Beitragserhöhungen der privaten Krankenversicherung unwirksam – OLG Köln vom 28.01.2020

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Das OLG Köln hatte am 28.01.2020 (9 U 138/19) über die Klage eines Versicherungsnehmers auf Rückzahlung von Beiträgen für dessen private Krankenversicherung bei der AXA zu befinden. Der Versicherungsnehmer hielt die Beitragserhöhungen wegen fehlerhafter Begründung nach § 203 Abs. 5 VVG für unwirksam und das OLG folgte dieser Rechtsauffassung. Dem Versicherungsnehmer wurde somit ein Rückerstattungsanspruch in Höhe der aufgrund der unwirksamen Erhöhung überzahlten Beiträge zugestanden.

Das noch nicht rechtskräftige Urteil ist voraussichtlich auf diverse PKVs übertragbar. Im zweiten Schritt wird nun der BGH entscheiden.

1. Zum Hintergrund

Zu dem Komplex der Beitragserhöhung in der PKV hat der BGH u. a. die folgenden, grundlegenden Entscheidungen gefällt:

  • Mit Urteil v. 16.06.2004 (IV ZR 117/02) hat der BGH entschieden, dass die Prämienanpassung durch die private Krankenversicherung nicht auf Angemessenheit oder Billigkeit überprüfbar ist, sondern lediglich darauf, ob Sie nach anerkannten versicherungsmathematischen Grundsätzen als mit den bestehenden Rechtsvorschriften in Einklang stehend anzusehen ist.
  • In seinem Urteil vom 9. 12. 2015 (IV ZR 272/15) hat der BGH sodann klargestellt, dass Gegenstand der gerichtlichen Überpüfung nur die Unterlagen sein können, die der VR dem mathematischen Treuhänder nach § 155 Abs. 3 VAG zur Prüfung vorgelegt hat.
  • Und schließlich befand der BGH mit Urteil vom 19.12.2018 (IV ZR 255/17), dass die Unabhängigkeit des Treuhänders von den Zivilgerichten nicht gesondert überprüfbar ist.

2. „Maßgebliche“ Gründe für die Beitragsanpassung 

Das nunmehr ergangene Urteil des OLG Köln betrifft einen weiteren, noch nicht höchstgerichtlich geklärten Aspekt im Rahmen der Beitragsanpassungsprozesse.

Gemäß § 203 Abs. 5 VVG wird die Neufestsetzung der Prämie erst nach Mitteilung der dafür „maßgeblichen“ Gründe wirksam. Weitestgehend inhaltsgleiche Vorgängernorm war § 178 g Abs. 4 VVG a. F. Unumstritten scheint jedenfalls zu sein, dass die dem VN mitzuteilenden „maßgeblichen“ Gründe durch das Prozessgericht vollumfänglich überprüfbar sind, da es sich um eine gesetzliche Wirksamkeitsvoraussetzung handelt. Dies gilt selbst dann, wenn sich der Versicherungsnehmer im Klageverfahren nicht auf Mängel der Begründung beruft. In Rechtsprechung und Literatur kontrovers diskutiert wird demgegenüber, was dem Versicherungsnehmer konkret mitzuteilen ist.

Das OLG Köln schließt sich nun der Auffassung des OLG Celle und des OLG Stuttgart an geht dabei vom Sinn und Zweck des Begründungserfordernisses aus und erkennt sowohl die Nachvollziehbarkeit der Vertragsänderung für den Versicherungsnehmer als auch das Erfordernis einer Entscheidungsgrundlage für die Ausübung von Gestaltungsrechten (Kündigung, Tarifwechsel) als entscheidenden Gesichtspunkt an. Dazu sind nach dem Gericht jedenfalls die Angabe der geänderten Rechnungsgrundlage nach § 155 VAG bezogen auf die konkrete Prämienanpassung sowie ein gesonderter Hinweis auf das Kündigungs- und Tarifanpassungsrecht nach § 204 VVG erforderlich. Die Wirksamkeitsvoraussetzungen des § 203 Abs. 5 VVG zu benennen, wenn die PKV eine Beitragserhöhung ohne gestiegene Leistungsausgaben beabsichtigt.  

Das Gericht argumentiert pragmatisch dahingehend, dass es sich um ein Masseverfahren handele, und weitergehende Anforderungen an die Begründung in der Praxis daher nicht umsetzbar seien. Schließlich stünde dem Versicherungsnehmer auch ein Auskunftsanspruch zu.

3. Höhe der Forderung 

Der Anspruch des Versicherungsnehmers ergibt sich aus der Summe der aufgrund der unwirksamen Beitragserhöhung geleisteten Beitragszahlungen. Dabei sind nach dem OLG auch keine Abzüge (Sparprämie, Risikoprämie, gesetzlicher Beitragszuschlag) vorzunehmen. Der Vertrag wird nicht vollständig beendet, sondern bleibt im Übrigen mit der bisherigen, geringen Prämie wirksam. Die Saldotheorie finde daher keine Anwendung.

4. Verjährung

Der der dreijährigen Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB unterliegende bereicherungsrechtlichen Anspruch des Versicherungsnehmers entsteht mit Kenntnis von der Beitragserhöhung, d. h. mit der entsprechenden Mitteilung des VR. Von einer Kenntnis des VN oder zumindest grob fahrlässigen Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen dürfte wohl auch stets mit Mitteilung der Beitragserhöhung, die die erforderlichen Mindestangaben nicht enthält, auszugehen sein. Das OLG ging vorliegend nicht davon aus, dass eine besonders unübersichtliche und verwickelte Rechtslage bestehe, die die Kenntnis bis zur Klärung ausschließe. Unseres Erachtens sprechen aber gute Gründe dafür, so dass mangels Kenntnis die 10-jährige Höchstverjährung Anwendung findet.

Fraglich ist ferner, wie der Rechtsgedanke der Verwirkung oder unzulässigen Rechtsausübung von den Gerichten gehandhabt werden wird. Insbesondere in den Fällen, in denen in kurzer Zeit mehrere Beitragserhöhungen erfolgt sind und der VN vorhergehende Erhöhungen nicht angegriffen hat, könnte mit Treu und Glauben argumentiert werden. Dagegen spricht, dass an die Annahme einer Verwirkung noch vor dem Ablauf der Verjährungsfrist ausgesprochen hohe Anforderungen zu stellen sind.  

5. Fazit

Da bisher von einer Verjährung der Ansprüche binnen der regelmäßigen 3-jährigen Verjährungsfrist auszugehen ist, ist Eile geboten.

Wenden Sie sich zur Prüfung Ihrer Beitragserhöhungen an Herrn Dr. Rädecke.


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