressemitteilung:

„Die wissenschaftlichen Experten geben danach folgende Empfehlungen ab:

Im Rahmen des § 24a StVG wird ein gesetzlicher Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml THC-Blutserum vorgeschlagen. Bei Erreichen dieses THC-Grenzwertes ist nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeuges nicht fernliegend, aber deutlich unterhalb der Schwelle, ab der ein allgemeines Unfallrisiko beginnt.

Um der besonderen Gefährdung durch Mischkonsum von Cannabis und Alkohol gerecht zu werden, wird empfohlen, für Cannabiskonsumenten ein absolutes Alkoholverbot am Steuer entsprechend der Regelung des § 24c StVG vorzusehen.

Es seien Speicheltests mit hoher Empfindlichkeit als Vorscreening – zum Nachweis des aktuellen Konsums erforderlich. Es wird empfohlen, die Details zur Umsetzung dieses Ansatzes auch unter Berücksichtigung der Erfahrungen im Ausland zu klären.

Bei dem vorgeschlagenen Grenzwert von 3,5 ng/ml THC im Blutserum handelt es sich nach Ansicht der Experten um einen konservativen Ansatz, der vom Risiko vergleichbar sei mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille. THC im Blutserum ist bei regelmäßigem Konsum noch mehrere Tage nach dem letzten Konsum nachweisbar. Daher soll mit dem Vorschlag eines Grenzwertes von 3,5 ng/ml THC erreicht werden, dass – anders als bei dem analytischen Grenzwert von 1 ng/ml THC – nur diejenigen sanktioniert werden, bei denen der Cannabiskonsum in einem gewissen zeitlichen Bezug zum Führen eines Kraftfahrzeugs erfolgte und eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeugs möglich ist.“



Änderungen FeV

Besonderheiten im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr unter dem Einfluss von THC bestehen insoweit und sind zur Überraschung vieler darin begründet, dass es nicht mit dem Bußgeld aus dem Ordnungswidrigkeitenverfahren „getan“ ist.

Oftmals erleben wir in unserer anwaltlichen Praxis, dass Mandanten aus allen Wolken fallen, wenn wir im Rahmen der Beratung im Anhörungsverfahren erwähnen, dass nach Abschluss des OWi- bzw. Strafverfahrens noch unliebsame Post von der Verwaltungs- bzw. Fahrerlaubnisbehörde ins Haus steht. THC-Konsumenten sind nach derzeit noch herrschender Rechtslage unerwartet schnell im Straßenverkehr generell ungewollt und sehen sich einem Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Kreisverwaltung oder das Landratsamt ausgesetzt bzw. sehen sich mit der Anordnung einer MPU konfrontiert. Bisher ungewollt im Straßenverkehr sind THC-Konsumenten dann, wenn sie entweder regelmäßig konsumieren oder nicht zwischen Konsum und Straßenverkehr trennen können. Für einen regelmäßigen Konsum sind entsprechende Abbauprodukte herangezogen worden. Eine fehlende Trennungsfähigkeit zwischen Konsum und Straßenverkehr lag nach alter Rechtslage vor, wenn unter dem direkten/ akuten Einfluss von THC am Straßenverkehr teilgenommen wurde.

Zum 1.4.2024 wurden nun in Bezug auf den zuvor erwähnten verwaltungsrechtlichen Umgang mit Cannabis im Straßenverkehr Änderungen in der Fahrerlaubnisverordnung eingeführt werden.

So soll ein in seiner Form angepasster § 13a FeV ermöglichen, dass die Fahrerlaubnisbehörde:


  • ein ärztliches Gutachten einholt, wenn Tatsachen die Annahme von Cannabisabhängigkeit begründen, oder


  • ein medizinisch-psychologisches Gutachten verlangt, wenn:


a) nach dem ärztlichen Gutachten keine Cannabisabhängigkeit vorliegt, jedoch Anzeichen für Cannabismissbrauch bestehen oder andere Tatsachen die Annahme von Cannabismissbrauch begründen,

b) wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss begangen wurden,

c) die Fahrerlaubnis aus einem der unter den Buchstaben a und b genannten Gründen entzogen wurde oder

d) zu klären ist, ob der Cannabismissbrauch oder die Cannabisabhängigkeit nicht mehr besteht.


Darüber hinaus ist die Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV geändert, indem ein Katalog von Eignungsmängeln eingeführt wurde. Hierzu wird in Abkehr zu den oben genannten bisherigen Kriterien nun neu nach Missbrauch (Nr. 9.2.1) und Beendigung des Missbrauchs (Nr. 9.2.2) differenziert. Ein Missbrauch, der die Fahreignung ausschließt, liegt vor, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Cannabiskonsum nicht ausreichend sicher getrennt werden können. Nach Beendigung des Missbrauchs ist die Fahreignung wieder gegeben, wenn die Veränderung des Cannabiskonsumverhaltens stabilisiert ist. Bei einer Abhängigkeit von Cannabis ist die Fahreignung ebenfalls nicht gegeben (Nr. 9.2.3), sondern erst wieder gegeben, wenn die Abhängigkeit nicht mehr besteht und in der Regel ein Jahr Abstinenz nachgewiesen ist (9.2.4).


Bei den zuvor genannten Neuerungen ist insbesondere fraglich, wie die Verwaltungspraxis bzw. die Verwaltungsrechtsprechung die Fahrsicherheitsbeeinträchtigung definieren wird. In Betracht kommt zunächst eine Orientierung an den von der Grenzwertkommission vorgeschlagenen 3,5 ng/ml THC bzw. den insoweit übernommenen Grenzwerten für den Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit. Darin würde unserer Auffassung nach indes der Systematik des Gesetzes widersprechende Auslegung begründet sein; § 13a FeV soll zukünftig ja zwischen dem Missbrauch und wiederholten Verstößen differenzieren.  Nach dieser Sichtweise wäre bereits in dem einmaligen Überschreiten des Grenzwertes ein Missbrauch zu sehen, mit der damit verbundenen Folge der Anordnungsmöglichkeit einer MPU. Wobei hier der Nachweis der erforderlichen Abstinenz nicht geführt werden kann. Dementsprechend würde eine solche Handhabe bzw. Sichtweise zur (massenweisen) Entziehung von Fahrerlaubnissen führen.



Für bekennende Genießer und neugierige (Neu-) Konsumenten sollte daher klar sein: 

Zwischen Konsum von Cannabisprodukten und der Teilnahme am Straßenverkehr sollte eine ausreichend dimensionierte Phase des Ausnüchterns stehen. Wenngleich der Grenzwert den Realitäten angepasst wird, er ist kein Freibrief für Fahren unter erheblichem Einfluss und jedenfalls der nicht nur geringe oder mäßige Konsum birgt auch weiterhin die Gefahr der Einziehung der Fahrerlaubnis. 



Sind Sie konfrontiert von den Neuerungen des Gesetzes oder wird Ihnen ein entsprechender Vorwurf von Polizei oder Verwaltungsbehörde gemacht? Zögern Sie nicht und lassen Sie sich von uns auf dem Gebiet des Ordnungswidrigkeitenrechts bzw. des Fahrerlaubnisrechts fachkundig beraten – insbesondere wenn Ihnen als Ersttäter eine MPU droht und Ihre Fahrerlaubnis auf dem Spiel steht!

Foto(s): https://unsplash.com/de/@mrbrodeur

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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