Das neue Cannabis-Gesetz - die wichtigsten Fragen und Antworten im Verkehrsrecht (Strafen, Grenzwert, MPU usw.)

  • 6 Minuten Lesezeit

Ein Beitrag von Michael Böhler, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht, Konstanz


Zum 01.04.2024 tritt das neue Cannabis-Gesetz (CanG) in Kraft. Die neue Rechtslage wird bei Behörden und Gerichten sicher unterschiedlich gehandhabt werden. Es wird abzuwarten sein, ob es beim „Das haben wir schon immer so gemacht“ bleiben wird oder sich für Betroffene tatsächlich wesentliche Änderungen ergeben. Seit Verabschiedung des Cannabis-Gesetzes stellen sich in der Beratungspraxis zahlreiche Fragen zur Anwendung der neuen Vorschriften. An dieser Stelle möchte ich die wesentlichen umreißen, wobei eine generelle Antwort oft nicht möglich ist, weil der konkrete Fall zu berücksichtigen ist.


Was ändert sich im Straf- und Bußgeldrecht?

Erst einmal nichts. Wer unter Drogeneinfluss am Straßenverkehr teilnimmt, muss weiterhin mit ernsthaften Folgen rechnen, die je nach Grad des Drogeneinflusses und Umständen der Tat mit einem Bußgeldbescheid mit Fahrverbot anfangen und mit der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe (z.B. bei Verursachung eines schweren Verkehrsunfalls mit Todesopfern) enden können. Ab 1,0 ng/ml THC im Blutserum ist eine Ordnungswidrigkeit im Sinne von § 24a Abs. 2 StVG verwirklicht. Weil es im Gegensatz zu Fahrten unter dem Einfluss von Alkohol bisher keine klaren Grenzwerte gibt, kann aber auch schon eine Straftat nach § 315c Abs. 1 Ziff. 1 StGB vorliegen.


Was gilt denn jetzt für den THC-Grenzwert?

Gemäß Pressemitteilung Nr 018/2024 vom 28.03.2024 liegt das Ergebnis der vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) im Dezember 2023 eingerichteten unabhängigen, interdisziplinären Arbeitsgruppe mit Experten aus den Bereichen Medizin, Recht und Verkehr sowie dem Bereich der Polizei vor, in der Pressemitteilung heißt es:

„Die wissenschaftlichen Experten geben danach folgende Empfehlungen ab:

  • Im Rahmen des § 24a StVG wird ein gesetzlicher Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml THC Blutserum vorgeschlagen. Bei Erreichen dieses THC-Grenzwertes ist nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeuges nicht fernliegend, aber deutlich unterhalb der Schwelle, ab der ein allgemeines Unfallrisiko beginnt.
  • Um der besonderen Gefährdung durch Mischkonsum von Cannabis und Alkohol gerecht zu werden, wird empfohlen, für Cannabiskonsumenten ein absolutes Alkoholverbot am Steuer entsprechend der Regelung des § 24c StVG vorzusehen.
  • Es seien Speicheltests mit hoher Empfindlichkeit als Vorscreening – zum Nachweis des aktuellen Konsums erforderlich. Es wird empfohlen, die Details zur Umsetzung dieses Ansatzes auch unter Berücksichtigung der Erfahrungen im Ausland zu klären.

Bei dem vorgeschlagenen Grenzwert von 3,5 ng/ml THC im Blutserum handelt es sich nach Ansicht der Experten um einen konservativen Ansatz, der vom Risiko vergleichbar sei mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille. THC im Blutserum ist bei regelmäßigem Konsum noch mehrere Tage nach dem letzten Konsum nachweisbar. Daher soll mit dem Vorschlag eines Grenzwertes von 3,5 ng/ml THC erreicht werden, dass – anders als bei dem analytischen Grenzwert von 1 ng/ml THC – nur diejenigen sanktioniert werden, bei denen der Cannabiskonsum in einem gewissen zeitlichen Bezug zum Führen eines Kraftfahrzeugs erfolgte und eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeugs möglich ist.

Zur Einführung des von der Expertenarbeitsgruppe empfohlenen Grenzwertes ist laut der Gesetzesbegründung zu § 44 KCanG eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) (§ 24a) durch den Gesetzgeber erforderlich.“

Achtung: Der Grenzwert ist noch nicht verabschiedet, zum 01.04.2024 ändert sich also noch nichts. Wer jedoch bis zur endgültigen Gesetzwerdung des Grenzwerts mit einem niedrigeren Wert festgestellt wird bzw. gegen wen aktuell wegen eines Wertes unter 3,5 ng/ml THC ein Verfahren läuft, sollte sich wehren. Hier empfiehlt es sich, einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens bis zu dem Zeitpunkt zu stellen, in welchem Klarheit herrscht.


Wie prüfe ich meine Fahreignung vor Fahrtantritt?

Wer fahren will, muss zuvor kritisch überprüfen, ob er hierzu auch körperlich und geistig in der Lage ist. Bei einem Grenzwert, der beim Alkohol 0,2 Promille entspricht, ist große Vorsicht geboten, da schnell eine Fehleinschätzung möglich ist, insbesondere, wenn der Konsum bereits längere Zeit zurückliegt.


Welche Folgen hat der Cannabis-Konsums für die Fahrerlaubnis?

Vorsicht: die Fahrerlaubnisbehörde kann ggf.  die Fahrerlaubnis entziehen und vor Neuerteilung eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung wegen vorhandener Eignungszweifel verlangen. Wer regelmäßig Cannabis konsumiert, gilt als ungeeignet zu Führen von Kraftfahrzeugen - es ist auch zu befürchten, dass derjenige, der mit 25 Gramm Cannabis aktenkundig wird, von den Behörden als Regelkonsument eingestuft wird. Auch bei diesen verwaltungsrechtlichen Konsequenzen ändert sich durch das CanG nichts.

Weiterhin gilt: Wer gelegentlich Cannabis konsumiert, ist dann zur Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr geeignet, wenn zwischen Konsum und Fahren getrennt werden kann, vgl. Nr. 9.2. der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung. Aber auch nach dem ersten Verstoß gegen diese Regel gibt es nun Hoffnung, dass die Fahrerlaubnis nicht entzogen wird: Das CanG spricht zwar einerseits von Missbrauch, wenn das Trennungsvermögen fehlt, und spricht dem Betroffen im neuen Nr. 9.2.1. der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung ab, wörtlich heißt es dort: „Das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Cannabiskonsum können nicht hinreichend sicher getrennt werden.“

Andererseits regelt der neue § 13a der Fahrerlaubnisverordnung die Klärung von Eignungszweifeln bei Cannabisproblematik. § 14 Abs. 1 S. 3 FeV, wo es heißt: „Die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens kann angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen.“ wird aufgehoben. Allerdings formuliert § 13a Nr. 2 FeV ab dem 01.04.2024, dass vor Maßnahmen wie der Entziehung der Fahrerlaubnis „2. ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn
  a) nach dem ärztlichen Gutachten zwar keine Cannabisabhängigkeit, jedoch Anzeichen für
  Cannabismissbrauch vorliegen oder sonst Tatsachen die Annahme von Cannabismissbrauch begründen,
  b) wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss begangen wurden,

c) die Fahrerlaubnis aus einem der unter den Buchstaben a und b genannten Gründen entzogen war oder
  d) sonst zu klären ist, ob Cannabismissbrauch oder Cannabisabhängigkeit nicht mehr besteht.“

Es wird abzuwarten sein, wie Behörden und Gerichten sich an die neue Rechtslage anpassen. Ein Ansatz für Betroffene ist, dass der bisher eindeutige § 14 Abs. 1 S. 3 FeV aufgehoben wird. Die Fahrerlaubnisbehörden werden sich vermutlich darauf verlegen, Anzeichen von Cannabismissbrauch zu unterstellen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes wäre ein „Ersttäter“ von der MPU zu verschonen, weil er ja nicht „wiederholt Zuwiderhandlungen“ unter dem Einfluss von Cannabis begangen hat.


Wer wird Abstinenznachweise benötigen?

Nach Beendigung des Missbrauchs kann die Fahreignung wieder vorliegen, wenn die Veränderung des Cannabiskonsumverhaltens stabilisiert ist. Bei einer Abhängigkeit von Cannabis ist die Fahreignung ebenfalls nicht gegeben (Nr. 9.2.3 der Anlage 4 zur FeV), sondern erst wiederhergestellt, wenn die Abhängigkeit nicht mehr besteht und in der Regel ein Jahr Abstinenz nachgewiesen ist (Nr. 9.2.4 der Anlage 4 zur FeV). Nach dieser neuen Systematik müssten Gelegenheitskonsumenten nach einem Verstoß gegen das Trennungsvermögen keine Abstinenznachweise vorlegen, wobei die Auslegung durch Behörden und Gerichte natürlich abzuwarten bleibt.


Verteidigungsmöglichkeiten ausschöpfen, Verteidiger einschalten!

Wenn die Tatbegehung nachgewiesen werden kann, beschränkt sich die Verteidigung meist auf die Abmilderung der Strafe: Hier gilt es insbesondere, ggf. das Fahrverbot abzuwenden, die Sperrfrist zu verkürzen und die schnellstmögliche Wiedererteilung der Fahrerlaubnis zu erreichen. Auch die Höhe der Geldstrafe kann häufig zugunsten des Beschuldigten reduziert und so eine Eintragung im Bundeszentralregister ggf. vermieden werden.

Wem eine Fahrt unter Drogeneinfluss vorgeworfen wird, sollte gegenüber der Polizei keine Angaben tätigen und von seinem Schweigerecht Gebrauch machen, sowie einen auf das Verkehrsrecht spezialisierten Rechtsanwalt mit seiner Verteidigung beauftragen.


Als erfahrener und bundesweit tätiger Verteidiger in Verkehrsstrafsachen und im Bußgeldrecht vertrete ich Sie gerne, ebenso bei allen Problemen rund um die Fahrerlaubnis!




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