Betriebsratsarbeit in Zeiten von Corona – Teil 2

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Es kommt nicht oft vor, dass ausgerechnet die katholische Kirche eine innovative Vorreiterrolle einnimmt – diese ermöglicht seit dem 01.04.2020 eine virtuelle Teilnahme an Sitzungen der Mitarbeitervertretungen! Diese zunächst auf zwei Jahre bis zum 31.03.2022 befristete Regelung sieht vor, dass eine Teilnahme an Sitzungen der Mitarbeitervertretung auch dann ermöglicht wird, wenn wegen eines unabwendbaren Ereignisses einzelne oder alle Mitglieder nicht körperlich anwesend sein können.

Die entsprechende Änderung wurde in § 14 Abs. 4 MAVO in dort nun neu eingefügten Sätzen 4. und 5. umgesetzt. Hierin heißt es nun:

„(…) Kann die Sitzung einer Mitarbeitervertretung wegen eines unabwendbaren Ereignisses nicht durch die körperliche Anwesenheit eines oder mehrerer Mitglieder durchgeführt werden, kann die Teilnahme einzelner oder aller Mitglieder an der Sitzung auch mittels neuer Informations- und Kommunikationstechnologien erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. (…)“

Eine begrüßungswerte Regelung – nicht nur in Zeiten der Corona-Pandemie – auf die man in der „normalen“ Wirtschaft bislang vergeblich wartete. Doch der damit verbundene Wunsch scheint nun tatsächlich in Erfüllung zu gehen:

Der Deutsche Bundestag hat am 23. April 2020 das „Arbeit-von-morgen-Gesetz“ (Gesetz zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung) beschlossen, wonach mittels des neu gefassten § 129 BetrVG die Digitalisierung nunmehr auch in der Betriebsratsarbeit Einzug hält.

Bisher sieht die Rechtslage wie folgt aus:

Sitzungen des Betriebsrats erfordern das physische Zusammentreffen der Betriebsratsmitglieder, denn Beschlüsse des Betriebsrates sind gemäß den §§ 30, 33 BetrVG in nicht öffentlicher Sitzung mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Betriebsratsmitglieder zu fassen.

Auswirkungen der Pandemie:

Als Reaktion auf die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen haben es viele Unternehmen ihren Mitarbeitern ermöglicht, im Homeoffice zu arbeiten. Dagegen gab es keine rechtssichere Möglichkeit, Betriebsratsentscheidungen „coronakonform“, das heißt virtuell zu treffen. Einig war man sich insoweit nur, dass die Betriebsratsarbeit durch Corona jedenfalls nicht leiden darf.

Politik wie Jurisprudenz haben nach einer pragmatischen Lösung für dieses Dilemma gesucht. So hat zB Bundesarbeitsminister Heil in seiner „Ministererklärung“ vom 20.03.2020 seine Auffassung kundgetan, wonach in Zeiten von Corona die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung auch mittels Video- oder Telefonkonferenz einschließlich online gestützter Anwendungen wie WebEx oder Skype zulässig seien, wobei dies sowohl für die Zuschaltung einzelner Betriebsratsmitglieder als auch für eine virtuelle Betriebsratssitzung insgesamt gelte. Nach Auffassung von Minister Heil seien Beschlüsse, die in einer solchen Sitzung gefasst werden wirksam. Auch wenn diese ungewohnt eindeutige Positionierung des Bundesarbeitsministers doch mit einiger Überraschung aufgenommen wurde, stimmten weitere gewichtige Stimmung in den sich daraus ergebenden Tenor ein, wonach die Arbeitgeber aufgerufen wurden, unwiderruflich auf die Anfechtung von während der Corona-Pandemie gefassten Betriebsratsbeschlüssen zu verzichten.

All dies war gut gemeint – es änderte jedoch nichts an der geltenden Rechtslage, wonach ein nicht in einem physischen Meeting gefasster Beschluss des Betriebsrats unwirksam war und damit für beide Seiten erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Risiken birgt.

Neue Gesetzeslage

Sitzungen und Beschlussfassung unter anderem von Betriebsräten, Wirtschaftsausschüssen und sogar Einigungsstellen sollen nach neuer Gesetzeslage nunmehr gemäß § 129 BetrVG tatsächlich mittels Video- und Telefonkonferenz durchgeführt werden können. Es muss dabei jederzeit sichergestellt sein, dass Dritte von dem Inhalt der Sitzung keine Kenntnis haben, die Teilnehmer der Sitzung dem Vorsitzenden ihre Teilnahme an der Sitzung bestätigen und die Sitzung nicht aufgezeichnet wird.

Besondern bemerkenswert ist, dass diese Gesetzesänderung sogar rückwirkend seit dem 01.03.2020 gelten soll, sodass auch frühzeitig digital gefasste Beschlüsse nicht weiter von der bisherigen aufgezeigten Rechtunsicherheit betroffen wären. Befristet wird die Regelung allerdings lediglich bis zum 31.12.2020.

Die Erläuterungen zu dem nunmehr beschlossenen Gesetzesentwurf schlagen zur Durchführung der Video- und Telefonkonferenzen online gestützter Anwendungen wie WebEx oder Skype Meetings vor. Je nach IT-Ausstattung des Arbeitgebers haben Betriebsräte also sehr wahrscheinlich Anspruch auf entsprechende Mittelbereitstellung gemäß § 40 BetrVG.

Neben den technischen Voraussetzungen wird in der Gesetzesbegründung die Nutzung eines nicht öffentlichen Raumes während der Dauer der Sitzung empfohlen. Damit ist klar, dass eine Teilnahme an Online-Sitzungen zum Beispiel an Flughäfen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht in Betracht kommt.

Außerdem schlägt die Begründung vor, die Sitzungsteilnehmer zu Protokoll versichern zu lassen, dass sich in ihrem Raum nur teilnahmeberechtigte Personen aufhalten und außerdem zur Meldung verpflichtet sind, falls nicht teilnahmeberechtigte Personen (zum Beispiel Familienangehörige) hinzukommen.

Der Gesetzgeber betont damit also die verantwortungsvolle Organstellung der Betriebsräte.

Fazit: 

Mit entsprechendem Pragmatismus beschließt der Gesetzgeber nunmehr eine Rechtslage, mit der nunmehr auch die Betriebsratsarbeit tatsächlich im 21. Jahrhundert angekommen sein dürfte. Ob sie dort auch langfristig verbleibt (die Befristung lässt daran zweifeln), bleibt dagegen abzuwarten.

Stefan Wenzel

Fachanwalt für Arbeitsrecht 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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