Aufenthaltsbestimmungsrecht - Sorgerecht - Umzug - Probleme getrennter/ geschiedener Eltern

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Bei der Trennung von Eltern eines oder mehrerer gemeinsamer Kinder, ob verheiratet oder nicht, stellen sich zahlreiche Fragen. Manchmal können die Eltern diese einvernehmlich regeln oder machen sich gar keine wirklichen Gedanken über die rechtliche Reichweite einer Absprache.

Andererseits gibt es auch die Fälle, in denen es zu, teilweise sehr emotional und heftig geführten, Auseinandersetzungen kommt.

Dieser Beitrag soll den Themenkomplex des Aufenthaltsbestimmungsrechts betrachten. Daneben stellen sich natürlich auch Fragen zu Unterhalt, sonstigem Sorgerecht oder beispielsweise auch Umgang, was hier aber nicht vertieft werden soll. Für eine umfassende und einzelfallbezogene Betrachtung Ihrer Situation können Sie sich gerne an mich wenden.

Aufenthaltsbestimmungsrecht

Beim Aufenthaltsbestimmungsrecht handelt es sich um einen Teilbereich der elterlichen Sorge, § 1631 BGB. Über diesen Teil kann auch isoliert entschieden werden.

Dementsprechend üben die Eltern eines Kindes, sofern vor der Trennung gemeinsames Sorgerecht bestand, dieses auch weiterhin gemeinsam aus. Eine Ehe bzw. Scheidung alleine ändert an diesem Grundsatz nichts. Bei nichtehelich geborenen Kindern ist zu betonen, dass dem Vater nicht automatisch das Sorgerecht zusteht.

Inhaltlich geht es um das Recht, den räumlichen Aufenthalt des Kindes auf Dauer und/ oder vorübergehend bestimmen zu können. Zentraler Aspekt ist dabei sicherlich die Wohnortwahl.

Erster Knackpunkt: Trennung

Der erste Streit über den Aufenthalt eines Kindes stellt sich manchmal schon mit der Trennung der Eltern. Lebte die Familie zuvor in einer Immobilie zusammen, will nun einer ausziehen und das Kind mitnehmen. Der andere Elternteil will mit Kind in der Immobilie bleiben. Können sich beide Elternteile nicht einigen, ist dies ein Streit über das Aufenthaltsbestimmungsrecht, wer also über den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes entscheiden darf.

Bisweilen wird dies einvernehmlich erfolgen können. Beispielsweise wenn ein Elternteil aufgrund der Arbeitsbelastung die Betreuung nicht stemmen könnte, wird oft der Aufenthalt beim beruflich nicht so eingespannten Elternteil vereinbart. Der nicht dauerhaft betreuende Elternteil sieht das Kind dann im Rahmen des durch die Eltern zu bestimmenden Umgangs.

Vorgehen

Erster Ansprechpartner ist das Jugendamt vor Ort. Der zuständige Mitarbeiter sucht dann das Gespräch mit beiden Eltern und mit dem betroffenen Kind. Dann wird eine vermittelnde Rolle eingenommen, damit die Eltern eine gemeinsame Lösung finden. Dabei kann das Jugendamt mit Erfahrung und einer fachlichen Einschätzung helfen.

Da das Jugendamt selbst aber keine Entscheidung treffen kann, welche für die Eltern verbindlich wäre, gibt es Folgeschritte, wenn eine Regelung nicht gefunden werden kann.

Eine Regelung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist dann durch das zuständige Familiengericht, das Amtsgericht am Wohnort des Kindes, zu treffen. Ist nur hierüber ein Streit entbrannt, wird die Frage isoliert geregelt. In Aufenthaltssachen kann dann ein Elternteil alleine entscheiden, während in anderen Bereichen (Vermögenssorge, Gesundheitssorge, Schulangelegenheiten ...) die gemeinsame elterliche Sorge fortbestehen kann.

Das Verfahren ist durch Antrag beim Gericht einzuleiten. Im Verfahren werden Jugendamt und ein Verfahrensbeistand beteiligt. Letzterer ist ein Rechtsanwalt, der ausschließlich auf die Interessen des beteiligten Kindes achtet. Bevor das Gericht eine Entscheidung trifft, werden Gespräche mit den Eltern und dem Kind geführt. Das Ergebnis dieser Gespräche wird ins Verfahren eingebracht.

In höchst fraglichen Situationen kann es dazu kommen, dass ein Sachverständigengutachten über die Frage der Kindeswohldienlichkeit einzuholen ist.

Kriterien

Das Gericht folgt in der Regel den Stellungnahmen von Jugendamtsmitarbeiter und Verfahrensbeistand. Aber woran orientiert sich deren Einschätzung?

Dies ist, wie in allen Kindschaftsfragen, das Kindeswohl, § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB.
Einzelfallabhängig wird betrachtet, wo sich das Kind zu seinem eigenen Besten aufhalten sollte. Hierbei spielen verschiedene Aspekte eine Rolle:

Zum einen die Kontinuität. Dies sowohl in personeller als auch in räumlicher Hinsicht. Insbesondere Konstanz bei der Person, welche die Hauptbezugsperson ist, ist wichtig. Sind die Eltern in dieser Hinsicht gleichermaßen Bezugsperson, ist auch der Verbleib in der bisherigen Wohnung, rein räumlich, ein Argument. Dies umso mehr, umso mehr der Umzug das soziale Umfeld aufrütteln würde, beispielsweise durch einen notwendigen Schulwechsel. Auch die Frage nach sekundären Bezugspersonen kann sich stellen. Also in welchem Ausmaß Unterstützung bei der Betreuung durch Großeltern oder andere Familienmitglieder existiert und die bestehenden Bindungen zu diesen Personen beeinflusst werden. Die Meinung des Kindes wird stets gehört. Je älter das Kind dabei ist, desto gewichtiger werden die Wünsche berücksichtigt. Gerade bei jüngeren Kindern fehlt aber oft die Weitsicht, welche Tragweite eine Äußerung hat, sodass diese Einschätzung bei Kleinkindern nicht der alleinige oder überwiegende Aspekt ist.

Zweiter Knackpunkt: Umzug

Die zweite Situation, in der das Aufenthaltsbestimmungsrecht regelmäßig zum Thema wird, sind Umzüge.

Bei gemeinsamem Aufenthaltsbestimmungsrecht ist für eine Änderung des dauerhaften Aufenthalts des Kindes grundsätzlich eine gemeinschaftliche Entscheidung notwendig.

Will der betreuende Elternteil mit Kind umziehen und der andere Elternteil stimmt dem nicht zu, ist eine Entscheidung herbeizuführen. Ein Umzug kann auch ohne Zustimmung tatsächlich stattfinden, stellt dann aber eine Beeinträchtigung des gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrechts dar.

Das Gericht überträgt in dieser Entscheidung einem Elternteil die alleinige Entscheidungskompetenz. Allerdings kann dies auch zum Anlass genommen werden, das Aufenthaltsbestimmungsrecht generell auf einen Elternteil zu übertragen, um künftigen Streit zu vermeiden.

Das Gericht orientiert sich dabei erneut an den Kriterien des Kindeswohls. Zuständig ist erneut das Amtsgericht am Wohnort des Kindes als Familiengericht. Bei kleineren Umzügen wird der stärkere Bezug zur Hauptbezugsperson in der Regel dazu führen, dass diesem Elternteil dann auch die Entscheidung übertragen wird. Bei Wechselmodellen muss eine solche Frage aber beträchtlich genauer angesehen werden.

Eine starre Kilometergrenze gibt es nicht, wie weit man "unproblematisch" wegziehen kann. Wo in ländlicher Region 30 Kilometer keinen Schulwechsel bedeuten, kann städtisch die andere Straßenseite zum Wechsel des Schulsprenkels führen. Ersichtlich kommt es also darauf an, welche objektiven Gründe für und gegen den Umzug sprechen.

Beim alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrecht des betreuenden Elternteils scheint sich die Problematik auf den ersten Blick nicht zu ergeben. Der Elternteil entscheidet alleine über den Aufenthalt, kann also den Umzug alleine entscheiden, oder?

Der umgangsberechtigte Elternteil kann den Umzug durch fehlende Zustimmung nicht verhindern. Er muss rein rechtlich auch nicht in die Planung involviert werden.

Hier muss man sich aber des Nachspiels bewusst sein, das eine solche Entscheidung haben kann. Gerade ein weiterer Umzug kann das Umgangsrecht des anderen Elternteils erschweren und daher auf wenig Akzeptanz stoßen.

Dem anderen Elternteil steht es dann offen, den Streit neu aufzurollen und eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich zu beantragen. Argument ist dann, dass der Umzug nur aus schikanösen Gründen erfolgt ist, um den Umgang und Kontakt des Kindes zum zurückbleibenden Elternteil zu erschweren und zu zerstören. Kurzfristige Treffen werden dadurch schwierig bis unmöglich, die Teilnahme an Schulfesten, Vereinsveranstaltungen etc. wird dem anderen Elternteil de facto genommen und Aufwand sowie Kosten für die Umgänge steigen an. Erfolgt der Umzug tatsächlich nur, um den anderen Elternteil aus dem Leben des Kindes zu drängen, ist der Vorwurf berechtigt, das Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht im Interesse des Kindes, zu dessen Wohl, auszuüben.

Auch bei alleinigem Aufenthaltsbestimmungsrecht sollte man also objektive Gründe haben, die für den Umzug sprechen. Dies können berufliche Gründe sein. Auch eine bessere Betreuungsunterstützung ist anzuführen, wenn man näher zu Großeltern oder anderen Familienmitgliedern zieht. Weiterhin ist der Wegzug aus einem Ballungsgebiet mit zu hohen Mieten auch denkbar. Da es auf den Einzelfall ankommt sind die verschiedensten Aspekte zu bedenken.

Streit gibt es insbesondere dann, wenn der Umzug ins Ausland erfolgen soll.

Ein Umzug ins Ausland ohne Zustimmung des anderen sorgeberechtigten Elternteils ist eine sogenannte Kindesentführung. Dabei handelt es sich um einen Straftatbestand § 235 Abs. 2 StGB. 85 Statten arbeiten im Haager Übereinkommen zusammen und unterstützen sich bei Rückführung von ins Ausland verbrachter Kinder. Das Kind wird so wieder nach Deutschland zurückgeholt. Im dann sicherlich anschließenden Verfahren über das Aufenthaltsbestimmungsrecht hat sich der Elternteil, der das Kind mit ins Ausland verbracht hat, direkt in eine äußerst nachteilige Situation gebracht.

Ansonsten ist der Umzug ins Ausland aber so zu würdigen, wie auch der Umzug im Inland. Kriterien sind weiterhin die gefestigten Bindungen des Kindes. Hinzu kommen Fragen zu Kultur und Sprache, welche in der Regel gegen einen Umzug ins Ausland sprechen.

Bei einem Umzug innerhalb Deutschlands spricht man hingegen von Kindesentziehung, § 235 Abs. 1 StGB. Auch hier sollten Schritte ergriffen werden, idealerweise bevor sich die geänderten Umstände als neuer Normalzustand etablieren und verfestigen.

Dritter Knackpunkt: Umgang

Auch als Inhaber des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts sollte man sich kein falsches Bild über die Reichweite machen.

Häufig entsteht Streit darüber, wo sich der andere Elternteil mit dem Kind während des Umgangs aufhält. Der betreuende Elternteil denkt oft, aufgrund des Aufenthaltsbestimmungsrechts, mitspracheberechtigt zu sein, bzw. sogar den räumlichen Aufenthalt während des Umgangs bestimmen zu dürfen. Dieser Streit entsteht häufig, wenn das Kind beim Umgang zur neuen Partnerin/ zum neuen Partner oder zu nicht gelittenen Großeltern mitgenommen werden soll. Auch bei der Frage nach Ausflügen während des Umgangs treten solche Streitigkeiten auf.

Grundsätzlich ist zu betonen, dass der umgangsberechtigte Elternteil während des Umgangs die alltäglichen Entscheidungen für das Kind zu treffen hat. Das beinhaltet die Frage nach dem räumlichen Aufenthalt.

Während es keine gute elterliche Kommunikation darstellt zu schweigen, ist es rechtlich nicht notwendig, den anderen Elternteil über jeden Aufenthaltsort während des Umgangs zu informieren. Trips zu Großeltern, Freunden, Fußballauswärtsspielen und ähnlichem müssen nicht genehmigt werden.

Grenze dessen ist das Kindeswohl. Ein Aufenthalt, der das Kindeswohl beeinträchtigen könnte, ist keine alltägliche Entscheidung und damit nicht durch den umgangsberechtigten Elternteil alleine zu entscheiden.


Rechtsprechung

In der Rechtsprechung finden sich verschiedenste Entscheidungen zu diesem Thema. Gerade der starke Einzelfallbezug macht eine pauschale und verallgemeinernde Betrachtung schwierig.

Mit dem OLG Koblenz, 14.11.2028 - 13 UF 413/18, sind die Folgen des Umzugs als Grundsatz möglichst gering zu halten. Dazu gehört, dass die /Grund-)Schule vor dem Umzug beendet sein sollte.

In diese Richtung geht auch das OLG Brandenburg, 26.09.2016 - 10 UF 621/16, wenn betont wird, dass der bisherige Alltag berücksichtigt werden muss. Umso mehr der Umzug diesen beeinträchtigt, desto schlimmer. Gibt es umzugsbedingte Fehlzeiten in der Schule, widerspricht der Umzug dem Kindeswohl.

Ein schikanöser Umzug ins Ausland kann dazu führen, dass das Kindeswohl gefährdet ist. Das OLG Hamm, 15.11.2010 - 8 WF 240/10, sprach dem Vater das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zu. Die Mutter wollte ohne bestehende Anknüpfung ins Ausland ziehen. Das Gericht sah das Kindeswohl aufgrund fehlenden sozialen Bezugs und fehlender Sprachkenntnisse als gefährdet an.

Bei hinreichender Argumentation ist aber auch ein Umzug nach Südamerika möglich, OLG München, 09.05.2008 - 12 UF 1854/07.

Ein Umzug ohne vorherige Ankündigung kann Zweifel an Bindungstoleranz und Erziehungsfähigkeit des umziehenden Elternteils begründen, so das OLG Hamburg, 21.12.2022 - 2 UF 81/22. Entsteht aufgrund der Umzugspläne Streit über das Aufenthaltsbestimmungsrecht, ist ein solches Vorgehen nachteilig.

Zusammenfassend

Ein Umzug ist vielfach möglich. Hierfür gibt es keine genaue Kilometergrenze, es kommt stets auf die Argumente im Einzelfall an.

Um für anschließende Sorgerechtsstreitigkeiten vorbereitet zu sein, ist die Beratung und Information vorab aber von großer Bedeutung. Bei Fragen können Sie sich gerne mit Ihrem Anliegen an mich wenden.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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