Arbeitgeber muss Ungeimpfte nicht beschäftigen

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Arbeitgeber muss Impfunwillige nicht beschäftigen

15.04.2022

Von Heiko Effelsberg, LL.M. (Münster)

Mit dem 15.03.2022 ist die einrichtungsbezogene Impfpflicht nach § 20a Infektionsschutzgesetz in Kraft getreten. Seitdem dürfen in Krankenhäusern, Rettungsdiensten, Pflege- oder Seniorenheimen, Arztpraxen oder in der ambulanten Pflege grundsätzlich nur Personen beschäftigt werden, die vollständig geimpft sind oder einen aktuellen Genesenennachweis vorlegen können. Die Umsetzung der Regelung hat in der Praxis für eine Reihe von Umsetzungsproblemen gesorgt, die nun die Gerichte beschäftigen. Eine erste Entscheidung zu einem Teilkomplex hat das Arbeitsgericht Gießen (Urt. v. 12.04.2022, Az.: 5 Ga 1/22 und 5 Ga 2/22) in der vergangenen Woche erlassen.

Das Infektionsschutzgesetz differenziert in der Behandlung von Ungeimpften in den betroffenen Bereichen. Die Beschäftigung von ungeimpften Personal, das nach dem 15.3.2022 eingestellt wird, ist generell unzulässig. Bezüglich der am Stichtag bereits beschäftigten Arbeitnehmer muss das Unternehmen den Impfstatus an das Gesundheitsamt melden. Das Gesundheitsamt wiederum kann mittels Verwaltungsakt dem Unternehmer die Beschäftigung der Mitarbeiter mit ungenügendem Impfstatus untersagen. Erst ab Zugang des Verwaltungsaktes beim Arbeitgeber ist die Beschäftigung des Arbeitnehmers untersagt, davor also rechtlich zulässig. Diese Regelung gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seinen Impfstatus nicht nachweisen kann.

In dem vom ArbG entschiedenen Sachverhalt hatte nunmehr der Betreiber eines Seniorenheims entschieden, die zwei Mitarbeiter, die ihm nach dem 15.3.2022 keinen Nachweis einer Impfung oder einer Genesung vorlegen konnten, von der Arbeit freizustellen. Denn der Geschäftsführer wertete den Schutz der Senioren höher ein als das Beschäftigungsinteresse der Mitarbeiter. Hiergegen beantragten die beiden Arbeitnehmer – eine Pflegekraft und ein Wohnbereichsleiter – den Erlass einer einstweiligen Verfügung und verlangten Weiterbeschäftigung.

Vor dem ArbG Gießen hatten sie damit jedoch keinen Erfolg. Das Gericht teilte die Einschätzung des Arbeitgebers, dass es zwar kein Beschäftigungsverbot bis zum Zugang des Verwaltungsaktes gibt. Allerdings sei dem Arbeitgeber unbenommen, in einem Fall der widerstreitenden Interessen zwischen ungeimpften Arbeitnehmern und zu schützenden Bewohnern dem Interesse der Bewohner den Vorrang einzuräumen. Insofern verblieb es bei der Freistellung der Arbeitnehmer.  

Die Entscheidung entspricht vorherigen Entscheidungen verschiedener Arbeitsgerichte, die im Zusammenhang mit COVID-19 dem Gesundheitsschutz der Belegschaft oder der „Kunden“ im Gesundheitsbereich eine höhere Bedeutung als den Individualrechten Ungeimpfter zugewiesen hat.

Eine interessante, wenn auch unbeantwortete Frage ist jedoch, ob die Arbeitnehmer während der Freistellung einen Anspruch auf Entlohnung haben. Die wohl herrschende Ansicht lehnt einen Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers dann ab, weil die geschuldete Arbeitsleistung nur dann angeboten werden kann, wenn der Arbeitnehmer geimpft oder genesen ist. Dies ist grundsätzlich zu befürworten. Fraglich ist nur, ob es eine Beschäftigungspflicht geben kann, wenn Teile der Arbeitsplätze des Arbeitgebers nicht unter § 20a InfSG fallen und die Arbeitnehmer dort zulässig beschäftigt werden könnten. Dies wird jedoch nur in seltenen Fällen gegeben sein.

Fuhlrott hat in einem Beitrag für die Legal Tribune Online LTO angemerkt, dass eine Ausnahme anzuerkennen sein dürfte, nämlich dann, wenn der Arbeitnehmer durch ein ärztliches Attest nachweisen kann, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden kann. Dann soll der AN als arbeitsunfähig anzuerkennen sein und ihm sollten Leistungen nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz gewährt werden. Fraglich ist dann allerdings, was nach dem Ablauf der 6wöchigen Fortzahlungsdauer passiert, da Krankengeld von der Krankenkasse nur gewährt wird, wenn die Voraussetzungen gegeben sind.

Zum Autor:

RA Effelsberg ist Inhaber der Rechtsanwaltskanzlei Effelsberg mit Büros in Düsseldorf und Essen. Er berät und vertritt regelmäßig Mandanten an der Schnittstelle von Arbeits- und Medizinrecht.


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