Durchsetzung von Gerichtsentscheidungen aus EU-Mitgliedsstaaten (Zivilrecht) in Griechenland
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Nach Erlangung einer deutschen, österreichischen oder einer Gerichtsentscheidung aus einem sonstigen EU-Statt stellt sich in der Praxis oftmals die Frage, ob und wie ein solcher Titel gegebenenfalls in einem anderen europäischen Mitgliedsstaat, zum Beispiel in Griechenland, vollstreckt werden kann. Nicht vergessen werden sollte, im Falle einer Vollstreckung von Geldforderungen auch die Ermittlung bzw. Überprüfung, ob ausreichendes Vermögen für die Durchsetzung der Forderung vorhanden ist.
Dank verschiedener europarechtlicher Regelungen und Instrumentarien ist dies mittlerweile auch in Griechenland leichter möglich als zuvor.
Gerne stehen wir Ihnen bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche bzw. der Abwehr ungerechtfertigter Forderungen mit Rat und Tat zur Seite. Auch im Bereich der Durchsetzung oder Erwirkung von familienrechtlichen Entscheidungen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung
Beispiele auf welchem Wege eine Forderung in Griechenland durchgesetzt werden kann
1. Eine dieser Möglichkeiten ist dabei zunächst die „Grenzüberschreitende Entscheidungsanerkennung“ (Verordnung (EU) Nr. 1215/2012, EuGVVO) über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen.
Erfasst werden davon grundsätzlich alle von einem Gericht eines Mitgliedsstaates der EU erlassenen Entscheidungen, ohne dass es auf die genaue Bezeichnung ankommt (beispielsweise Urteil, Beschluss, Kostenfestsetzungsbeschluss etc.) Die Entscheidung wird hierdurch in einem anderen europäischen Mitgliedsstaat einerseits anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf, und ist anderseits auch in diesem vollstreckbar. Eine zusätzliche Vollstreckbarerklärung ist nicht erforderlich.
Voraussetzung für eine solche Anerkennung und Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung ist dabei, dass der Antragsteller der jeweils zuständigen Vollstreckungsbehörde eine entsprechende Bescheinigung und eine Ausfertigung der Ausgangsentscheidung vorlegt. Für die Ausstellung einer solchen Bescheinigung ist das Ursprungsgericht (also das Gericht, das den zu vollstreckenden Titel ursprünglich erlassen hat) zuständig. Gegebenenfalls ist darüber hinaus eine Übersetzung der Bescheinigung und ausnahmsweise auch der Ausgangsentscheidung in die Sprache des vollstreckenden Mitgliedsstaates erforderlich.
Zu berücksichtigen ist allerdings, dass bei diesem Verfahren die Anerkennung der Entscheidung bei Vorliegen von Anerkennungsversagungsgründen versagt werden kann.
2. Daneben besteht außerdem die Möglichkeit, z. B. deutsche oder österreichische Gerichtsentscheidungen mithilfe eines „Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen“ (Verordnung (EG) Nr. 805/2004, EuVTVO) im europäischen Ausland zu vollstrecken.
Eine Forderung gilt dabei dann als unbestritten und der Anwendungsbereich der Verordnung ist somit eröffnet, wenn der Schuldner der Forderung im gerichtlichen Verfahren zu keiner Zeit nach den maßgeblichen Verfahrensvorschriften des Rechts am Ursprungsmitgliedsstaat widersprochen hat.
Sofern der Anwendungsbereich eröffnet ist, werden alle gerichtlichen Entscheidungen eines Mitgliedsstaates, ohne Rücksicht auf deren Bezeichnung (s. o.), erfasst und ein Vollstreckbarerklärungsverfahren in einem anderen Mitgliedsstaat der EU, in dem die Entscheidung vollstreckt werden soll, entfällt. Dies setzt voraus, dass die zu vollstreckende Entscheidung im Ursprungsmitgliedsstaat als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden ist. Diese Bestätigung muss dabei beim Ursprungsgericht beantragt und durch dieses ausgestellt werden. Auf Grund dieser Bestätigung wird der z. B. österreichische oder Deutsche Titel in einem anderen Mitgliedsstaat anerkannt und auch vollstreckt werden. Der zuständigen Vollstreckungsbehörde muss hierzu die Bestätigung der Gerichtsentscheidung als Europäischer Vollstreckungstitel und eine Ausfertigung der Ausgangsentscheidung vom Antragsteller vorgelegt werden. Gegebenenfalls ist eine Übersetzung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel, nicht aber der Ausgangsentscheidung selbst erforderlich.
Vorteilhaft ist dabei insbesondere, dass die Anerkennung nicht angefochten werden und auch kein Verstoß gegen ordre public geltend gemacht werden kann.
Ob der Antragsteller mittels eines Europäischen Vollstreckungstitels oder der grenzüberschreitenden Entscheidungsanerkennung vorgehen möchte ist ihm überlassen. Er hat insoweit ein Wahlrecht.
3. Als weiteres europarechtliches Instrumentarium steht das „Europäische Mahnverfahren“ (Verordnung (EG) Nr. 1896/2006, EuMahnVO) zur Verfügung.
Auch dieses Verfahren dient dem Zweck, innerhalb der Europäischen Union unbestrittene Forderungen leichter zu betrieben und ist anwendbar auf bezifferte, bereits fällige Geldforderungen.
Hierbei kann bereits im Ausgangsmitgliedsstaat, zum Beispiel in Deutschland, ein Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls unter Verwendung eines Formblatts bei Gericht gestellt werden. Bei Vorliegen aller notwendigen Voraussetzungen erlässt das befasste Gericht den Europäischen Zahlungsbefehl entsprechend dem Antrag.
Gegen diesen kann der Antragsgegner beziehungsweise Schuldner innerhalb einer Frist von 30 Tagen ab dem Zeitpunkt der Zustellung Einspruch einlegen. Tut er dies nicht, so erklärt das Ursprungsgericht den Europäische Zahlungsbefehl für vollstreckbar. In der Folge wird der Europäische Zahlungsbefehl in jedem anderen europäischen Mitgliedsstaat anerkannt und muss vollstreckt werden.
Erforderlich ist dafür grundsätzlich, dass der Antragsteller der zuständigen Vollstreckungsbehörde, in dem jeweiligen anderen Mitgliedsstaat, in dem die Zwangsvollstreckung betrieben werden soll (beispielsweise in Griechenland), eine Ausfertigung des für vollstreckbar erklärten Europäischen Zahlungsbefehls und gegebenenfalls eine Übersetzung vorlegt.
Von Vorteil ist bei diesem Verfahren ebenfalls, dass die Anerkennung des europäischen Zahlungsbefehls nicht versagt werden kann.
4. Darüber bieten sich es im Weiteren ein „Europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen“ (Verordnung (EG) Nr. 861/2006, EuBagVO), welches mit EuVTVO und EuMahnVO in einem zusammengehörigen Gesetzgebungswerk steht, sowie ein „Verfahren für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontopfändung“ (Verordnung (EU) Nr. 655/2014, EuKtPVO), um die grenzüberschreitende Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen zu erleichtern.
5. Familienrecht
Auch im Bereich von Ehe- und Familiensachen ist Griechenland ein Staat, bei dem die bestehenden und immer weiter im Ausbau begriffen Instrumente, welche die Europäische Union zur Verfügung stellt, sehr hilfreich sind. Hierzu werden wir Sie gerne auch gesondert informieren.
Immer sind zudem die oft auch lokalen Besonderheiten in Griechenland, wie z. B. das Grundbuchwesen auf den Dodekanes-Inseln (z. B. Rhodos, Kos, Nissiros usw.), zu beachten.
Anmerkung: Die hier gemachten Angaben, unterliegen einer häufigen Anpassung und sollen lediglich als erster Überblick dienen und erfolgen ohne Gewähr. Auf jeden Fall sollte zwecks Durchsetzung von gerichtlichen Entscheidungen in Griechenland oder der Abwehr von Forderungen ein Rechtsbeistand konsultiert werden.
Vassilis Gerold Karkazis
Rechtsanwalt & Δικηγόρος
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