Abwerbung von Mitarbeitern

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In Zeiten knapper Arbeitskräfte rücken Abwerbungen von Mitarbeitern ganz besonders bei Mitbewerbern ins Rampenlicht. Gesucht werden nicht nur gut ausgebildete junge Menschen, sondern auch die Spezialisten und Fachkräfte aus der eigenen Branche, die in vielfältiger Hinsicht dem Abwerber nutzen können.

Die Freiheit des Wettbewerbs erstreckt sich grundsätzlich auch auf die Nachfrage von Arbeitnehmern. Unternehmer haben keinen Anspruch auf den Bestand ihrer Mitarbeiter. Das Abwerben von Mitarbeitern ist deshalb grundsätzlich erlaubt. Das gilt auch dann, wenn die Abwerbung bewusst und planmäßig, durch Personalberater oder Headhunter erfolgt. Es spielt auch keine Rolle, wie viele Mitarbeiter abgeworben werden, selbst wenn dadurch der Arbeitgeber geschwächt wird. Der Arbeitgeber hat Möglichkeiten, dagegen anzusteuern. Er kann Zugeständnisse machen oder Wettbewerbsverbote vereinbaren.

Das Problem

Das Abwerben von Beschäftigten eines Mitbewerbers kann unter bestimmten Umständen unlauter sein, insbesondere wenn dies mit unlauteren Mitteln oder unlauteren Methoden erfolgt oder die Unlauterkeit in der Verfolgung verwerflicher Ziele besteht.

Unlautere Methoden und Ziele der Abwerbung

Grundsätzlich dürfen Mitarbeiter eines Mitbewerbers abgeworben werden, auch wenn dies planmäßig erfolgt und auch dann, wenn es sich um Beschäftigte in Spitzenpositionen handelt. Anders kann es sich hingegen verhalten, wenn die Methoden der Abwerbung oder die verfolgten Ziele als unlauter angesehen werden müssen. In einem solchen Verhalten kann eine unlautere Behinderung des Mitbewerbers oder eine Verleitung zum Vertragsbruch liegen.

Beispiele: Der Mitbewerber soll durch planmäßiges Ausspannen eingearbeiteter Arbeitskräfte geschädigt werden; Arbeitskräfte werden dem Mitbewerber zielbewusst zum eigenen Vorteil ausgespannt, auch auf die Gefahr hin, dass der Mitbewerber dadurch in seiner geschäftlichen Tätigkeit ernstlich behindert, beeinträchtigt oder in seiner geschäftlichen Leistungsfähigkeit geschwächt wird; planmäßiges Herüberziehen von Arbeitskräften des Mitbewerbers, um sich dessen Erfahrungen und Leistungen nutzbar zu machen; Einbruch in dessen Kundenstamm, indem die Abgeworbenen in ihren bisherigen Wirkungskreis gegen ihren bisherigen Arbeitgeber eingesetzt werden.

Es kommt nicht entscheidend auf die Zahl der Abgeworbenen an, sondern auf die mit der Abwerbung verfolgte Zielrichtung. So kann schon der – erfolglose – Versuch der Abwerbung eines einzigen Beschäftigten (eines Spezialisten oder einer Schlüsselkraft) bereits sittenwidrig sein oder auch der Versuch als Beginn der Ausführung eines auf einen größeren Umfang angelegten und das Unternehmen des Mitbewerbers ernstlich gefährdenden Abwerbungsplanes. Diese Rechtsprechung erfährt zunehmend auch Kritik.

Unlauter soll es sein, wenn abgeworbene Mitarbeiter gar nicht gebraucht oder ohne Rücksicht auf andere Möglichkeiten des Arbeitsmarktes gerade Beschäftigte eines bestimmten Mitbewerbers abgeworben werden

Ein Unlauterkeitsmerkmal wird auch darin gesehen, dass ein Unternehmer die Abwerbung von Mitarbeitern einsetzt, um ohne nennenswerte finanzielle oder wirtschaftliche Anstrengungen ganze Geschäftsbereiche, Abteilungen oder Niederlassungen eines konkurrierenden Unternehmens einschließlich der damit verbundenen Kunden zu übernehmen. Der Grund soll darin bestehen, dass der Abwerbende in solchen Fällen nur die Kosten und ggf. ein Handgeld für die künftige Tätigkeit der Mitarbeiter in seinem Unternehmen aufwenden muss, um eine vom Mitbewerber mit zusätzlichen Zeit- und Kostenaufwand aufgebaute Unternehmenseinheit zu übernehmen und den Mitbewerber selber vom Markt zu verdrängen.

Infolge der Übernahme ganzer Unternehmensbereiche ist der Mitbewerber nicht mehr in der Lage, seine Leistungen durch eigene Anstrengungen am Markt in angemessener Weise zur Geltung zu bringen. Erschwerend kann zudem berücksichtigt werden, dass die Übernahme der Mitarbeiter putsch- und handstreichartig erfolgt und neben den Mitarbeitern auch Kunden, Kundendaten, Lieferanten und Produktionsmittel in einer Art und Weise übernommen werden, dass dem Mitbewerber keine ernsthafte Möglichkeit verbleibt, der Übernahme entgegenzusteuern.

Mittel und Methoden

Nicht nur das Abwerben von Mitarbeitern zur Schädigung des Mitbewerbers als Tatbestand der Behinderung, sondern auch die Einwirkung auf den Mitarbeiter des Mitbewerbers selbst kann methodisch unlauter sein, insbesondere, wenn der Abwerbende den Beschäftigten über die Umstände täuscht oder dessen Willen anderweitig in ungehöriger Weise zu beeinflussen versucht, oder er trotz eindeutiger Ablehnung des Betroffenen erneute Versuche unternimmt, diesen zu einem Wechsel zu bewegen.

Beschäftigungsverbot als Sanktionsmöglichkeit

Neben Unterlassungsansprüchen erscheint insbesondere das Beschäftigungsverbot als Schadensersatz im Wege der Naturalrestitution interessant.

Sittenwidriges Abwerben von Arbeitskräften kann nach bisheriger Rechtsprechung grundsätzlich ein Beschäftigungsverbot zur Folge haben, das – zeitlich befristet – auch im einstweiligen Verfügungsverfahren verhängt werden kann. Der BGH begründet bisher derartige Beschäftigungsverbote in besonderen Ausnahmefällen damit, dass sie darauf gerichtet sind, zu verhindern, dass durch die Abwerbung ein unlauterer Vorteil erlangt wird.

Jüngst hat der BGH offengelassen, ob an dieser Rechtsprechung angesichts der betroffenen Interessen Dritter (Arbeitnehmer, Kunden), oder der damit verbundenen Beschränkung des freien Wettbewerbs festzuhalten ist. Angesichts der deutlichen Betonung der berechtigten, grundrechtlich (Art. 12 I GG) geschützten Interessen der Arbeitnehmer hat der BGH Zweifel, ob solche Beschäftigungsverbote überhaupt noch in Betracht kommen, oder ob der Geschädigte einer unlauteren Abwerbung von Mitarbeitern sich nicht auf die Liquidation von Schadensersatzansprüchen in Geld verweisen lassen muss.

Die Verhängung eines Beschäftigungsverbotes scheidet nach gefestigter Rechtsprechung aus, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse zwischenzeitlich so geändert haben, dass das Ziel des Beschäftigungsverbots nicht mehr erreicht werden kann. Das Beschäftigungsverbot soll dem Verletzer nur die Vorteile nehmen, die er sich durch die Abwerbung unzulässig verschafft hat. Das Beschäftigungsverbot kann zwar den ursprünglichen Zustand nicht wiederherstellen, aber geeignet sein, es dem Geschädigten zu ermöglichen, den durch die Abwerbung zugefügten Nachteil wieder aufzuholen, ohne gleichzeitig gegen den rechtswidrig erlangten Vorteil des Konkurrenten ankämpfen zu müssen. Der zeitliche Umfang des Beschäftigungsverbotes ist dafür danach zu bemessen, ob und inwieweit im konkreten Fall noch ein Schadensausgleich erreichbar ist. Die Frist schätzt das Gericht.

Interessenabwägung

Beschäftigungsverbote betreffen widerstreitende Interessen. Es bedarf deshalb einer notwendigen Interessenabwägung. Einerseits muss die Verhängung eines Beschäftigungsverbots die weitere wirtschaftliche Tätigkeit des Verletzten sichern, z. B. wenn Kunden oder abgeworbene Mitarbeiter zum Verletzten zurückkehren.

Andererseits kann Naturalrestitution nicht verlangt werden, wenn sie nur unter Verletzung der Rechte Dritter erfolgen könnte. Aufgrund der immanenten Drittwirkung von Art. 12 I GG ist deshalb eine Interessenabwägung vorzunehmen, die nur dann ein Beschäftigungsverbot rechtfertigen kann, wenn abgeworbene Arbeitnehmer selbst rechtswidrig gehandelt haben. Dazu ist ein unlauteres, arbeitsvertragswidriges oder vorsätzlich sittenwidriges (§ 826 BGB) Verhalten der abgeworbenen Arbeitnehmer notwendig.

Da Arbeitnehmer grundsätzlich berechtigt sind, unter Einhaltung der Kündigungsfrist den Arbeitgeber zu wechseln, ohne dabei auf die wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers Rücksicht nehmen zu müssen, müssen Beweggründe vorliegen, die für ein unlauteres und/oder sittenwidriges Verhalten der Arbeitnehmer sprechen. Liegt solches Verhalten nicht vor, haben abgeworbene Arbeitnehmer wirksame Arbeitsverträge abgeschlossen, in die bei Verhängung eines Beschäftigungsverbots erheblich eingegriffen würde.

Arbeitnehmer haben ein schützenswertes Interesse daran, weiterbeschäftigt zu werden. Der Eingriff in ihre Arbeitsverhältnisse kann nicht mit der Erwägung gerechtfertigt werden, dass ihnen der Lohnfortzahlungsanspruch verbliebe. Dieser Anspruch ginge möglicherweise ins Leere, wenn der Abwerber bei Verhängung der Beschäftigungsverbote nicht mehr existieren könnte.

Die Ansprüche der Arbeitnehmer treten auch nicht deshalb gegenüber den Ansprüchen des Verletzten zurück, weil dieser gerne die alten Mitarbeiter wieder beschäftigen würde. Ist den Arbeitnehmern selbst kein Rechtsverstoß nachzuweisen und können sie deshalb ihren Arbeitsplatz frei wählen, müssen sie sich auf diese Alternative nicht verweisen lassen und können auch nicht mittels eines Beschäftigungsverbots zur Rückkehr gezwungen werden. Dies würde einen so tiefgreifenden Eingriff in Art. 12 I 1 GG bedeuten, der bei nicht vertragswidrigen, unlauteren oder sittenwidrigen Handlungsweisen der Arbeitnehmer nicht zu rechtfertigen ist.

Konsequenzen für die Praxis:

Beschäftigungsverbote abgeworbener Mitarbeiter erscheinen ohne Frage als eine effektive Maßnahme, den Abwerber im Wettbewerb wieder einzubremsen. Wie man sieht, scheitert ein solches Vorgehen aber wohl in den allermeisten Fällen entweder an dem fehlendem, unlauterem oder sittenwidrigem Verhalten des Abwerbers oder des bzw. der abgeworbenen Mitarbeiter.

Ob es ein Trost sein kann, dass dem Verletzten seine Schadensersatzansprüche verbleiben, erscheint eher als schwacher Trost. Eine Schadensersatzpflicht besteht sicherlich, wenn sich ein Schaden quantifizieren lässt, aber zugleich auch nur, wenn dafür ein Verschulden nachgewiesen werden kann, was im Einzelfall nicht weniger Schwierigkeiten bereiten dürfte als ein unlauteres Verhalten, das nicht eine Frage des Beweises, sondern eine Tatfrage ist.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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