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Beantragung von Leistungen bei Krankenkasse - Streit um die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V

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Werden Fristen im Sinne von § 13 Abs. 3a Sätze 1-4 SGB V seitens der Krankenkasse nicht eingehalten und erfolgt keine rechtzeitige schriftliche Mitteilung nach § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V an die Leistungsberechtigten, gilt die klar formulierte Rechtsfolge des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V, welche die Leistung als genehmigt ansieht.

Diese Rechtsfolge greift ohne weitere Prüfung der Erforderlichkeit und unabhängig davon, ob es um einen Antrag auf Sachleistung oder auf Kostenerstattung geht.

Entscheidung des LSG Saarbrücken

Dies hat das LSG Saarbrücken in einem Urteil vom 17.06.2015 (L 2 KR 180/14) entschieden.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie als Kurzzeittherapie. Im Anschluss beantragte der Kläger die Feststellung der Leistungspflicht einer Langzeittherapie. Der Antrag ging bei der Beklagten am 16.12.2013 ein und diese erteilte am 17.12.2013 einen Gutachtenauftrag, worüber der Kläger nicht informiert wurde.

Der Sachverständige teilte mit Gutachten vom 14.01.2014 mit, die weiteren Voraussetzungen für eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie seien nicht gegeben. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27.01.2014 die Leistung ab.

Bereits im Widerspruchverfahren verwies der Kläger auf § 13 Abs. 3a SGB V und die darin enthaltene Genehmigungsfiktion. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Im anschließenden Klageverfahren vertrat der Kläger die Ansicht, die Beklagte sei durch die Fiktion des § 13 Abs. 3a SGB V mit Ablauf der Fünfwochenfrist mit allen Einwendungen ausgeschlossen. Die Beklagte vertrat die Ansicht, es widerspreche der systematischen Auslegung der Norm, wenn mit dieser Vorschrift auch nicht geschuldete Leistungen ermöglicht werden sollen.

Das SG hatte die Beklagte verurteilt, die Kosten für die beantragte Psychotherapie zu tragen.

Die Berufung der Beklagten hatte vor dem LSG keinen Erfolg. Dabei stand im Streit, ob lediglich die Bewilligung für eine im System der gesetzlichen Krankenversicherung geschuldete Leistung fingiert werde, oder ob eine materiell-rechtliche Prüfung überhaupt noch stattfindet und die Krankenkasse mit allen Einwendungen ausgeschlossen ist.

Das LSG stellte hierbei mit der herrschenden Meinung auf den Willen des Gesetzgebers ab. Nur mit der Genehmigungsfiktion und dem Ausschluss aller Einwendungen der Krankenkasse könne der Wunsch des Gesetzgebers, generalpräventiv die zügige Durchführung des Verwaltungsverfahrens zu verbessern, umgesetzt werden. Dieses Ziel würde ins Leere laufen, wenn die Genehmigungsfiktion durch eine außerhalb der Frist erfolgende nachträgliche Prüfung der einzelnen Leistungsvoraussetzungen wieder erlöschen könnte.

Zudem lege der Text des § 13 Abs. 3a SGB V einen uneingeschränkten Sachleistungsanspruch fest, der schon eintrete, wenn die Krankenkasse die Fristvorschrift schlichtweg nicht beachte. Eine andere Auslegung entgegen des klaren Wortlautes sei aus Sicht des Senats nicht möglich. Durch die Genehmigungsfiktion werde die Leistungsberechtigung des Versicherten wirksam verfügt. Die Beklagte sei demnach mit allen Einwendungen ausgeschlossen.

Die hiervon abweichende Rechtsansicht vertritt die Auffassung, die Genehmigungsfiktion greife nur ein, wenn der Antrag eine grundsätzlich von der Krankenkasse innerhalb des Systems der GKV geschuldete Leistung betreffe, welche dem Qualitätsgebot des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V und dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V entspreche.

Die auf § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V verengte Wortlautbetrachtung lasse sich mit dem Regelungsgehalt des § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V, der einen Kostenerstattungsanspruch nur für die Selbstbeschaffung einer „erforderlichen“ Leistung einräume, nicht vereinbaren, da der Gesetzgeber lediglich die Kostenerstattung für erforderliche Leistungen beabsichtigt habe.

Empfehlung für Antragsteller

Anhand dieser Problematik wird anschaulich, wie unterschiedlich die Frage der konkreten Rechtsfolge der Genehmigungsfiktion behandelt wird. Es bestehen nach wie vor Unsicherheiten dahingehend, wie die Gerichte zukünftig in dieser Hinsicht entscheiden werden.

Sogar innerhalb des Landessozialgerichts Essen wurde diese Problematik von zwei Kammern in zwei Beschlüssen an ein und demselben Tag unterschiedlich beurteilt.

Daraus wird deutlich, wie auslegungsbedürftig die Vorschrift wohl noch ist. Eine obergerichtliche Entscheidung liegt gegenwärtig noch nicht vor. Es bleibt daher zu hoffen, dass diese nicht mehr lange auf sich warten lässt, damit es eine einheitliche Linie gibt, an der sich Leistungsberechtigte orientieren dürfen.

Bei der Beantragung von Leistungen ist es für Leistungsberechtigte daher entscheidend, auf folgende Faktoren zu achten: Sollte sich die Bearbeitungszeit eines Antrages aufgrund der Einholung eines Gutachtens verlängern, ist der Antragsteller zwingend schriftlich zu benachrichtigen. Ist dies nicht der Fall, sollten Antragsteller auf der Leistung beharren und diese notfalls gerichtlich durchsetzen.

Aufgrund dieser rechtlichen Unsicherheit ist es für Versicherte ratsam, einen spezialisierten und erfahrenen Rechtsanwalt zu konsultieren. Dieser behält für die Leistungsberechtigten sowohl die aktuelle Rechtsprechung als auch die notwendige Fristenkontrolle stetig im Blick. Nur so können die Leistungsberechtigten ihr Recht wirksam und vollumfänglich durchsetzen. Es macht Sinn, bereits in einem etwaigen Widerspruchsverfahren Argumente hinsichtlich der Genehmigungsfiktion aufzuführen und sich darauf zu berufen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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