Das neue Bürgergeld: alte Probleme in neuem Gewand?! Teil 1: Neue Regelsätze und große Herausforderungen: Ein Überblick!

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Teil 1: Neue Regelsätze und große Herausforderungen: Ein Überblick!

Kurz vor Jahresende hat sich der Gesetzgeber schließlich doch noch auf die Reform des SGB II geeinigt und damit sein „Go“ gegeben zu teilweisen Änderungen, die jedoch jeden Hilfebedürftigen betreffen.

Allen voran steht zunächst die Abkehr vom inoffiziellen Begriff des „Hartz IV“ hin zum sogenannten Bürgergeld. Welche Neuerungen es gibt und ob sich diese für den Hilfebedürftigen positiv oder negativ auswirken, möchte ich in naher Zukunft in Bezug auf einzelne Änderungen näher beleuchten und in gesonderten, noch folgenden Beiträgen behandeln.

Meine Meinung nach über 13 Jahren Erfahrung im Zusammenhang mit dem SGB II in der Praxis, vorab:

Es bleibt alles beim Alten! Die vielschichtigen Probleme im Zusammenhang der Rechtmäßigkeit der Erbringung von Leistungen nach dem SGB II wurden nicht beseitigt. Es gibt jedoch kleine Verbesserungen zugunsten der Hilfebedürftigen!

Nachfolgend soll ein Überblick gegeben werden über die neuen und alten Probleme des SGB II in der Theorie und Praxis:

Viele, die Leistungen nach dem SGB 2 beziehen oder schon einmal bezogen haben kennen die Probleme, die im Zusammenhang mit den nachfolgend genannten Begriffen einhergehen:

  • Sanktionen,
  • Meldepflichten/Meldeversäumnis,
  • Eingliederungsvereinbarung,
  • Maßnahmenzuweisung,
  • Einkommensfreibeträge,
  • vorläufige Bewilligung unter Berücksichtigung geschätzter Einkünfte,
  • Mitwirkungspflichten und Versagung,
  • Kosten der Unterkunft und Heizung sowie deren Angemessenheit,
  • Notwendigkeit eines Umzuges und die Problematik der damit zusammenhängenden Kosten,
  • Kostensenkungsverfahren,
  • Vermögensfreibeträge im Bereich des SGB II,
  • Mehrbedarfe,
  • Sonderbedarfe,
  • Aufrechnung,
  • Aufhebung und Erstattung,
  • Rückforderung von Leistungen usw.

In vielen Bereichen hat der Gesetzgeber hier neue, teils mehr oder minder abgeänderte gesetzliche Regelungen getroffen, die sich auf den ersten Blick für den Hilfebedürftigen als positiv darstellen. Anderes bleibt unverändert.

Allen voran steht die erfreulichste aller Neuerungen, die allerdings auch ohne die Einführung des Bürgergeldes eingetreten wäre, nämlich die Erhöhung der Regelsätze, aus der sich folgende, jeweilige Beträge für den einzelnen ergeben:

  • Alleinstehende Personen: 502,00 Euro
  • Partner einer ehelichen oder nichtehelichen Lebensgemeinschaft: 451,00 Euro
  • Kinder zwischen 14 und 17 Jahren: 420,00 Euro
  • Kinder zwischen 6 und 13 Jahren: 348,00 Euro,
  • Kinder bis 5 Jahre: 318,00 Euro.
  1. Mein Tipp: Lassen Sie Ihren Anspruch auf Leistungen nach dem SGB 2 daher in jedem Fall prüfen. Das gilt vor allem auch für diejenigen, denen in der Vergangenheit mitgeteilt wurde, dass „knapp“ kein Leistungsanspruch besteht.

Es treten insbesondere im Bereich der Sozialverbände bereits jetzt vermehrt Stimmen auf, die die Anhebung der individuellen Regelsätze bereits für (völlig) unzureichend halten. Dies ist sicherlich in Anbetracht der stetig steigenden Kosten insbesondere als Folge der wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen in der nahen Vergangenheit begründet. Nicht zuletzt von dem her wird sich sicherlich auch die Frage stellen, ob die Erhöhung und die Fortschreibung der Regelsätze als solches künftig nicht erneut vom Bundesverfassungsgericht als höchste Instanz zu überprüfen sein wird.

Daneben stehen zahlreiche Änderungen im Gesetz, die aufgrund der kurzfristigen Beschlussfassung der Änderungen die zuständigen Träger und Behörden vor nicht unerhebliche Herausforderungen stellen und zu befürchten ist, dass hier eine Überforderung zulasten der Hilfebedürftigen oder fehlerhafte Leistungserbringungen eintreten können. Fehler sind bekanntlich menschlich und in Anbetracht der vorliegenden Herausforderungen und des hohen Arbeitsvolumen ist dies in keiner Behörde zu vermeiden.

  1. Mein Tipp: Insbesondere, wenn es schnell gehen muss, sollten Sie freundlich und sachlich zunächst versuchen, mit dem zuständigen Mitarbeiter Kontakt aufzunehmen (falls dies noch in Anbetracht der oft vorgeschalteten Servicecenter möglich ist) und das Problem schildern. Falls kurzfristig keine Lösung gefunden werden kann, so nehmen Sie anwaltliche Hilfe in Anspruch.

Es wird sich erst mit der Zeit und bei näherer Betrachtung in der Praxis - auch unter Zuhilfenahme der Gerichte - zeigen, inwieweit alte Probleme abgeschafft oder nur modifiziert wurden. Auch ist abzuwarten, ob nicht sogar neue Reibungspunkte zwischen Hilfebedürftigen und den Leistungserbringern wegen der Rechtmäßigkeit der Leistungen auftreten werden.

Nicht zu vergessen ist beispielsweise, dass von vielen Trägern und Behörden die teils einschneidenden Sanktionen, welche oft zu Recht aber auch zu Unrecht verhängt wurden, aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Teil seit geraumer Zeit nicht mehr ausgesprochen wurden. Mit der Einführung des Bürgergeldes wird sich dies aufgrund der jetzt in Anlehnung an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts festgelegten, neuen Sanktionshöhen und -regelungen sicherlich wieder ändern. Allein deshalb werden die Fragen, ob die Sanktion richtig oder falsch ist, wieder relevant und ggf. neu zu bewerten sein.

  1. Mein Tipp: Lassen Sie sich den Eingang und die Abgabe aller Unterlagen, die sie beim Jobcenter oder z.B. bei Arbeitgebern (z.B. Bewerbungen) oder Maßnahmenträgern abgeben entweder bestätigen oder nehmen sie einen Zeugen mit. Notieren Sie sich gegebenenfalls Ort, Zeit und Name ihres Gegenübers.

Unabhängig davon steht weiterhin fest, dass der hilfebedürftige nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten im Zusammenhang mit den Leistungsbezug hat.

  1. Mein Tipp: Versuchen Sie grundsätzlich sachlich und freundlich mit den für sie zuständigen Ansprechpartnern der Leistungsabteilung und der Vermittlung zusammenzuarbeiten. Die gewinnbringende Zusammenarbeit, die einerseits auf ihren Rechten und andererseits auf ihren Pflichten beruht, kann nur in einer angenehmen Atmosphäre funktionieren. Sollte es jedoch zu Reibungspunkten kommen, so ziehen Sie zeitnah eine anwaltliche Beratung in Betracht.

Fest steht, dass falsche Entscheidungen einen Hilfebedürftigen schnell an die Grenzen des Existenzminimums bringen können, zumal die Leistungen nach dem SGB 2 das Existenzminimum gerade sichern sollen. Jeder Euro, der dem Hilfebedürftigen insoweit zu Unrecht vorenthalten wird, führt automatisch dazu, dass der monatliche Bedarf nicht gedeckt werden kann. Umso mehr gilt dies bei der Verhängung von Sanktionen oder bei der Deckelung der Kosten der Unterkunft und Heizung.

  1. Mein Tipp: Sollten die Kosten der Unterkunft und Heizung bei Ihnen nicht vollständig übernommen werden, so lassen Sie dies anwaltlich prüfen.

Nicht zuletzt aufgrund der kurzfristigen Neufassung und im Rahmen der jetzt folgenden Übergangszeit haben die zuständigen Träger und Behörden daher nicht unerhebliche Herausforderungen zu meistern.

  1. Mein Tipp: Bei Telefonaten mit dem Jobcenter oder den gegebenenfalls zuständigen Servicecenter notieren Sie Zeitpunkt und Name des Gesprächspartners und den Inhalt des Gesprächs.

Das oft konfuse und komplizierte Zusammenspiel zwischen den ggf. zuständigen Leistungsträger (Jobcenter, Sozialamt, Agentur für Arbeit, Kinderzuschlagstelle, Rentenversicherung usw.) macht es im Übrigen oft nicht einfacher, tatsächlich die einem zustehenden Leistungen nach dem SGB 2 (rechtzeitig) zu erhalten. Die sich hier oft bildende Spirale aus Zuständigkeiten, in der eine Behörde auf die nächste verweist, darf jedenfalls nicht zulasten der Hilfebedürftigen gehen. Oft werden Leistungen mit dem Verweis auf die Zuständigkeit anderer Träger abgelehnt, auch wenn die dortige Zuständigkeit noch gar nicht geprüft ist.

  1. Mein Tipp: Sollten Sie Anhaltspunkte dafür haben, dass sich die Leistungsbewilligung aufgrund der Beteiligung von verschiedenen Behörden hinauszögert, und kommen Sie bei der Behörde nicht weiter, so ziehen sie rechtzeitig in Betracht, einen Anwalt einzuschalten.

Umso mehr ist es jedoch notwendig, dass ein besonderes Augenmerk auf die Rechtmäßigkeit der Erbringung der Leistungen nach dem SGB 2 gelegt wird.

  1. Mein Tipp: Überprüfen Sie gerade in der jetzigen Zeit alle aktuell erhaltenen Entscheidungen zunächst selbst auf ihre Richtigkeit. Vergleichen Sie auch, soweit möglich, ob die Regelungen des neuen Bürgergeldes aus Ihrer Sicht richtig angewendet wurden. Sollten Sie hier auch auf Nachfrage bei der Behörde nicht weiterkommen, so können Sie anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen.

Zusammenfassend kann aus anwaltlicher Sicht festgehalten werden, dass die Regelungen des SGB 2 insbesondere auch für den Laien nicht immer leicht verständlich sind, aber auch infolgedessen von den Behörden nicht immer sachgemäß umgesetzt werden. Hieran hat sich auch mit der Einführung des Bürgergeldes nicht geändert. Persönlich kenne ich hier beide Seiten der Medaille. Eine sachliche Vorsprache oder ein freundlicher Anruf beim zuständigen Mitarbeiter kann oft helfen, Probleme frühzeitig zu beseitigen. Sollte dies jedoch zeitnah nicht funktionieren, so steht es jedem Hilfebedürftigen frei, einen Anwalt zur Beratung aufzusuchen.

Sollten Fragen oder Probleme im Zusammenhang dem Bezug von Leistungen nach dem SGB 2 oder auch im Vorfeld auftreten, so helfe ich Ihnen gerne aufgrund meiner weitreichenden Erfahrung auf diesem Gebiet - nicht zuletzt in Anbetracht meiner über 11-jährigen Tätigkeit bei der Bundesagentur für Arbeit speziell im Jobcenter - im Rahmen eines Mandatsverhältnisses Gewissheit zu bekommen, welcher Weg in diesem Zusammenhang der richtige ist, sei dies durch gezielte Antragstellung oder durch die Einlegung entsprechender Rechtsbehelfe wie einem Widerspruch oder eine Klage.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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