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Arbeitnehmerhaftung: Missgeschick, Unfall oder Absicht?

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Arbeitnehmerhaftung: Missgeschick, Unfall oder Absicht?

Kleine Missgeschicke oder Fehler unterlaufen jedem mal. Im Arbeitsalltag können aber selbst kleinste Nachlässigkeiten (z. B. ein vergessenes Warnschild, ein loses Kabel oder eine vergessene Null in der Kalkulation) schon große Schäden nach sich ziehen. Dann stellt sich für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen die Frage, ob der Arbeitnehmer einen solchen Schaden aufkommen muss.

Im deutschen Schadensrecht gilt grundsätzlich das „Alles oder Nichts-Prinzip“. Diese Grundregel besagt, dass man grundsätzlichen jeden Schaden zu hundert Prozent ersetzen muss, den man durch fahrlässiges oder gar vorsätzliches Handeln verursacht hat. Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um ein Malheur handelt, das jedem hätte passieren können oder um einen absichtlich zugefügten Schaden. Sobald man sich einen Vorwurf machen lassen muss – und sei es nur die geringste Fahrlässigkeit –, muss man den angerichteten Schaden in voller Höhe ersetzen.

Beschränkte Arbeitnehmerhaftung – die Ausnahme vom „Alles oder Nichts-Prinzip“

Im Arbeitsrecht würde die uneingeschränkte Anwendung des „Alles oder Nichts-Prinzips“ aber zu sehr unbilligen und damit ungerechten Ergebnissen führen. Durch die Arbeitsteilung übernimmt der Arbeitgeber in der Regel meist nur logistische und organisatorische Aufgaben, während der Arbeitnehmer an der viel fehleranfälligeren Basis arbeitet. Die Arbeit des Arbeitnehmers ist deshalb schon naturgemäß deutlich fehlergeneigter als diejenige des Arbeitgebers. Dabei ist der Arbeitnehmer oft verpflichtet mit Betriebsmitteln zu arbeiten, die viel mehr wert sind, als er selbst im Jahr verdient. Gleichzeitig handelt es sich bei seiner Arbeit um ein fremdbestimmtes und fremdgeplantes Risiko, von dem allein der Arbeitgeber profitiert, weil er den gesamten erwirtschafteten Gewinn erhält.

Da selbst dem sorgfältigsten Mitarbeiter Fehler unterlaufen können, seine Arbeit von Haus aus fehleranfälliger ist als diejenige des Arbeitgebers und die Höhe des Schadens meist nicht im Verhältnis zum Verdienst des Mitarbeiters steht, wäre die uneingeschränkte Haftung nach dem „Alles oder Nichts-Prinzip“ nicht angemessen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat deshalb speziell für Arbeitnehmer eigene Haftungsgrundsätze entwickelt, nach denen sie nicht für jeden Fehler geradestehen müssen. Diese Regelungen bezeichnet man als „beschränkte Arbeitnehmerhaftung“ oder „innerbetrieblichen Schadensausgleich“.

Was besagt die beschränkte Arbeitnehmerhaftung?

Die beschränkte Arbeitnehmerhaftung besagt, dass Arbeitnehmer in bestimmten Konstellationen nur beschränkt oder sogar überhaupt nicht für verursachte Schäden haften. Um der Sonderbeziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gerecht zu werden, setzt die Rechtsprechung bei der Haftungsaufteilung das Betriebsrisiko des Arbeitgebers ins Verhältnis zum Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers bei der Schadensverursachung. Entscheidend für die Frage, ob ein Arbeitnehmer einen verursachten Schaden am Firmeneigentum ersetzen muss, ist daher der Grad des Verschuldens, sprich welchen Vorwurf sich der Arbeitnehmer machen lassen muss. Die Höhe des zu ersetzenden Schadens schwankt abhängig davon, ob der Arbeitnehmer leicht fahrlässig, fahrlässig, grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat zwischen 0 % und 100 %.

Wann sind die Regeln der beschränkten Arbeitnehmerhaftung anwendbar?

Voraussetzung dafür, dass die von der Rechtsprechung entwickelten besonderen Haftungsregeln angewendet werden können, ist, dass der Schaden bei einer betrieblichen oder zumindest betrieblich veranlassten Tätigkeit entstanden ist. Eine solche betrieblich veranlasste Tätigkeit liegt immer dann vor, wenn sie dem Arbeitnehmer arbeitsvertraglich übertragen worden ist oder er sie im Interesse des Arbeitgebers für den Betrieb ausführt. Der zu ersetzende Schaden darf damit nicht bei einer Tätigkeit entstanden sein, die im Eigeninteresse des Arbeitnehmers liegt oder die dieser gegen den Willen oder die Anordnung des Arbeitgebers vorgenommen hat.

Beruht die schadensverursachende Handlung auf einem betrieblichen Interesse, sind die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung immer anwendbar. Sie können weder im Arbeitsvertrag noch in einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag ausgeschlossen werden.

Welche Schäden müssen Arbeitnehmer immer ersetzen?

Auch nach den Grundsätzen der beschränkten Arbeitnehmerhaftung können Arbeitnehmer für einen entstandenen Schaden voll in die Verantwortung genommen werden. Das ist immer dann der Fall, wenn sie den Schaden entweder vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht haben. Von grober Fahrlässigkeit sprechen die Juristen immer dann, wenn ganz naheliegende Sorgfaltsregeln, die in der gegebenen Situation jeder befolgt hätte, außer Acht gelassen werden und selbst einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden. Das ist z. B. der Fall, wenn ein LKW-Fahrer eine rote Ampel überfährt oder große und sensible Maschinen unter Alkoholeinfluss bedient werden.

Vorsätzlich und grob fahrlässig verursachte Schäden müssen Arbeitnehmer in der Regel vollständig ersetzen. Nur in ganz besonderen Ausnahmefällen können die Umstände des konkreten Einzelfalls dazu führen, dass Arbeitnehmer trotz grob fahrlässigem Handeln nur einen Teil des angerichteten Schadens zu tragen haben.

Welche Schäden muss stets der Arbeitgeber übernehmen?

Schäden, die auf schlicht menschlichem Versagen beruhen, muss in der Regel immer der Arbeitgeber aufgrund seines Betriebsrisikos übernehmen. Nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung müssen Arbeitnehmer deshalb keine Schäden ersetzen, die lediglich durch leicht fahrlässiges Handeln entstanden sind. Die leichte Fahrlässigkeit ist quasi das Gegenstück zur groben Fahrlässigkeit und liegt immer bei besonders geringfügigen Sorgfaltspflichtverletzungen vor wie dem klassischen Versprechen, Vergreifen, Vertippen etc. Aber auch das versehentlich Umschmeißen der Kaffeetasse oder Stolpern über ein Kabel fällt in diese Rubrik.

Wann wird die Haftung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aufgeteilt?

Entsteht der Schaden durch ein normal fahrlässiges Verhalten des Arbeitnehmers, also eine Fahrlässigkeit, die weder besonders schwerwiegend noch besonders geringfügig ist, wird die Haftung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aufgeteilt. Arbeitnehmer müssen deshalb Schäden, die auf einer schlichten gewöhnlichen Verletzung der üblichen Sorgfaltspflichten beruhen, nur zum Teil ersetzen. Im Regelfall müssen sie die Hälfte des entstandenen Schadens übernehmen, während der Arbeitgeber die andere Hälfte selbst tragen muss.

Welche Kriterien spielen bei der Arbeitnehmerhaftung noch eine Rolle?

Die Sonderregelungen der Arbeitnehmerhaftung sollen verhindern, dass Arbeitnehmer durch kleine Fehler, die sich zu einem gewissen Grad selbst bei der größten Sorgfalt nicht verhindern lassen, in den wirtschaftlichen Ruin getrieben werden. Bei der konkreten Haftungsaufteilung und -reduzierung stellt der Verschuldensgrad aber lediglich das wichtigste Bemessungskriterium da. Zur Feinabstimmung der Haftungsquote werden daneben noch eine Reihe weiterer Billigkeitsgesichtspunkte herangezogen wie z. B. das Verhältnis von Schadenshöhe zum Gehalt des Arbeitnehmers, das bisherige Verhalten des Arbeitnehmers, seine persönlichen Verhältnisse (insbesondere Unterhaltsverpflichtungen) und die Gefahrengeneigtheit der Arbeit. Unter der Gefahrengeneigtheit der Arbeit versteht man das Risiko, das mit einer bestimmten Tätigkeit zusammenhängt. Diese ist z. B. bei der Arbeit mit gefährlichen Chemikalien deutlich höher als bei der Arbeit einer Sekretärin.

Die Haftungsquote wird damit nicht nur anhand des Verschuldens des Arbeitnehmers ermittelt, sondern nach der Abwägung der Gesamtumstände festgesetzt. Hierzu zählt auch eine etwaige Mitschuld des Arbeitgebers oder seine Entscheidung, ein bestimmtes Risiko nicht zu versichern. Hätte der Arbeitgeber die Möglichkeit gehabt das verwirklichte Risiko auf eine Versicherung zu übertragen, muss der Arbeitnehmer maximal den Betrag der fiktiven Selbstbeteiligung ersetzen.

Keine Haftung für Personenschäden

Diese Grundsätze der Haftungsprivilegierung gelten nur bei Sachschäden. Für Personenschäden muss der Arbeitnehmer grundsätzlich überhaupt nicht haften, solange er diese nicht vorsätzlich verursacht hat. Grund dafür ist, dass für Personenschäden nach dem siebten Sozialgesetzbuch (SGB VII) die gesetzliche Unfallversicherung einzutreten hat. Sind Arbeitnehmer für die Verletzung eines Kollegen verantwortlich, gilt deshalb der Grundsatz „Haftungsablösung durch Versicherung“, vorausgesetzt der Arbeitnehmer hat nicht vorsätzlich gehandelt.

Haftung für Sachschäden bei Kunden, Kollegen und sonstigen Dritten

Die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung gelten nur innerhalb des Arbeitsverhältnisses. Die Regelungen sind deshalb nicht anwendbar, wenn der Arbeitnehmer nicht Firmeneigentum beschädigt, sondern das Eigentum von Kunden, Kollegen und sonstigen Dritten. Im Verhältnis zu diesen Personen kann die Haftung daher nicht nach den Regeln der beschränkten Arbeitnehmerhaftung gemindert sein, sodass sie ihren Schadensersatzanspruch immer gegenüber dem Arbeitnehmer als Schädiger geltend machen können. Da sich aber auch hier das Betriebsrisiko des Arbeitgebers verwirklicht, wenn es sich um eine betrieblich veranlasste Tätigkeit handelt, werden Arbeitnehmer nicht vollständig schutzlos gestellt. Sie erhalten einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber, wenn sie im Falle eines Schadens am Firmeneigentum nach den Grundsätzen der beschränkten Arbeitnehmerhaftung gar nicht oder nur teilweise gehaftet hätten.

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