Auch Darlehensverträge nach 2010 sind widerrufbar

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Eins der aktuell meist diskutierten Themen des Verbraucherrechts sind die Widerrufsmöglichkeiten von Darlehensverträgen. Fälschlicherweise wird oft die Annahme vertreten, dass nur Darlehensverträge bis 2010 widerrufbar seien. Dem ist nicht so. Tatsächlich können auch zahlreiche Verträge, die nach 2010 geschlossen wurden, widerrufen werden.

Warum 2010 oft als Grenze gesehen wird

Häufig wird davon gesprochen, dass Darlehensverträge, die bis 2010 geschlossen wurden, widerrufbar seien, spätere aber nicht. Das hängt damit zusammen, dass im Jahr 2010 eine Gesetzesänderung des Widerrufsrechts im Allgemeinen vollzogen wurde, die zwangsläufig auch das Widerrufsrecht von Verbraucherdarlehen betraf. Bis 2010 mussten die Widerrufsbelehrungen strikten Vorgaben folgen. Die Belehrungen mussten die Unternehmen und Banken entweder selbst aufsetzen oder konnten das Muster der Bundesregierung übernehmen. Das Problem: Viele Gerichte, darunter auch der BGH, bemängelten das Muster der Bundesregierung als unzureichend. Die Widerrufsbelehrungen waren folglich oftmals falsch, weshalb die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann. Deshalb wird oft davon gesprochen, dass Darlehensverträge aus den Jahren bis 2010 widerrufen werden können, was meist zutrifft.

Durch die Gesetzesänderung 2010 galten zwar immer noch strenge Voraussetzungen für die Widerrufsbelehrung, aber dem Einführungsgesetz zum BGB (EBGB) liegt seit dem ein Muster für die Widerrufsbelehrung bei, dass als rechtskonform und ausreichend erachtet wird. Da nahezu alle Unternehmen und Banken dieses Muster übernahmen, gab es angeblich kaum noch fehlerhafte Widerrufsbelehrungen.

Aus diesen Gründen ist zumeist die Rede davon, dass Verträge aus den Jahren bis 2010 widerrufbar seien, wohingegen spätere Verträge nicht widerrufen werden könnten.

Warum auch Verträge vor 2010 nicht widerrufbar sind und spätere aber doch

Vor allem die folgenden beiden Gerüchte halten sich hartnäckig:

  1. Alle Verträge aus den Jahren bis 2010 seien widerrufbar.
  2. Alle Verträge, die nach 2010 geschlossen wurden, könnten nicht widerrufen werden.

Dass dem nicht so ist, soll nachfolgend erläutert werden. Zum ersten Gerücht bleibt festzuhalten, dass einige Unternehmen und Banken eigene Widerrufsbelehrungen angefertigt haben, die den gesetzlichen Voraussetzungen genügen. Verträge mit diesen Belehrungen sind natürlich nicht mit der Begründung widerrufbar, dass die Belehrung fehlerhaft gewesen sei. Das ist aber stets im Einzelfall zu prüfen. Es ist allerdings naheliegend, dass viele Verträge, die vor der Gesetzesänderung 2010 geschlossen wurden, widerrufbar sind, weil die meisten Unternehmen und Banken das fehlerhafte Muster der Bundesregierung übernommen haben. In diesen Fällen beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen.

Zum zweiten Gerücht ist zu sagen, dass trotz des im EGBGB vorgegeben Musters oftmals Fehler von den Unternehmen und Banken bei der Belehrung gemacht werden. Inzwischen haben einige Gerichte, darunter die Oberlandesgerichte Celle, Nürnberg, München und Koblenz, zugunsten der Verbraucher entschieden, die ihre nach 2010 geschlossenen Verträge widerrufen haben.

Welche gesetzlichen Vorgaben seit 2010 gelten

Seit 2010 ist es den Unternehmen und Banken möglich, dass im EBGB enthaltene Muster zur Widerrufsbelehrung zu übernehmen. § 247 EBGB regelt die Informationspflichten bei einem Abschluss von Verbraucherdarlehensverträgen. In seinen Anlagen ist das besagte Muster zur Belehrung enthalten. Dieses übernehmen die Banken und Unternehmen.

Ein beliebter Fehler ist aber, dass in den Widerrufsbelehrungen Pflichtangaben gefordert werden, die nach dem Gesetz nicht benötigt werden. Diese zusätzlichen Voraussetzungen erfüllt die Bank dann aber nicht. Das muss sie auch nicht, weil die Pflichtangabe oder Voraussetzung gesetzlich nicht verlangt wird. Man könnte also meinen, dass somit kein Fehler vorliegt. Das Problem besteht allerdings darin, dass der Verbraucher davon ausgeht, erst richtig belehrt worden zu sein, wenn die Bank die Voraussetzungen erfüllen würde, unabhängig davon, dass sie das überhaupt nicht muss.

Man könnte also sagen: Der Fehler der Widerrufsbelehrung liegt darin, dass die Bank den Verbraucher glauben lässt, über etwas belehrt werden zu müssen, worüber er gar nicht belehrt werden muss.

Zur Vereinfachung ein Beispiel: „Die Bank belehrt den Verbraucher in ihrer Widerrufsbelehrung darüber, dass die Widerrufsfrist seines Darlehensvertrages erst dann zu laufen beginnt, wenn er alle Pflichtangaben erhalten hat. Unter anderem zählt die Bank hier auch Angaben der zuständigen Aufsichtsbehörde auf. Der Verbraucher allerdings erhält nie eine Information über die Aufsichtsbehörde.“ (vgl. OLG Celle, 02.12.2015 – 3 U 108/15)

Hier ist es eindeutig: Die Bank belehrt den Verbraucher über etwas (die Pflichtangabe durch die Aufsichtsbehörde) und kommt dieser Pflicht nicht nach. Die Widerrufsfrist beginnt nicht zu laufen.

Eine Abwandlung: Die zuständige Aufsichtsbehörde wird im Darlehensvertrag genannt.

Hier könnte man geneigt sein, zu sagen, dass V somit ordnungsgemäß belehrt wurde. Das Gesetz legt aber nicht fest, dass eine Pflichtangabe von der Aufsichtsbehörde an den Verbraucher übergeben werden muss. Somit gibt die B die falsche Information an den V, dass seine Widerrufsfrist erst zu laufen beginnt, wenn er eine Nachricht von der Aufsichtsbehörde erhält. Das stimmt aber nicht, da V keine Nachricht von der Aufsichtsbehörde erhalten muss. Aber allein sein Vertrauen darauf, dass die Bank ihn ordnungsgemäß belehrt hat und seine Widerrufsfrist noch nicht läuft, führt dazu, dass die Frist auch tatsächlich noch nicht einsetzt, da V ein fehlerhafter Umstand suggeriert wird.

Der Fehler besteht somit darin, dass die Bank über Pflichtangaben informiert, die gar nicht benötigt werden und beim Verbraucher die Vorstellung erzeugen, dass seine Widerrufsfrist noch nicht eingesetzt hat.

Es besteht von daher auch für Darlehensverträge, die nach 2010 geschlossen wurden, eine Widerrufsmöglichkeit – nämlich dann, wenn die Unternehmen und Banken das Muster fehlerhaft abgewandelt haben. Das passiert relativ häufig, da gerade die Widerrufsbelehrungen ein sehr schwierig zu durchschauendes Thema und sehr anspruchsvoll in ihren Voraussetzungen sind.

Warum das Thema aktuell so wichtig ist

Zum einen hegen Verbraucher aufgrund der aktuell niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt das Interesse, sich von ihren Altverträgen zu lösen. Aber auch andere Gründe spielen mit hinein: Das Darlehen wird nicht mehr benötigt, es soll ein neues, größeres Darlehen aufgenommen werden, und, und, und… Um einer langen Kündigungszeit zu entgehen, nutzen viele Verbraucher das ihnen zustehende Widerrufsrecht, sofern sie fehlerhaft belehrt wurden.

Dem Kapitalmarkt entstehen dadurch allerdings starke Schwankungen, weshalb das Interesse der Banken mit der neuen Gesetzesänderung der Bundesregierung umgesetzt wurde: Das „ewige Widerrufsrecht“ bei fehlerhaften Belehrungen wird aufgehoben. Nur noch bis zum 21. Juni 2016 haben Verbraucher die Möglichkeit, ihr Widerrufsrecht zu nutzen. Danach ist dieses verjährt. Wenn Sie also einen Darlehensvertrag haben, egal ob von vor 2010 oder danach, und Sie sich nicht sicher sind, ob Sie diesen widerrufen können, wenden Sie sich an uns – wir helfen Ihnen gerne weiter!

Wer wir sind

Die Rechtsanwaltskanzlei Benedikt- Jansen & Dorst ist auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisiert. Herr Rechtsanwalt Benedikt-Jansen ist seit 13 Jahren Vertrauensanwalt der Schutzgemeinschaft für Bankkunden e. V., einem staatlich anerkannten Verbraucherschutzverband zur Bekämpfung unredlicher Finanzdienstleister (z. B. aus dem Bankensektor, Kapitalanlagesektor, Versicherungen, etc.). Die Schutzgemeinschaft für Bankkunden hat seit dem Jahre 2004 zehntausende Fälle rechtsmissbräuchlicher Vertragspraktiken (insbesondere unwirksame Vertragsklauseln) erfolgreich bekämpft. Seit 2010 ist Herr Benedikt Jansen Fachanwalt für Bank-und Kapitalmarktrecht. Er verfügt über einen außergewöhnlich umfangreichen Schatz an Erfahrungen auf dem Gebiet des bankenrechtlichen Verbraucherschutzes.

Für weitere Informationen oder Fragen stehen er und sein Team Ihnen auf seiner Homepage zur Verfügung.


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