Auch der Arbeitnehmer muss vor einer fristlosen Kündigung abmahnen
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Kündigt der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund und stützt sich dabei auf ein angebliches Fehlverhalten des Arbeitgebers, so muss der Arbeitnehmer das Fehlverhalten in der Regel vorher abmahnen.
In einem von uns für den Arbeitgeber geführten Verfahren hat das Arbeitsgericht München die von uns vertretene Rechtsansicht bestätigt, dass auch der Arbeitnehmer vor einer verhaltensbedingten Kündigung eine Abmahnung aussprechen muss.
Der Sachverhalt selbst ist nicht ungewöhnlich, wenn man von der Bereitschaft des Arbeitgebers absieht, gegen seinen zur Trennung entschlossenen Arbeitnehmer vorzugehen. Der Arbeitnehmer war im Außendienst für den Arbeitgeber tätig. Der Vertrag sah ein vertragliches Wettbewerbsverbot während der Vertragslaufzeit und einen Zustimmungsvorbehalt für eine Nebentätigkeit vor. Der Arbeitnehmer beabsichtigte, das Unternehmen zu verlassen und wandte sich an den Geschäftsführer mit der Bitte, einen Aufhebungsvertrag mit Wirkung zum 01.10.2016 abzuschließen. Der Geschäftsführer erklärte hierzu grundsätzlich seine Bereitschaft. Ob der Geschäftsführer sich bereits fest gebunden hatte, war zwischen den Parteien streitig. Ein schriftlicher Aufhebungsvertrag wurde jedenfalls nicht abgeschlossen. Nachdem der Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber die Bitte zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags erörtert hatte, erklärte er schriftlich die Kündigung zum 31.12.2016 und bat um die Übersendung des Aufhebungsvertrags. Der Geschäftsführer wurde dann jedoch darüber informiert, dass es in den letzten Wochen vor dem Gespräch mehrere Beschwerden über den Arbeitnehmer gegeben hatte. Er erklärte ihm daraufhin per E-Mail, dass er keinen Aufhebungsvertrag abschließen werde und forderte ihn auf, seine Arbeitsleistung vertragsgemäß bis zum 31.12.2016 zu erbringen. Der Arbeitnehmer ließ sich in der Folge krankschreiben und den Arbeitsvertrag durch seinen Rechtsanwalt schriftlich fristlos kündigen. Er stützte den wichtigen Grund für die fristlose Kündigung darauf, dass ihm die Zusammenarbeit unzumutbar sei, nachdem ihm kein Aufhebungsvertrag angeboten werde. Unmittelbar nach Ausspruch der Kündigung schloss er mit einem Wettbewerber einen Arbeitsvertrag ab und begann dort seine Tätigkeit.
Wir haben die fristlose Kündigung im Auftrag des Arbeitgebers unverzüglich zurückgewiesen und den Arbeitnehmer aufgefordert, seine Arbeitsleistung nach Ablauf seiner Krankheit ordnungsgemäß zu erbringen, worauf er nicht reagierte. Im Auftrag des Klägers haben wir sodann einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Arbeitsgericht eingereicht, mit der dem Arbeitnehmer untersagt werden sollte, seine Tätigkeit bei dem neuen Arbeitgeber vor dem 01.01.2017 anzutreten. Grundlage hierfür war das vertragliche Wettbewerbsverbot, das bis zum Wirksamwerden der ordentlichen Kündigung gelten würde und dem Arbeitnehmer die Tätigkeit für einen Wettbewerber untersagen würde, wenn seine fristlose Kündigung nicht wirksam gewesen wäre.
Das Gericht ordnete zur Sachverhaltsaufklärung einen Termin zur mündlichen Verhandlung an und erteilte im Termin zur Überraschung des Arbeitnehmers den Hinweis, dass nach Ansicht der Kammer die Kündigung unwirksam sei. Die Kammer erklärte, dass ein Arbeitsvertrag nur dann wegen eines Fehlverhaltens des anderen Vertragspartners fristlos gekündigt werden kann, wenn das Fehlverhalten zuvor bereits abgemahnt worden war, die Vertragsverletzung im Anschluss daran aber fortgesetzt wurde. Eine Abmahnung sei nur dann ausnahmsweise nicht notwendig, wenn der Verstoß so schwer wiege, dass dem kündigenden Vertragspartner die Fortführung bis zum Vertragsende nach ordentlicher Kündigung nicht zumutbar sei. Diese Ausnahmesituation konnte die Kammer nicht erkennen.
Das Vertragsverhältnis wurde dann nach längeren Verhandlungen doch noch vergleichsweise aufgelöst, wobei der Arbeitnehmer die durch die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist entstandenen Schäden finanziell ausgleichen musste.
Dies Verfahren sollte nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch für deren Berater als Warnung dienen. Einfach die Kündigung auszusprechen und der Arbeit fernzubleiben, kann in rechtlicher Hinsicht unangenehme Folgen haben, wenn der Arbeitgeber ausnahmsweise ein Interesse daran hat, gegen die Kündigung vorzugehen. Dies Interesse kann z. B. dann gegeben sein, wenn der Arbeitgeber sich gegen den angeführten wichtigen Grund wehren muss, um Unruhe in seinem Unternehmen zu verhindern. Auch bei Außendienstmitarbeitern wird der Arbeitgeber häufiger ein Interesse daran haben, zu verhindern, dass der Arbeitnehmer unmittelbar bei einem Wettbewerber anfängt und die eigenen Kunden bedient, während er selbst erst einen Ersatz für den wechselnden Arbeitnehmer suchen muss.
RA Heiko Effelsberg, LL.M.
Fachanwalt für Versicherungsrecht
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