Auswirkungen der sog. Enthaftungserklärung nach § 109 I S.2 InsO auf die Rechte insolventer Mieter

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Zum Schutz des Mieters vor Obdachlosigkeit in der Insolvenz gilt gemäß § 112 InsO die sog. Kündigungssperre. Danach darf das Mietverhältnis über selbstgenutzten Wohnraum des Schuldners nicht gekündigt werden wegen rückständiger Mieten, die vor Insolvenzeröffnung fällig waren, und auch nicht wegen Verschlechterung der Vermögensituation des Mieters.

Gemäß § 109 Abs.1 InsO soll der Insolvenzverwalter berechtigt sein, unter Einhaltung einer Frist von 3 Monaten bestehende Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners zum Zwecke des Masseschutzes zu kündigen.

Dies gilt nicht für selbstgenutzten Mietwohnraum des Schuldners, weil insofern § 112 InsO lex specialis ist.

Das Kündigungsrecht hat der IV grundsätzlich auch bei insolventen Mitmietern, die nur noch laut Vertrag nutzungsberechtigt sind, aber nicht mehr in dieser Wohnung leben.

(Bsp.: Nach der Scheidung bleibt nur ein Ehegatte in der Wohnung. Zum Schutze des Mietverhältnisses tritt aber keine Änderung bei den Vertragsparteien ein. Sehr problematisch, gerade im Hinblick auf das Mietverhältnis des nicht-insolventen Mitmieters.)

I. Anwendungsbereich

Zum Schutze der Masse vor Ansprüchen aus dem Mietverhältnis ist der Insolvenzverwalter aber berechtigt/verpflichtet, statt zu kündigen die sog. Enthaftungserklärung gem. § 109 I S.2 InsO abzugeben. Danach bleibt das Mietverhältnis bestehen, ohne dass die Insolvenzmasse für Verpflichtungen aus dem Mietverhältnis haftet. Diese Erklärung ist wirksam ab Zugangs beim Vermieter und dem Ablauf der in § 109 I S.1 bestimmten Frist.

II. Rechtswirkungen

Daraus ergeben sich folgende, durchaus kontrovers diskutierte Konsequenzen:

  1. Das Mietverhältnis bleibt in seiner alten Form bestehen, mit der Besonderheit, dass es insgesamt aus der Vermögens- und Verwaltungsbefugnis des Insolvenzverwalters gemäß § 89 InSO ausscheidet.

  2. Wegen des Postulats der Einheitlichkeit des Mietverhältnisses wirkt die Enthaftungserklärung nach § 109 I S.2 InsO grundsätzlich wie die „Freigabe“ nach § 35 II InSO, erfasst also alle Ansprüche aus dem Mietverhältnis. Der Mieter erlangt wegen Ansprüchen aus dem Mietverhältnis seine Prozessführungsbefugnis zurück; die des IV erlischt (BGH v. 22.05.2014, ZVI 2014, 263, in diesem Sinne auch BGH v. 17.06.2015, ZVI 2015,339 und BGH v. 16.03.2017, ZVI 2017,275)
     
  3. Wegen der freigabeähnlichen Wirkung der Enthaftungserklärung ist die Mietkaution (in ihrer gesetzlich zulässigen Höhe) kein Massebestandteil und verbleibt in der Verfügungsmacht der Mietparteien. Kommt es über Art und Höhe oder Rückzahlungspflicht der Kaution zum Streit zwischen den Mietvertragsparteien, ist insoweit allein der Schuldner partei- und prozessfähig (BGH, ZVI 2014, 263)
      
  4. Gleiches muss gelten für alle im Mietverhältnis wurzelnden Nebenkostenguthaben. Die Frage, ob derartige Guthaben ebenfalls insolvenzfrei sind oder wie Neuerwerb in die Masse fallen, hat der BGH in seiner Entscheidung vom 22.05.2014, VIII ZR 107/13 (ZVI 2014, 342), zwar offengelassen, in einem obiter dictum aber ausgeführt, dass wegen der Parallelität von Enthaftungserklärung und Freigabe nach § 35 II S.1 InsO es „naheliegend sei, dass hier die gleichen Grundsätze gelten“. Ähnlich formuliert der BGH in seine Entscheidung zur Mietkaution (ZVI 2017,275), wenn es dort heißt, dass alle mietvertraglichen Forderungen des Schuldners vom Insolvenzbeschlag frei werden, die erst nach dem Wirksamwerden der Enthaftungserklärung entstehen. Der Begriff „mietvertragliche Forderung“ dürfte auf die Erstattung aus Nebenkostenguthaben in vollem Umfang anwendbar sei.

Problematisch erscheint die insoweit leider konsequente Auffassung des BGHs, dass mit der Enthaftungserklärung zwangsläufig auch die Kündigungssperre des § 112 InsO entfällt, wenn der Vermieter wegen vorinsolvenzlicher Zahlungsrückstände das Metverhältnis aufkündigt (BGH, vom 17.06.2015, ZVI 2015, 339).



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