Amtsgericht Kassel: 3-jährige Verjährungsfrist von Schadenersatzansprüchen bei Filesharing

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In vielen Filesharing-Fällen stellt sich die Frage der Verjährung der in den Abmahnungen geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Erstattung der Rechtsanwaltskosten und Schadenersatz. Einigkeit besteht jedenfalls darin, dass der Unterlassungsanspruch und der Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten der abmahnenden Kanzleien in drei Jahren verjähren. Die Verjährung beginnt dabei mit Ablauf des Jahres, in dem die Ansprüche entstanden sind und der Gläubiger Kenntnis von den den anspruchsbegründenden Umständen und des Schuldners erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Nicht so ganz eindeutig ist allerdings die Frage der Verjährungsfrist hinsichtlich der Schadenersatzansprüche im Rahmen des illegalen Filesharings. Insbesondere die Rechteinhaber stützen sich bei dieser Frage auf die Vorschriften des § 102 S.2 Urheberrechtsgesetz i.V.m. § 852 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Danach soll die Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche in Fällen des illegalen Filesharings 10 Jahre betragen. Auch die Gerichte neigen wohl in der Mehrheit dazu, die 10-jährige Verjährungsfrist zu bejahen. Man beruft sich in diesem Zusammenhang auch auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 27.10.2011, Az. I ZR 175/10. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der § 102 S.2 UrhG i.V.m. § 852 BGB ist aber nach dem Bundesgerichtshof, dass der Schädiger, also der wegen illegalen Filesharings Abgemahnte, tatsächlich etwas erlangt hat. Dies kann die ersparte Lizenzgebühr sein, wenn die Wahrnehmung des Urheberrechts typischerweise nur gegen eine Lizenzgebühr eingeräumt wird.

Neben dem Amtsgericht Bielefeld hat nun auch das Amtsgericht Kassel entschieden, dass diese Voraussetzungen bei Filesharing-Sachverhalten nicht vorliegen (AG Kassel, Urteil vom 24.07.2014, Az. 410 C 625/14), weil der Abgemahnte keine Lizenzgebühr erspart habe.

Beide Amtsgerichtsentscheidungen kommen sonach zu dem Ergebnis, dass auch der Schadenersatzanspruch bei einer Urheberrechtsverletzung wegen illegalem Filesharing der dreijährigen Verjährungsfrist unterliegt. Das AG Kassel führt in seinem Urteil aus:

„… Hier liegen jedoch die tatsächlichen Verhältnisse anders, sodass die Grundsätze der eben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorliegend keine Anwendung finden können. Denn dem erkennenden Gericht ist kein Anbieter bekannt, der Werke der Musik oder Filmwerke dergestalt lizenziert, dass sie im Wege des Filesharings angeboten werden können. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die Klägerin – wie alle dem erkennenden Gericht bekannten Gläubiger vergleichbarer Ansprüche – Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie begehren. Lizenzanalogie bedeutet aber, dass zumeist im Wege der Schätzung ein Schadensersatzanspruch danach ermittelt wird, was dem verletzten Urheber an Lizenzgebühren entgangen ist. Ein bereicherungsrechtlich abschöpfbarer Vorteil muss dabei dem Schädiger gar nicht entstanden sein. So ist es hier. Der Hauptzweck des typischen Nutzers einer Internet-Tauschbörse beim Filesharing liegt darin, beispielsweise das Musikstück zu erhalten. Der technisch damit zugleich verbundene Upload wird damit gleichsam nur als notwendiges Übel verbunden, ohne dass er zielgerichtet beabsichtigt ist. Es wird allenfalls billigend in Kauf genommen, dass ein weiterer Teilnehmer der Tauschbörse nunmehr in der Lage ist, dasselbe Musikstück seinerseits herunter zu laden. Er erspart sich mithin keine Lizenzgebühren, weil er diese auch bei einer legalen Vorgehensweise gerade nicht bezahlt hätte. Gezahlt worden wäre allenfalls der übliche Kaufpreis etwa einer CD. Denn dem Nutzer geht es beim Filesharing nur um den Gebrauch des konkreten Werkes für eigene Zwecke, nicht um die darüber hinausgehende Nutzung oder gar Verbreitung. Darin unterscheidet sich der typische Tauschbörsenteilnehmer von demjenigen, der etwa seine Verkaufsstätte mit Musikwerken beschallt, um damit das Kaufverhalten potentieller Kunden zu befördern. Ein solcher Urheberrechtsverletzer würde bei legalem Vorgehen nämlich entsprechende Lizenzgebühren bezahlen. Das erkennende Gericht folgt insoweit der Rechtsprechung des Amtsgerichts Bielefeld (Urteil vom 06.03.2014 – 42 C 368/13, zit. n. Juris Rdnr. 16). Dabei berücksichtigte das Gericht auch, dass typischerweise die verwendeten Programme den Upload nicht vollständig durchführen, sondern nur Bruchteile der Dateien wieder in die Tauschbörse einstellen, auch wenn diese Bruchteile notwendig sind, damit der nächste Tauschbörsenteilnehmer wieder die gesamte Datei auf seinen Computer herunter laden kann.“

Fazit: Es bleibt dennoch fraglich, ob sich diese Ansicht des AG Kassel und des AG Bielefeld wird durchsetzen können (auch im Falle einer Berufung). Derzeit stellt diese Auffassung wohl „nur“ eine Mindermeinung dar, die aber sehr wohl vertretbar ist.



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